Bundesliga:Dortmund: Hinter den Bayern, weit vor dem Rest der Liga

Borussia Dortmund v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Erfolgreicher Torschütze - aber hinter Bayerns Lewandowski: Pierre-Emerick Aubameyang

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Nein, nein, nein, von Bayern München wollte an diesem eisigen Abend partout keiner sprechen. Auch Marco Reus nicht, der in die Reporter-Mikrofone in strenger Profi-Haltung raunte, man habe "jetzt erst mal Darmstadt vor der Brust". Wenn man dort am Mittwochabend nicht gewinne, dann brauche man über das Duell mit den ewigen Bayern "gar nicht zu reden". Kann sein, dass da bei Dortmunds Aushilfs-Kapitän noch die Demut über das späte, mühsam errungene 3:1 gegen die TSG Hoffenheim mitschwang.

Der Abstand nach vorne jedenfalls - die scheinbar unveränderlichen acht Punkte zum Tabellenführer FC Bayern - gibt auch keinen richtigen Anlass, zu glauben, dass am Samstag in Dortmund noch einmal so etwas wie Spannung in die Meisterschaftsfrage kommen könnte. Zu maschinenhaft gewinnen auch die Münchner ihre Duelle. Mal gibt es eine Halbzeit lang Hoffnung, dass Darmstadt in München eine Sensation schaffen könnte (Endstand 3:1), dann hält Wolfsburg mal eine Halbzeit lang die Null (Endstand 2:0). Am Ende aber räumen die Bayern dann doch alles aus dem Weg.

Sippels Entscheidung gegen Rudy war womöglich wegweisend

Zur Zeit gibt sich aber auch der BVB kaum eine echte Blöße. Gegen Hoffenheim, das unter dem Jung-Trainer Julian Nagelsmann, 28, frisch und auf keinen Fall wie ein Tabellenvorletzter spielte, dauerte es aber wieder einmal recht lange, bis die Punkte eingefahren waren. Erst spät hatten Tore des überragenden Henrikh Mkhitaryan, des eingewechselten Adrian Ramos sowie von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang die Hoffenheimer Führung durch Sebastian Rudy gedreht. Aber was das angeht: Die Bayern drehen Spiele seit Jahren spät zu ihren Gunsten. Allerdings: An diesem Abend sahen es die Dortmunder eindeutig als Qualitätsmerkmal an, dass sie den Sieg gegen einen erstaunlich starken Gegner erst am Ende und wild entschlossen erkämpft hatten.

Dass Schiedsrichter Peter Sippel ein taktisches Foul des Torschützen Rudy an Aubameyang nicht nur mit der vermeintlich obligaten gelben Karte, sondern mit einer glatt roten Karte bestraft hatte, begünstigte die Dramaturgie aus der Perspektive des BVB. Andererseits war Sippels Entscheidung womöglich wegweisend, denn die Unart, mit scheinbar harmlosen Fouls gefährliche Kontersituationen abzubrechen und dafür eine wenig erschreckende gelbe Karte zu kassieren, könnte mit härterer Strafandrohung à la Sippel grundsätzlich effektiver bekämpft werden. Rudy wurde am Montag für immerhin drei Spiele gesperrt.

Selbst im Meisterjahr hatt Dortmund zu diesem Zeitpunkt weniger Punkte

Rot für Rudy gab es in der 58. Minute, die Dortmunder benötigten allerdings bis zur 80. Minute, ehe sie nach einer Musterkombination durch Mkhitaryan ausgeglichen hatten. Im Finale sorgten sie dann dafür, dass BVB-Boss Hans-Joachim Watzke fast euphorisch Zwischenbilanz ziehen konnte: "Es ist unfassbar, wir haben jetzt 54 Punkte nach 23 Spielen, das ist doch Wahnsinn." Man wusste nicht recht, ob er damit den scheinbar festgemauerten zweiten Platz veredeln oder sich beklagen wollte, dass diese kolossale Punktausbeute des BVB nicht zu mehr als Platz zwei reicht. Tatsächlich hatte Dortmund selbst im Meisterjahr 2012, mit rekordverdächtigen 81 Punkten am Ende, am 23. Spieltag weniger Punkte als heute. Die unglaublichen Abstände zu den längst abgehängten Verfolgern - 15 Punkte auf den Dritten Hertha BSC und gar 18 Punkte auf Platz vier und fünf - machen den Schwebezustand des BVB erst richtig spürbar.

Wenn da nur die acht Punkte zu den Bayern nicht wären, die so uneinholbar erscheinen, weil selbst ein Sieg am Wochenende im ungleichen Gipfeltreffen kaum etwas bedeuten würde. Außer vielleicht einem kleinen Prestigegewinn.

Auf der Bank saßen immerhin zwei Weltmeister

Trotzdem freuen sie sich in Dortmund über die neue eigene Liga, irgendwo unterhalb der Bayern und gleichzeitig in luftiger Höhe über dem Rest der Liga schwebend. Da lässt sich der Luxus im Personaltableau souverän verwalten. Am Sonntagabend etwa konnte Trainer Thomas Tuchel auf seine erste Innenverteidigung (Mats Hummels und Sokratis) verzichten, ohne dass es allzu weh tat. Er konnte Techniker Ilkay Gündogan und auch Moritz Leitner einwechseln sowie den Torschützen Adrian Ramos - und auf der Bank blieben ihm immer noch die beiden Weltmeister Matthias Ginter und Erik Durm sowie ein Klassespieler wie Gonzalo Castro. Der BVB hat seinen Kader enorm verbreitert und sich auch in diesem Punkt den Bayern angenähert, wie wohl selten zuvor. Der Champions-League-Startplatz für die kommende Saison ist dem BVB noch sicherer als den Bayern der kommende Meistertitel. Und das alles direkt nach einem Trainerwechsel, vom vermeintlich unentbehrlichen Jürgen Klopp zum Offensiv-Freund Thomas Tuchel.

"Wir spielen einen romantischen Fußball - jeder liebt die Art, wie wir spielen," beschreibt Henrikh Mkhitaryan das neue BVB-Credo. Das Selbstbewusstsein von Borussia Dortmund war wohl nicht einmal in den Meisterjahren so groß wie jetzt. Schon interessant, wie glücklich man als Zweiter sein kann.

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