Bericht zu Doping im Radsport:Wie der Weltverband Lance Armstrong schützte

Doping-Skandale im Radsport -  Armstrong

Der CIRC-Bericht beschäftigt sich mit Lance Armstrong

(Foto: dpa)
  • Die "Cycling Independent Reform Commission" (CIRC) hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Demnach protegierte der Radsport-Weltverband UCI den Radrennfahrer Lance Armstrong über Jahre hinweg.
  • Der Bericht deckt Ungereimtheiten auf, kann aber viele Fragen nicht abschließend beantworten - etwa ob es einen Zusammenhang mit Zahlungen von Armstrong an den UCI gibt.

Von Lisa Sonnabend

Die Erkenntnisse sind klar und schonungslos formuliert. Der Radsport-Weltverband UCI "verteidigte oder schützte Lance Armstrong und traf Entscheidungen, weil sie für diesen vorteilhaft waren", heißt es im 227-seitigen Abschlussbericht der "Cycling Independent Reform Commission" (CIRC). Der Verband hat sie vor gut einem Jahr eingesetzt, um die Doping-Vergangenheit der Sportart zu untersuchen.

In seinem Abschlussbericht zeigt das Gremium, wie der überführte Dopingsünder Armstrong vom Verband behandelt wurde. "Die UCI befreite Lance Armstrong von Regeln", heißt es an einer Stelle. "Sie verpasste es, ihn trotz Verdächtigungen gezielt zu testen und unterstützte ihn öffentlich gegen Dopinganschuldigungen." Der Bericht bezeichnet das Verhalten der UCI-Führung als "unklug". Es gab drastische Versäumnisse.

Viele andere Fragen werden in dem Report jedoch nicht oder nur unzufriedenstellend beantwortet. Die Vorwürfe, dass die UCI positive Dopingproben aktiv vertuschte und dafür Geld von Armstrong erhalten haben könnte, kann die Untersuchungskommission nicht bestätigen. Sie findet allerdings auch keine schlüssigen Gegenbeweise. "CIRC hat keine Belege für Korruption gefunden", heißt es auf Seite 166. Dazu schickt sie giftige Grüße an die Radrennfahrer Tyler Hamilton und Floyd Landis, die diese Vorwürfe vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur geäußert hatten: Es sei unglücklich, derart ernste Anschuldigungen in der Öffentlichkeit zu tätigen.

Nach der Lektüre stellt sich die Frage: Wie tief bohrte die Kommission wirklich? Der CIRC gehören neben Dick Marty, einem ehemaligen Schweizer Staatsanwalt, der deutsche Jurist Ulrich Haas und Peter Nicholson an. Letzterer war Militärangestellter und hat Erfahrung mit Kriminalfällen. In den vergangenen 14 Monaten befragten sie 174 Zeugen: Radprofis, Mediziner, Journalisten, Mitarbeiter von Anti-Doping-Organisationen, Veranstalter. Manche Anhörungen zogen sich über mehrere Tage hin.

Das Ziel lautete: die Doping-Vergangenheit im Radsport zwischen 1998 und 2013 aufzuklären. Der Weltverband rühmte sich - anders als Organisationen wie die Fifa - auf größtmögliche Transparenz zu setzen. Deswegen ist der Abschlussbericht nun im Internet einsehbar. Doch um einen Enthüllungsbericht handelt es sich nicht.

Armstrong wurde benötigt für die Renaissance

Das Papier fasst Erkenntnisse zusammen, die weitgehend bekannt waren. Dennoch sind die Fälle durchaus schockierend, es werden Ungereimtheiten deutlich und es öffnen sich interessante Einblicke. Zum Beispiel, wie sehr der Sport von kommerziellen Interessen abhängt und zu welch drastischen Schritten er bereit ist, um die Popularität nicht zu gefährden. "Die UCI sah in Armstrong die perfekte Wahl, um der Sportart nach dem Festina-Skandal zu einer Renaissance zu verhelfen", heißt es beispielsweise. "Die Tatsache, dass er Amerikaner war, öffnete dem Sport die Tür zu einem neuen Kontinent, er hatte den Krebs besiegt und die Medien machten ihn rasch zu einem globalen Star." Die Folge: Der Verband protegierte ihn - im eigenen Interesse.

Bislang nicht bekannt waren die Vorgänge um Armstrongs Comeback 2009. Obwohl der Amerikaner nicht wie vorgeschrieben sechs Monate dem Testpool für Dopingkontrollen angehörte, durfte er bei der Australien-Tour starten. Dafür willigte Armstrong ein, bei der Irland-Tour zu fahren. Eine zweitklassige Veranstaltung, die aber ein Verwandter von dem damaligen UCI-Präsident Pat McQuaid organisierte.

Wie weit der Weltverband ging, um den berühmten Fahrer zu schützen, kann der Bericht nicht abschließend klären. Fest steht: Es hat Zahlungen von Armstrong an die UCI gegeben. Doch ein Zusammenhang der Summen mit der Sonderbehandlung des Amerikaners bleibt nicht nachweisbar. Die damaligen UCI-Präsidenten Pat McQuaid und Hein Verbruggen rücken in dem Bericht in die Kritik, sie dürften aber letztendlich erleichtert sein.

In dem Bericht finden sich zudem wenige Erkenntnisse, die in die Gegenwart reichen. Es heißt: "Der Kampf gegen Doping ist noch lange nicht gewonnen." Viele Ärzte von damals seien noch beschäftigt, zudem gebe es Mittel, die nicht nachweisbar seien. Die Kommission geht aber heutzutage nicht mehr von einem systematischen Missbrauch aus. Warum sie zu dieser Erkenntnis kommt, wird nicht näher dargelegt. Dem jetzigen UCI-Präsidenten Brian Cookson dürfte dies egal sein, er wird sich sicherlich über die Schlussfolgerung freuen.

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