Dopingvorwürfe im Tennis:Tiefe Kratzer im weißen Image

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Viele Siege, viele Muskeln: Manch einer zweifelt inzwischen dran, ob bei Rafael Nadal und anderen alles mit rechten Dingen zugeht. (Foto: AFP)

Gibt es Doping im Tennis, dem ewigen Gentleman-Sport? Ein ehemaliger Profi berichtet von Gerüchten, Rafael Nadals Verletzungspausen seien verkappte Dopingsperren. Für Experte Fritz Sörgel ist der Sport inzwischen höchst verdächtig. Zur Anzahl der durchgeführten Dopingproben sagt er: "Das ist ja gar nichts."

Von Lisa Sonnabend

Der Sportart Tennis hängt ein Spitzname nach: der weiße Sport. Er vermittelt ein Bild von Sauberkeit, von Gentleman-Sport, vom englischen Geist, dass Athleten hart um den Sieg kämpfen, dem Gegner aber fair und regelkonform begegnen. Abgesehen davon, dass nur noch im ehrwürdigen Wimbledon weiße Kleidung beim Tennissport Pflicht ist, bekommt das Image aber zunehmend viele Kratzer. Der Grund: Doping.

Marin Cilic, Weltranglisten-24. aus Kroatien, ist vergangene Woche für neun Monate gesperrt worden, nachdem er im April positiv getestet worden war. Der Serbe Viktor Troicki darf wegen einer verweigerten Blutprobe 18 Monate lang nicht spielen. Nun sorgen die Äußerungen des ehemaligen Profis Daniel Köllerer für Aufsehen.

"Im Tennis wird manipuliert und gedopt", sagte der Österreicher am Mittwoch in der Sportwoche und greift Top-Spieler Rafael Nadal direkt an: "Dass der nichts nimmt, glaubt doch keiner", wettert Köllerer. "Der ist sieben Monate nicht dabei, kommt im Februar zurück und gewinnt dann zehn von zwölf gespielten Turnieren. Das ist unmöglich! Unmöglich!" Zudem kursieren laut Köllerer in der Tennis-Szene zahlreiche Gerüchte, dass Nadals Dopingpraktiken längst von höchster Stelle vertuscht würden, dass seine "Verletzungspausen in Wahrheit verkappte Doping-Sperren sind".

Ähnlich äußerte sich schon vor einiger Zeit der belgische Ex-Top-50-Spieler Christophe Rochus. Köllerer ist nicht der allerglaubwürdigste Zeuge - wegen Spielmanipulation ist er lebenslänglich gesperrt - und Nadal hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Der spanische Verband RFET schweigt ebenfalls, verteidigt seine Spieler aber stets vehement gegen Dopingvorwürfe. Nachdem in einer französischen Satire-Sendung Nadal indirekt mit Doping in Verbindung gebracht wurde, drohte der RFET mit Klagen.

Köllerers Aussagen treffen dennoch einen wunden Punkt. Fritz Sörgel, Nürnberger Anti-Doping-Experte, sagt. "Ähnlich wie im Fußball heißt es im Tennis oft, Doping bringt doch gar nichts. Doch das stimmt nicht."

In jüngster Zeit gab es einige kraftraubende Fünf-Satz-Matches, bei denen die Spieler auch nach fünf Stunden auf den Ball eindroschen, als kämen sie gerade erst aus der Umkleide. Wie beim Finale der Australian Open 2012 zwischen Nadal und Novak Djokovic, das der Serbe nach fünf Stunden und 53 Minuten gewann. Es war das längste Grand-Slam-Finale der Geschichte - und bis zum Schluss eines der hochklassigsten.

Sörgel glaubt, es könnten nicht nur Mittel zur Steigerung von Kraft und Ausdauer eingesetzt werden, sondern auch solche, die die kognitiven Fähigkeiten der Spieler verbessern. Mittel, um in entscheidenden Moment konzentriert zu bleiben oder um den toten Punkt zu überwinden.

Dass der Tennissport sauber ist, daran glaubt Sörgel schon lange nicht mehr. Es gibt einige Spieler, denen er Doping zutrauen würde. Obwohl er natürlich keine Beweise hat. Neben Nadals Ausdauer und der schnellen Regeneration nach seiner Verletzung findet er die Statur einiger körperlich starker Frauen verdächtig: Wenn er sich die Bilder anschaue, sagt Sörgel, "den Körperbau, die Muskelpartien, dann frage ich mich: Kommt das alles natürlich zustande, ohne dass nachgeholfen wird? Oder sind Anabolika im Spiel?"

Richard Pound, langjähriger Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), äußerte sich kürzlich in der britischen Zeitung Evening Standard skeptisch über den weißen Sport: "Wenn die Tennis-Verbände noch immer glauben, dass Epo und HGH (Human Growth Hormone, erhöht die Regenerationsfähigkeit, Anm. d. Red.) nicht verwendet werden, haben sie nicht aufgepasst."

In der Geschichte des Tennis hat es schon einige Dopingfälle gegeben, wenn auch nie einer der ganz bekannten Spieler erwischt wurde. Der ehemalige Australian-Open-Sieger Petr Korda wurde vor 15 Jahren positiv auf Nandrolon getestet, der ehemalige French-Open-Finalist Mariano Puerta vor zehn Jahren auf Clenbuterol und Etilefrin. Der Kroate Cilic, bei dem im April beim ATP-Turnier in München in einer Probe das Psychostimulans Nikethamid festgestellt wurde, will nun vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas ziehen. Seine Version der Geschichte: Er habe das Mittel unwissentlich über Tabletten aus der Apotheke eingenommen.

Andre Agassi gab 2009 in seiner Autobiographie zu, Ende der Neunziger die Aufputsch-Droge Crystal Meth genommen zu haben. Aufgeflogen ist er nie, der US-Amerikaner behauptet vielmehr, die Spielervereinigung ATP habe einen positiven Test geheim gehalten.

Kontrolliert wird im Tennis seit den späten achtziger Jahren. Zuständig für den Anti-Doping-Kampf ist die International Tennis Federation (ITF). Der Verband gibt an, im vergangenen Jahr 1998 Urintests sowie 187 Bluttests durchgeführt zu haben. Sörgels Kommentar dazu: "Das ist ja gar nichts." Im Radsport wird um ein Vielfaches häufiger kontrolliert. So können alle positiven Proben von Tennisspielern lediglich Zufallstreffer sein, urteilt Sörgel. Für eine ernsthafte Dopingbekämpfung seien mindestens dreimal so viele Proben nötig.

Immerhin plant die ITF, noch in diesem Jahr einen Blutpass für die Spieler einzuführen, den es auch im Radsport und in der Leichtathletik gibt, den der Deutsche Fußballbund aber ablehnt. "Da könnte Überraschendes rauskommen", prophezeit Sörgel. Für den Pass wird Sportlern regelmäßig Blut abgenommen und so für jeden Athlet ein individuelles Blutbild erstellt. Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten sind so schnell auszumachen. Allerdings ist dafür viel Geld und viel Personal nötig. Ob die ITF das Projekt Blutpass ernsthaft durchzieht oder es nur eine Alibi-Maßnahme ist, ist noch nicht abzusehen.

Sörgel ist sicher: Damit endlich schärfere und umfassendere Kontrollen eingeführt werden, müsste erst einmal einer der ganz Großen erwischt werden. Nadal oder Serena Williams zum Beispiel. "Dann würde sich der Tennissport nahtlos einreihen in die Sportarten, die behaupten, sauber zu sein, obwohl sie natürlich alles andere als das sind."

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