Doping-Sperre für Montgomery:Eine gerechte, traurige Geschichte

Das Sportgericht Cas löscht die Ergebnisse des früheren 100-Meter-Weltrekordlers seit 2001 und schließt ihn für zwei Jahre aus. Einen anderen Ausgang der Affäre hätte der Sünder selbst in der Hand gehabt.

Thomas Hahn

Tim Montgomery, der frühere 100-Meter-Weltrekordler, hätte diese ganze Geschichte viel früher beenden können, und vielleicht wäre er dann sogar ein moralischer Sieger geworden. Mit einem öffentlichen Geständnis nämlich. Aber jetzt?

Montgomery, AP

Zeigte kein Unrechtsbewusstsein: Der ehemalige 100-Meter-Weltrekordler Tim Montgomery.

(Foto: Foto: AP)

Gestern hat der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne das Urteil gesprochen zu seinem Einspruch gegen die Anklage der amerikanischen Antidoping-Agentur USADA, die im Rahmen der Affäre um den kalifornischen Nahrungsergänzungs-Hersteller Balco eine lebenslange Sperre wegen Dopings für ihn vorsah.

Eineinhalb Jahre nachdem die USADA Montgomery offiziell der unlauteren Leistungssteigerung beschuldigt hatte, korrigierten die Cas-Richter den USADA-Spruch auf eine Sperre von zwei Jahren vom 6. Juni 2005 an und löschte alle Resultate von Montgomery seit 31. März 2001.

Entzauberter Held

Montgomery bleibt zurück als entzauberter Held einer künstlich beschleunigten Sprintergeneration, hat fast seine gesamte Karriere verloren und dabei nicht einmal ein bisschen Würde bewahren können. Es ist eine gerechte, traurige Geschichte.

Anderen Balco-Kunden ist es besser gelungen, sich vom Fluch des Skandals zu befreien. Vor allem Kelli White, die bei der WM 2003 erst zweimal Gold über 100 und 200 Meter gewann, dann mit dem Psychostimulans Modafinil auffiel, Ausflüchte vortrug und schließlich unter der Last der bundesbehördlichen Ermittlungen zum Fall Balco zusammenbrach.

Sie gestand, von Balco-Chef Victor Conte einen wirksamen Dopingcocktail bekommen zu haben, unter anderem das Designer-Steroid THG, und minderte so ihr Strafmaß. Jetzt dient sie der Antidoping-Familie als geläuterte Sünderin.

White und Chambers gestanden

Und zuletzt legte der britische 100-Meter-Europameister Dwain Chambers ein öffentliches Geständnis ab, der nach der WM 2003 wegen einer positiven Probe auf THG zu einer zweijährigen Sperre verurteilt wurde.

"Ich habe THG genommen", hat Chambers der BBC gesagt, "ich habe angefangen, es zu nehmen, als ich Anfang 2002 nach Amerika ging. Ich war jung. Ich dachte nicht über das Leben nach, über die möglichen Hochs und Tiefs. Wenn ich zurückschaue, sage ich mir einfach: 'Mann. Ich bin blind in die Sache reingegangen. Ich bin enttäuscht, dass ich keine Fragen gestellt habe.'"

Chambers sagt damit nicht einmal die volle Wahrheit. Schließlich wurde er in der Trainingsgruppe des früheren Kelli-White-Trainers Remi Korchemny viel umfassender mit Balco-Chemie versorgt, wie Conte schon vor Monaten im US-Fernsehen erklärte ("Ich gab Chambers die volle Enchilada").

Eine gerechte, traurige Geschichte

Aber immerhin zeigt Chambers ein gewisses Unrechtsbewusstsein und lässt sich von seiner öffentlichen Reue auch nicht dadurch abhalten, dass er damit seine Medaillen von der EM 2002 verlieren dürfte (was der deutschen 4x100-Meter-Staffel zugute kommen würde, die damals Vierter hinter Sieger Großbritannien war).

Montgomery uneinsichtig

Montgomery hat in diese Richtung wenig unternommen, im Gegenteil. Die USADA speiste ihre Anklage aus den bundesbehördlichen Akten zum Fall Balco, Montgomery konterte mit dem Einwand, es gäbe keinen positiven Dopingtest und rief den Cas an.

Danach tauchte er ab und zu bei Wettkämpfen auf, klagte über den psychischen Stress in seiner Lage und brachte wenig zustande. 10,14 Sekunden war seine schnellste Zeit 2005, gerannt im April als Vierter im Rennen von Fort-de-France.

Ansonsten war von ihm nichts zu sehen, und so stand seine Athletenbiographie ziemlich ungeschützt neben den Fakten, die US-Zeitungen in der Balco-Affäre über ihn zusammengetragen hatten. Bei den Vernehmungen im Rahmen der Balco-Ermittlungen soll Montgomery demnach gestanden haben, dass er von Conte Dopingmittel erhielt.

Dazu kam heraus, dass Montgomery der willfährige Mandant eines ganzen Zirkels von zweifelhaften Leistungsingenieuren war, die unter dem Titel "Projekt Weltrekord" einen Plan entwickelten, aus dem ordentlichen Sprinter Montgomery den schnellsten Mann der Welt zu machen. Was dann ja auch gelang: Im September 2002 trug ihn seine künstliche Kraft in Paris zu einer Zeit von 9,78 Sekunden, die erst in diesem Sommer Jamaikas Asafa Powell unterbot.

Öffentliches Bekenntnis kaum möglich

Lange brüteten die Cas-Richter über dem Fall, weil das Studium der Akten so viel Zeit brauchte. Conte erhielt eine milde Gefängnisstrafe, während Montgomery irgendwo außerhalb des öffentlichen Blickfelds seine Existenz als inoffiziell überführter Sportprofi fristete, der sich wahrscheinlich auch gar nicht öffentlich zu seiner Dopingpraxis bekennen konnte. Schließlich ist er der Lebensgefährte von Marion Jones, der ungleich prominenteren und charismatischeren Dreifach-Olympiasiegerin von 2000.

Ihr Name findet sich ebenfalls in den Balco-Unterlagen, aber mit PR-Kampagnen und guten Anwälten hat sie bisher jede der teilweise heftigen Beschuldigungen abgewehrt. Da hätte es nicht gut ausgesehen, wenn Montgomery aus ihrem Schatten getreten wäre, um die Offenheit zu zeigen, die Marion Jones, Mutter seines kleinen Sohnes, verweigerte. Also wartete Montgomery und leugnete, um von dem Recht abzulenken, das schließlich die Cas-Richter sprachen.

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