Doping-Vorwürfe gegen Jens Voigt:"Du musst von Blinden umgeben sein"

Stets hat Jens Voigt betont, er habe nie gedopt und auch in seinen Teams keine verbotenen Praktiken mitbekommen. Nun behaupten die Kronzeugen Tyler Hamilton und Jörg Jaksche das Gegenteil: Auch Voigt, der beständigste deutsche Fahrer der vergangenen Jahre, soll betrogen haben.

Andreas Burkert

Deutschland Tour 2007 - Stage 5

Schwer beschuldigt: Radprofi Jens Voigt (Archivbild von 2007).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Zuletzt hat Jens Voigt an diversen Stellen das Podium genutzt, um, teils recht widerspruchslos, verwegen anmutende Thesen über den Radsport zu verbreiten. "Wir reden über alte Geschichten", hatte der Berliner etwa zur Enttarnung des Dopingsystems von Lance Armstrong geäußert - Doping gehöre der Vergangenheit an. Zugleich versicherte Voigt, 41, in seiner Karriere nie gedopt und in seinen Teams nie etwas vom weit verbreiteten Betrug mitbekommen zu haben. Heftigen Widerspruch hierzu erfährt Voigt nun von zwei früheren Kollegen, die nach ihren Dopinggeständnissen als Kronzeugen der Aufklärung dienen: Tyler Hamilton, dessen Aussagen Armstrongs Sturz mit auslösten, und der frühere deutsche Profi Jörg Jaksche glauben Voigt nicht und gehen davon aus, dass er vom Doping in seinen Teams wusste und selbst betrogen haben müsse.

"Du musst von Blinden umgeben sein, wenn du in deiner 15-jährigen Karriere nie etwas gehört oder gesehen haben willst", sagte Hamilton der dänischen Zeitung B.T.; Voigt rede viel, "und er kennt jeden im Feld, und da wurde über Doping geredet". Er glaube "absolut", dass Voigt selbst gedopt habe. "Aber ich habe keine spezielle Kenntnis davon", erklärte der Amerikaner, der 2002 und 2003 fürs CSC-Team um den umstrittenen Chef Bjarne Riis fuhr.

Voigt radelte für Riis von 2004 bis 2010, seit 2011 ist er beim Rennstall RadioShack unter Vertrag, bei dem Armstrong Anfang 2011 seine Karriere beendete, und den bis zur kürzlichen Entlassung Armstrongs Teamchef und mutmaßlicher Doping-Helfer Johan Bruyneel leitete. "Zufälligerweise war Voigt immer bei den Teams mit den zweifelhaftesten sportlichen Leitern", sagte Jörg Jaksche der SZ. Der Franke war 2004 Voigts Kollege bei CSC. Dass auch unter Riis organisiert gedopt wurde, gilt seit Jahren als wahrscheinlich. Hamilton wiederholte dazu nun, Riis habe ihn "ans Doping herangeführt. Er hat mir den Namen und die Telefonnummer von Eufemiano Fuentes gegeben. So konnte ich ihn 2002 anrufen, nachdem ich bei CSC unterschrieb". Der Dopingarzt stand 2006 im Zentrum des Operación-Puerto-Skandals.

"Wer bei CSC nicht mitbekommen hat, dass andere Fahrer - inklusive mir - gedopt haben, dem kann ich nicht glauben", erklärte Jaksche am Montag. "Voigt hatte außerdem seine erfolgreichste Zeit, als Epo noch nicht nachweisbar war, insofern sind seine Aussagen mehr als fragwürdig. Und diejenigen, die nach Dopingskandalen immer sagen, das sei doch Vergangenheit, veräppeln die Leute eh am meisten."

Voigts Freunde und CSC-Kapitäne Ivan Basso (jetzt Team Liquigas) und Frank Schleck (RadioShack) wurden jeweils als Fuentes-Kunden und Doper überführt. Bereits 2008 hatten Ermittler der SZ bestätigt, dass laut Zeugen Voigts langjähriger Teamchef Riis seine besten Fahrer schon 2005 zu Fuentes nach Madrid gefahren habe. Der Däne, der 2007 Doping für seinen Toursieg 1996 einräumen musste, wies das zurück; er kenne Fuentes gar nicht, hieß es noch zuletzt. Jens Voigt fuhr 15 Mal die Tour de France, siebenmal für Riis. Der Veteran, groß geworden im DDR-Sport und seit 1997 Profi, nahm vorigen Monat an der Gala von Armstrongs Stiftung in Austin teil. Er begründete dies mit dem wohltätigen Zweck.

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