Dopingverdacht:Widerwillige Speichelprobe

Die Indizienkette der Dopingfahnder zieht sich zu: Jan Ullrich hat bereits Mitte September eine DNA-Probe abgeben müssen.

Andreas Burkert

Drei Stunden hat Ivan Basso am Donnerstag mit Bjarne Riis auf dessen Weingut in der Toskana diskutiert, der Sieger des Giro d'Italia erörterte mit seinem Teamchef beim CSC-Rennstall die sportliche Zukunft. Basso hatte am Vormittag erfreut von seinem Nationalen Olympischen Komitee vernommen, er habe in Italien keine Anklage wegen seiner mutmaßlichen Verstrickung in den spanischen Dopingskandal um den Arzt Eufemiano Fuentes zu erwarten.

Jan Ullrich

In Erklärungsnöten: Jan Ullrich

(Foto: Foto: ddp)

Basso wäre deshalb gerne am Samstag in der Lombardei gestartet, doch offenbar will ihm Riis dies nicht erlauben wegen des prompten Einspruchs des Weltverbandes UCI beim Sportgerichtshof Cas in Lausanne.

Riis befände sich damit auf einer Linie mit anderen Teamchefs wie Hans-Michael Holczer von Gerolsteiner, der gelassen auf die Nachrichten aus Italien reagierte: "Es kommt nicht unerwartet, dass zumindest Italiener nicht freudig daran gehen, Landsleute zu überführen", sagte der Schwabe. "So lange Basso in Lausanne nicht letztinstanzlich freigesprochen wurde, gilt unser Code", betonte er mit Verweis auf die Abmachung der Profiteams, verdächtigte Fahrer nicht einzusetzen.

Probe nach den Flitterwochen

Für einen Moment mag Jan Ullrich die Nachrichten über Basso ermutigt haben in seiner Sache, doch pünktlich am Freitag, dem 13., sind einige für ihn unangenehme Meldungen bekannt geworden.

So ließ die für den in der Schweiz lebenden Radprofi aus Rostock zuständige Organisation Swiss Cycling wissen, man habe die seit langem angeforderten Unterlagen beglaubigt von der spanischen Polizei erhalten, das vollständige Dossier liege jetzt der Fachkommission für Dopingbekämpfung des eidgenössischen NOKs vor; sie wird entscheiden, ob und wann Ullrich angeklagt wird.

Neuigkeiten gibt es auch zu den in Deutschland anhängigen Verfahren zu Ullrich, gegen den im Zusammenhang mit den Dopingvorwürfen wegen Betrugsverdachts gegen seinen früheren Arbeitgeber T-Mobile ermittelt wird. Nach SZ-Informationen liegt den Behörden inzwischen sehr wohl eine DNA-Probe von Ullrich vor; ihre Existenz war zwischenzeitlich bestritten worden, da Ullrich bei der Polizeirazzia in seiner Villa Mitte September nicht anwesend war.

Widerwillige Speichelprobe

Der 32-Jährige musste jedoch nach seiner vorzeitigen Rückkehr aus den Flitterwochen bei der Schweizer Polizei eine richterlich angeordnete Speichelprobe abgeben.

Ullrich hatte einen DNA-Test bislang abgelehnt und dafür sogar seine Suspendierung von der Tour de France in Kauf genommen; mit dem genetischen Fingerabdruck ließe sich nun ein Abgleich mit den bei Fuentes sichergestellten Blutkonserven herstellen, die laut Guardia Civil Ullrich zuzuordnen sind. Überhaupt warten die spanischen Behörden offensichtlich nur auf einen Anruf der Kollegen aus Deutschland; dies geht aus einem der deutschen Justiz vorliegenden Protokoll eines Expertentreffens Ende September in der Madrider Direktion der Guardia Civil hervor.

Zu dem Treffen und den Gesprächsinhalten sind mehrere Eidesstattliche Versicherungen vorhanden, die der SZ vorliegen. Die ermittelnden Personen seien "jederzeit bereit, ausführlich" über "viele Beispiele von Doping-Handlungen des Herrn Ullrich" zu berichten.

Dass der Informationswert eines Austauschs enorm wäre, geht aus dem Gesprächsprotokoll hervor. Demnach sind die Behörden offenbar in der Lage, Ullrichs Aufenthalte in Madrid zu dokumentieren; er soll mehrmals in Hotels logiert haben, sein bevorzugtes Domizil hieß wohl "Pio XII." Die namhaften und mehrmals von den Ermittlern fotografierten Fuentes-Kunden mussten an der Rezeption nicht einmal ihre Identität preisgeben, denn das System funktionierte mit so genannten Bancotel-Gutscheinen.

Ullrich hat bislang seine Unschuld beteuert und betont, er kenne Fuentes gar nicht. Dagegen spricht nicht nur die mutmaßlich vom spanischen Doktor notierte Startliste seiner Klienten beim Giro, sondern auch die jetzige Einlassung der Ermittler.

Die Liaison besteht demnach schon seit 2003, damals war Ullrich von seiner ersten Dopingsperre zurückgekehrt. Solch eine Treue verbindet: Während der Madrider Razzia "Operacion Puerto" soll bei Fuentes sogar ein Foto von Ullrich mit persönlicher Widmung gefunden worden sein.

Widerwillige Speichelprobe

Des weiteren sollen Fuentes-Helfer von der Polizei dabei beobachtet worden sein, wie sie in dem Madrider Hotel zwei Blutbeutel mit der Aufschrift "Jan" in einen Mülleimer warfen; diese in eine Plastiktüte gewickelten Konserven habe man sichergestellt.

Filiale in Frankfurt

Auch den schon veröffentlichten Kostenrahmen bestätigten die Ermittler: Ullrich soll in den letzten Jahren außer einer Basiszahlung von pro Jahr 60 000 Euro in der Regel noch zweimal je 30 000 Euro gezahlt haben, womit ein Jahresbetrag von 120 000 Euro zusammenkäme.

Das Geld sei nicht überwiesen, sondern über Mittelsmänner persönlich übergeben worden. Wie umfassend die Spanier inzwischen über Ullrich Bescheid wissen müssen, belegt ein Detail: Sie sind auf vier Telefonnummern gestoßen, die Ullrich benutzte - darunter nur ein Festanschluss.

Jan Ullrich, auch das geht aus dem Madrider Protokoll hervor, ist freilich nur eine Person in einem großen Betrugsspiel gewesen, dem ungeachtet der italienischen Ignoranz auch Basso angehört haben soll. So haben die Ermittler neben dem Zentrum Madrid auch eine Filiale des Dopingnetzwerkes in Norditalien ausgemacht, offenbar handelt es sich um Treviso, eine weitere in Orléans in Frankreich - und eine in Frankfurt.

Im Rahmen ihrer Recherchen sind die spanischen Fahnder mehrmals auf den Namen jenes deutschen Chefarztes gestoßen, dessen Haus Mitte August Fahnder des Bundeskriminalamtes mit Staatsanwälten aus Göttingen durchsuchten.

Der inzwischen beurlaubte Anästhesist der Helios-Klinik im nordthüringischen Bleicherode soll laut Guardia Civil die hessische Dependance des internationalen Netzwerkes betrieben haben: Er hielt Kontakt zu Fuentes, organisierte Medikamente und betreute in einem Frankfurter Hotel regelmäßig eine Gruppe Radprofis - vermutlich mit Hilfe seiner Frau, die eine Apotheke in Braunlage betreibt. Ob auch Ullrich für Verabreichungen und Blutabnahmen in Frankfurt gewesen ist, ist noch unklar.

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