Doping in Russland:"Es gab offenbar eine Bank mit sauberem Urin"

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Glaubt an russische Dopingpraktiken: Richard McLaren (Foto: dpa)
  • Sonderermittler McLaren glaubt, dass es im russischen Fußball ein eigenes, separates Doping-Vertuschungssystem gab.
  • Damit spitzt sich die Verdachtslage vor der Fußball-WM in Russland zu.

Von Thomas Kistner, München

Die Verdachtslage um Russlands Fußball spitzt sich zu. Richard McLaren, der Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) zum staatlich geförderten Sportbetrug im WM-Land 2018, gibt sich öffentlich überzeugt, dass es im russischen Fußball ein eigenes, separates Doping-Vertuschungssystem gegeben habe. "Es gab offenbar eine Bank mit sauberem Urin, und diese Bank wurde offenbar für Fußball genutzt", sagte der kanadische Rechtsprofessor Reportern der ARD. Ein Vertuschungssystem für olympische Sportarten hatten seine Ermittlungen bereits enthüllt. Nun glaubt er: "Es muss noch ein anderes im Fußball gegeben haben."

McLaren hatte in seinen 2016 präsentierten Russland-Ermittlungen auch den systematischen, mit geheimdienstlicher Akribie organisierten Austausch positiver Proben russischer Athleten bei den Winterspielen 2014 in Sotschi nachgewiesen. Auch dafür soll eine Bank mit sauberen Ersatz-Urinen eingerichtet worden sein.

Nun gibt es zunehmend Hinweise, dass im Fußballbereich separat manipuliert worden sein könnte. In der ARD-Sportschau am Dienstag nannte McLaren eine bemerkenswert hohe Zahl von Proben russischer Kicker, die er als mutmaßlichen Teil einer Vertuschung identifizierte: "Es gibt noch 155 Proben, die nicht analysiert wurden. Die Wada hat sie beschlagnahmt. Das haben wir der Fifa gemeldet." McLaren vermutet, diese Proben seien entweder manipuliert, um Positivbefunde zu verhindern, oder dass sie Dopingsubstanzen beinhalten. Seinen Verdacht stützt er auch auf den Mailverkehr russischer Funktionäre.

"Es gibt 155 Fußball-Proben, die noch nicht analysiert wurden."

"Deutlich über dem Grenzwert", heißt es da in einer Mail vom 3. Juni 2015. "Dexamethason", ein verbotenes Stimulanz, sei im Urin eines Profis der ersten russischen Liga gefunden worden, codiert ist die Probe mit "3878295". "Nach unseren Informationen wurde versucht, diese Probe auszutauschen", sagte McLaren. Aus Ermittlerkreisen will die ARD erfahren haben, dass die Probe einem Nationalspieler gehöre.

Zuvor hatte die britische Mail on Sunday berichtet, alle 23 Spieler des russischen Kaders für die WM 2014 und elf weitere Kicker stünden auf einer Liste von Athleten, die laut McLaren in organisiertes Doping verstrickt sein sollen. Alexej Sorokin, WM-Chefplaner in Russland, hatte die Vorwürfe gegen den russischen WM-Kader als "absolut erfunden" zurückgewiesen.

Die Fifa laviert. Sie bestätigte nur, "dass die Ermittlungen zu den Anschuldigungen gegen Spieler, die im McLaren-Report genannt werden, in Zusammenarbeit mit der Wada weitergehen". Generalsekretärin Fatma Samoura betonte, "keine Namen offenbaren" zu wollen. Dafür hat Joachim Löw, auch im Blick auf die Vorwürfe, dass der ganze WM-Kader 2014 in Verdacht stehe, wenig Verständnis. Träfe das zu, sagte der Bundestrainer Medienvertretern am Rande des Confed Cups, müssten Wada und Fifa "Ross und Reiter" nennen. McLaren rechnet bald mit viel mehr Enthüllungen: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs." .

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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