Doppelpack des neuen Stürmers:Australische Metamorphose

Mathew Leckie, in der vergangenen Saison noch der Chancentod der ersten Klasse, erzielt in seinem ersten Bundesliga-Spiel für Hertha BSC zwei Tore gegen den unbeugsamen Aufsteiger aus Stuttgart.

Von Javier Cáceres, Berlin

In letzter Zeit versucht sich Hertha BSC verstärkt an Selbstironie. "Die große Chance auf die Tabellenführung", war auf den Plakaten zu lesen, mit denen der Fußball-Bundesligist seine Partie gegen den Aufsteiger VfB Stuttgart bewarb, auch in jenen Berliner Bezirken, die längst so schwäbisch sind, dass es einfacher ist, Seelen zu kaufen als Schrippen. Es war also, wenn man so will, einigermaßen frech - und es fiel den Berlinern insofern auf die Füße, als das erste Saisonziel verfehlt ist. An der Spitze steht Hertha nicht. Andererseits konnten sich die Berliner über einen 2:0 (0:0)-Sieg freuen, dank des formidablen Einstands des australischen Zugangs Mathew Leckie, der gleich beide Tore (46./62.) für die Berliner besorgte. "Ich kann da nur den Hut ziehen", sagte Herthas Mittelfeldlenker Per Skjelbred.

Doppelpack des neuen Stürmers: Wenns läuft, dann läufts: Mathew Leckie trifft zum zweiten Mal an diesem Nachmittag im Berliner Olympiastadion - zwei Tore mehr als während der gesamten letzten Saison für Ingolstadt.

Wenns läuft, dann läufts: Mathew Leckie trifft zum zweiten Mal an diesem Nachmittag im Berliner Olympiastadion - zwei Tore mehr als während der gesamten letzten Saison für Ingolstadt.

(Foto: AFP)

Bemerkenswert war das vor allem deshalb, weil Leckie in der vergangenen Saison beim FC Ingolstadt nicht ein einziges Tor gelungen war. Dass Hertha dennoch angeblich drei Millionen Euro für den "Socceroo"-Stürmer ausgab, lag vor allem daran, dass er ein enormes Tempo an den Tag legt, wenn er zum Tor zieht.

Das Training mit Andreas Thom hat offenbar Wunder gewirkt

Das war bei seinem ersten Treffer derart gut zu begutachten, dass es fast den Anschein hatte, Leckie habe bloß darauf gewartet, seinem neuen Publikum im Olympiastadion eine Musterprobe seines Talents zu geben. Mannschaftskapitän Vedad Ibisevic verlängerte einen Einwurf direkt auf den antrittsschnellen Australier (3,78 Sekunden auf 30 Metern), der dann auf der rechten Flanke seinem brasilianischen Gegenspieler Aílton entwischte, ihn im Strafraum mit einem Haken aussteigen ließ - und dann mit links den langen Pfosten anvisierte. Stuttgarts neuer Torwart Ron-Robert Zieler war ohne Abwehrchance. Leckies zweiter Treffer entsprang einer Ecke, die Marvin Plattenhardt in den Strafraum getreten hatte. Nach einem Luftkampf ohne klaren Sieger am Fünfmeterraum tropfte der Ball vor die Füße Leckies, der aus kurzer Distanz direkt verwandelte.

Doppelpack des neuen Stürmers: Abseits des Platzes zeigen Ultras der Hertha, dass sie nichts von den vorgebrachten Vorschlägen des DFB halten.

Abseits des Platzes zeigen Ultras der Hertha, dass sie nichts von den vorgebrachten Vorschlägen des DFB halten.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

"Das Zauberwort heißt Andreas Thom, ihn musst Du fragen", witzelte Herthas Trainer Pal Dardai, als er konsultiert wurde, wie die Metamorphose des in Melbourne geborenen Profis zu erklären sei. Thom, muss man dazu wissen, war in den Jahren rund um den Berliner Mauerfall (1989) einer der besten deutschen Offensivkräfte, zunächst beim BFC Dynamo, zum Ende seiner Karriere auch bei Hertha BSC. Dort ist er immer noch tätig - als Stürmercoach. Was auch immer Thom Leckie mit auf den Weg gegeben hat - es hat funktioniert. Er freue sich für Leckie, sagte Dardai, der sich so glänzend in die neue Umgebung eingefügt habe, dass man meine, er sei schon immer da gewesen. "Vielleicht ist die Blockade weg, das spräche für die Stadt und die Fans", sagte Dardai mit Blick auf die Tordürre, die Leckie nun erst einmal überwunden hat. "Es war eine besondere Woche mit einer verrückten Erfahrung", sagte Leckie, der acht Tage vor seinem Bundesliga-Debüt für die Hertha Vater einer Tochter geworden war.

Nach der Führung gerät Hertha in Bedrängnis

Rundum zufrieden war Dardai trotz des Auftaktsiegs gegen die sehr junge Stuttgarter Mannschaft allerdings nicht. Dabei störte ihn der Umstand, dass die erste Halbzeit ereignisarm verlaufen war, weit weniger als die Tatsache, dass ihm sein Team ein Rätsel aufgab, weil es sich nach den eigenen Toren in Bedrängnis bringen ließ. "Die 1:0-Führung hat uns verunsichert, die 2:0-Führung hat uns sogar total verunsichert", klagte Dardai. "Das finde ich nicht in Ordnung, das müssen wir besser machen. Da müssen die Führungsspieler ihre Rolle einnehmen", fügte der Ungar hinzu.

In der Tat hatten die Stuttgarter nach dem Rückstand ihre besten Szenen. Herthas norwegischer Torwart Rune Jarstein musste in der 53. Minute gegen Stuttgarts Mittelstürmer Terodde aus kurzer Distanz retten; der auffällige Debütant Chadrac Akolo (ebenfalls 53.) und Josip Brekalo (57.) hatten ebenfalls gute Gelegenheiten. Und nach dem zweiten Gegentor traf erst der Japaner Takuma Asano nur den Pfosten; der eingewechselte Anastasios Donis, genannt A. Donis, hatte ebenfalls den Anschlusstreffer auf dem Fuß. "Wenn sie da das 1:2 machen - dann Halleluja", sagte Dardai, während Stuttgarts Trainer Hannes Wolf zu Recht sagen konnte, seine Mannschaft habe eine gute Reaktion gezeigt. "Aber wir haben das Spiel verloren, darum geht es am Ende", sagte Wolf.

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