Dortmund besiegt Leverkusen 3:0:Siegergen ohne Heimat

Leverkusen kann die 1:2-Niederlage von Tabellenführer Bayern in Frankfurt nicht nutzen, verliert selbst 0:3 gegen Dortmund, weshalb der Sieger des Bundesliga-Samstags vorerst Schalke 04 heißt.

D. Prantl

Hatte es eine derartige Konstellation überhaupt schon einmal gegeben? Einen Spieltag, der dem Fußballfachvolk einen derart umfassenden Einblick in das wahre Leistungsvermögen der Meisterschaftsaspiranten erlaubt, weil sich der Dreikampf an der Spitze der Fußball-Bundesliga auf drei verschiedene Zeiten verteilt? Bayern am Samstagnachmittag in Frankfurt, Leverkusen dann am Abend in Dortmund und am Sonntag schließlich Schalke - herrje, welch ein Glücksgriff der Spielplaner. Da war sie also wieder, die Chance für Leverkusen, die Bayern als Tabellenführer abzulösen und zugleich Schalke unter Druck zu setzen. Sie nutzten sie nicht und müssen sich nach der 0:3-Niederlage stattdessen fragen lassen, wie zwei derart grundverschiedene Halbzeiten möglich sind.

Die Münchner hatten wenige Stunden zuvor ja nicht nur geschwächelt, sondern angesichts der kraftlosen Darbietung gegen Frankfurt die Hoffnung genährt, dass die bayerische Vorherrschaft vielleicht einmal länger als nur ein Jahr lang unterbrochen wird. Leverkusen dagegen legte - allerdings ohne die Belastung auf Europas Bühne und dem ständigen Druck, Druck, Druck, der auf den immer-weiter-Bayern lastet, - so los, wie sich das für eine Mannschaft mit Meisterschaftsambitionen gehört. Eine Halbzeit entstand gar der Eindruck, als hätte Trainer Jupp Heynckes bei seinem letzten Aufenthalt im Sommer heimlich ein paar der häufig genannten "Siegergene" von der Säbener Straße mitgehen lassen und seinen Spielern eingeimpft. Die übernahmen jedenfalls das Kommando auf Dortmunder Territorium und schoben sich die Kugel mit fast schon bajuwarischer Selbstsicherheit zu.

Weidenfellers langer Arm

Chancen entstanden dabei zwangsläufig. Nach zehn Minuten tauchte Stefan Kießling wegen eines misslungenen Abwehrversuchs von Neven Subotic vor Roman Weidenfeller auf und schoss diesen mehr an, als dass Weidenfeller parierte. Gelegenheit, sich auszuzeichnen, gab es noch genügend für den Dortmunder Torhüter. Bei Eren Derdiyoks Kopfball schien Weidenfellers Arm für einen Sekundenbruchteil auf das doppelte der üblichen Länge anzuwachsen (20.). Später glänzte er auch als mitspielender Torhüter, indem er schneller als Kießling am Ball war. Machtlos wäre er bei Derdiyoks Schuss nach feinem Spielzug über Renato Augusto und den effektiv inaktiven Kießling (ließ den Ball durch) kurz vor dem Seitenwechsel gewesen. Doch Derdiyok traf nur den Außenpfosten, weshalb das 0:0 spätestens jetzt schmeichelhaft für Dortmund im direkten und für Bayern im Fern-Duell war.

Doch das Leiden der Münchner und Dortmunder Fans hatte wenig später ein Ende, weil offenbar die Siegergen-Dosis nur bis zur Pause reichte. Den Schuss von Dortmunds Kevin Großkreutz lenkte René Adler noch am Tor vorbei, was zwar gut war für Adlers Selbstvertrauen, im Grunde jedoch unbedeutend. Denn die daraus resultierende Ecke von Tamas Hajnal lenkte Lucas Barrios zum 1:0 ins Tor (50.). Auf einmal war sie dahin, die Leverkusener Selbstsicherheit. Die Abwehr des Tabellendritten ließ urplötzlich Erinnerungen an Daniel van Buyten in Florenz-Form und Per Mertesacker in Europa-League-Verfassung wach werden.

Lucas Barrios genoss die neue Freiheit. Hatte er das 1:0 noch der Tatsache zu verdanken gehabt, dass er einfach nur dort stand, wo ein Torhüter stehen muss, demonstrierte er beim 2:0 seine technische Fertigkeiten. Mit dem Außenrist wuchtete er die Kugel am chancenlosen Adler vorbei ins Netz (60.). Wenig später hatte Dortmund Trainer Jürgen Klopp Mitleid mit den Leverkusenern und nahm Barrios vom Feld. Während das Spiel dem Ende entgegen plätscherte, Leverkusen kapitulierte und Dimitar Rangelow den 3:0-Endstand erzielte (87.), wedelten die Dortmunder Fans weiße Taschentücher.

Vielleicht wird ihnen schon bald auffallen, dass sie mit diesem Sieg ausgerechnet dem Erzfeind Schalke 04 einen großen Gefallen getan haben. Denn jenes Team, das außer einigen notorischen Schalker Optimisten eigentlich niemand so recht auf der Rechnung hatte, darf am Sonntag den Schlusspunkt im Dreikampf setzen und könnte bei einem Sieg gegen Hamburg die Tabellenführung erobern. Schließlich ist längst bekannt, dass Schalke-Trainer Felix Magath nicht nur das Sieger-Gen besitzt, sondern noch etwas viel selteneres: das Meister-Gen.

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