Doping-Skandal:"Hau' die Nadel rein"

Der Kapitän der italienischen Nationalmannschaft hat vor dem Spiel Aufbaumittel genommen - und sich dabei auch noch selbst gefilmt. Viele Fußballfans sind erschüttert, aber eine Strafe muss Fabio Cannavaro trotzdem nicht fürchten.

Birgit Schönau

Wenn es um eine gute Sache geht, kann man sich auf Fabio Cannavaro verlassen. Zum Beispiel, als vor ein paar Jahren in Italien die Helmpflicht für Mofafahrer eingeführt wurde.

Doping-Skandal: Ein guter Verteidiger und ein netter Kerl - der vor dem Spiel am Tropf hängt.

Ein guter Verteidiger und ein netter Kerl - der vor dem Spiel am Tropf hängt.

(Foto: Foto: dpa)

Da setzte sich der Neapolitaner Cannavaro flugs einen Helm auf und erklärte: "Ich bin auch oft oben ohne auf der Vespa gefahren... Aber jetzt ist Schluss damit, Leute. Jetzt respektieren wir das Gesetz."

Durchweg sonnig

Cannavaro, 31, hat immer auf höchstem Niveau gespielt, beim SSC Neapel, beim AC Parma, bei Inter Mailand, seit dem letzten Sommer bei Juventus Turin. Er ist Kapitän der italienischen Nationalelf.

Ein hervorragender Abwehrspieler, nicht so elegant wie sein Vorgänger Paolo Maldini, doch ähnlich effizient. Einer, der auch nach 85 Minuten kaum einen Ball durchgehen lässt, der nach einem anstrengenden Match kurz Luft holt, dann schon wieder voll da ist und lächelt.

Das Cannavaro-Lächeln ist sein Markenzeichen geworden. Cannavaro, heißt es, der strahlt immer, dem sieht man die Mühen seines Jobs nicht an, der lässt sich den Spaß am Fußball nicht nehmen. Bis zu diesem Video.

Gelächelt hat er darauf auch. Hat Witze gerissen oder das, was er dafür halten mag. "Los, hau' die Nadel hier rein, Doktor. Mmmh, tut das gut..." Ein Erinnerungsstück, gefilmt von Cannavaro selbst, für die Lieben daheim, die nicht mitkommen konnten nach Moskau, um ihn mit dem AC Parma im Uefa-Cup-Finale 1999 gegen Olympique Marseille zu sehen.

Kraft aus der Nadel

Parma gewann an jenem 12. Mai den Pokal mit einem glatten 3:0. Der Doktor hatte Fabio Cannavaro Stunden vor dem Spiel an den Tropf gelegt, und der Spieler hatte auch das gefilmt. Weil es für ihn dazugehörte - zum gewöhnlichen Vorbereitungsritual für ein wichtiges Spiel. Cannavaro filmte also seinen mit einem Gummischlauch abgebundenen Arm.

Die Schmetterlingsnadel. Das Mittel Neoton, eine Arznei für Herzkranke mit dem Wirkstoff Kreatin. Cannavaro war nie herzkrank. Er sollte nur Fußball spielen. Die Behandlung mit Neoton, sagt er, sei normal gewesen. "Viel Lärm um nichts. Das Mittel stand nie auf der Dopingliste. Ich bin ganz gelassen." Sein Gesicht sagt etwas anderes. Das Cannavaro-Lächeln wirkt gequält.

Vor einer Woche hatte das staatliche Fernsehen RAI die Tropf-Doku aus Moskau gezeigt - gegen den Willen des Autors Cannavaro, der versucht hatte, die Ausstrahlung zu verhindern. "Starke Mächte" hätten sich bewegt, um die Sendung zu blockieren, berichtete später der verantwortliche Redakteur, ohne diese Mächte zu benennen.

"Sicher, schön war das nicht"

War es der Fußballverband? Juventus Turin, der gerade wegen Doping verurteilte Rekordmeister? Erstinstanzlich, muss man stets hinzufügen. Oder die von AC-Mailand-Patron Berlusconi geführte Regierungskoalition, die den Staatsrundfunk unverblümt kontrolliert?

Fest steht, dass ein Millionenpublikum sehen konnte, wie dem Kapitän der Azzurri eine Kanüle in die Vene des linken Arms gelegt wurde und darauf mehrheitlich reagierte wie der Vorsitzende des Nationalen Olympischen Komitees, Gianni Petrucci: "Ich bin erschüttert. Und ich bin sauer."

Zwar habe Cannavaro nicht gegen die Dopinggesetze verstoßen, argumentierte der NOK-Chef, aber das Verhalten des Profis sei "vom ethischen Standpunkt inakzeptabel". Profiliga-Präsident Adriano Galliani wiegelte ab: "Cannavaro hat nichts Regelwidriges getan. Sicher, schön war das Video nicht."

Absolut normal sei die Praxis, die Spieler vor einem wichtigen Match mit "Aufbaumitteln" zu versorgen, kommentierten nahezu unisono die Trainer der Serie A. "Auch Verwaltungsangestellte hängen am Tropf", behauptete ernsthaft Carlo Mazzone vom FC Bologna.

Medizin war einmal etwas nur für Kranke

Inter Mailands Roberto Mancini sagte: "Der Film hat mich überhaupt nicht beeindruckt. Ich wäre ja ein Heuchler, wenn ich behaupten würde, so etwas hätte ich noch nie gesehen." Nur Zdenek Zeman von US Lecce gab zu bedenken: "Medizin ist für Kranke. Und Fußballprofis sollten gesund sein - erst recht vor einem Uefa-Cup-Finale."

Aber Zeman hatte auch 1998 mit seinen Äußerungen über Doping im Fußball die Ermittlungen der Turiner Staatsanwaltschaft ins Rollen gebracht und ist seither ein schwarzes Schaf unter seinen Kollegen. Von Nationaltrainer Marcello Lippi musste sich der Tscheche unlängst als "Nestbeschmutzer" beschimpfen lassen.

Cannavaro hat vom Verband und seinem Klub Juventus nichts zu befürchten - ebenso wenig wie drei Spieler des AC Mailand - Gattuso, Pancaro und Seedorf -, die vor ein paar Wochen die Blutprobe beim Dopingtest verweigerten.

Der Spieler will jetzt klären, wie das sechs Jahre alte Video aus seinem Wohnzimmer in die Fernsehredaktion gelangte. "Ich verstehe nicht, warum mein Film in einer Sendung über Doping gezeigt wurde", sagte Fabio Cannavaro.

"Für uns war das alltäglich"

"Vielleicht hat sich das Publikum erschrocken, aber für uns war das eine alltägliche Situation. Wenn man müde ist, braucht man Aufbaustoffe, so einfach ist das. Wichtig ist nur, dass man sich nicht dopt." Denn natürlich ist Fabio Cannavaro gegen Doping. "Das bin ich vor allem der Jugend schuldig. Wir müssen ein Vorbild sein, vor allem ich als Familienvater mit drei Kindern."

Für seinen Auftritt zur eigenen Rechtfertigung hatte Cannavaro eine Sendung im Berlusconi-Fernsehen gewählt. Es handelte sich um ein satirisches Programm. Der Mann hat, wie gesagt, ein sonniges Gemüt.

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