Doping im Volleyball:"Zu vieles ist Zufall"

Ein russischer Dopingfall, zahlreiche mysteriöse Spielerpausen und ein undurchsichtiges Sanktionssystem. Der scheidende Bundestrainer Vital Heynen ist enttäuscht von seinem Sport.

Interview von Sebastian Winter

Herr Heynen, was halten Sie denn von den Dopingvergehen russischer Volleyballer? Angreifer Alexander Markin ist beim Olympia-Qualifikations-Turnier im Januar in Berlin, das Russland gewonnen hat, positiv auf Meldonium getestet worden. Von weiteren Spielern, die verbotene Substanzen genommen haben, ist die Rede. Sind Sie überrascht?

Vital Heynen: Erstens bin ich absolut überrascht, was heutzutage läuft im Volleyball. Ich habe niemals etwas von Doping im Volleyball gehört, und ich war zwanzig Jahre Spieler und bin seit zehn Jahren Trainer in diesem Sport. Ich war überzeugt, dass Volleyball ein sauberer Sport ist, der diese Mittel nicht braucht, weil er sehr technisch ist. Ich war überall in Westeuropa aktiv und habe da nie etwas von Doping gehört. Das ist vielleicht meine Naivität. Aber heute weiß ich mehr.

Was?

Markin ist die eine Geschichte, das ist letztlich ein armer Junge, der ein Opfer ist. Kurze Zeit später haben russische Klubs überraschend viele Spieler nicht dabei gehabt. Und selbst ich, der ich ja ganz naiv bin, habe dann plötzlich Fragen.

Auch bezüglich des CEV-Pokalwettbewerbs, den Berlin kürzlich als erste deutsche Mannschaft gewonnen hat?

Im Halbfinale des CEV-Pokals waren bei Moskau die vier wichtigsten Spieler gegen Surkut nicht dabei, im Finale gegen Berlin spielten bei Surkut fünf wichtige Spieler nicht. Und letzte Woche beim Champions-League-Final-Four der Frauen waren zwei Spielerinnen von Dynamo Kasan nicht dabei, darunter Jekaterina Gamowa, die wichtigste Spielerin, angeblich wegen Ernährungserkrankungen. Zu vieles ist Zufall im Moment.

Doping im Volleyball: Volleyball-Bundestrainer der Männermannschaft: Vital Heynen.

Volleyball-Bundestrainer der Männermannschaft: Vital Heynen.

(Foto: John MacDougall/AFP)

Warum tauchen gerade so viele Fälle in Russland auf?

Ich denke, dass nicht so viel kontrolliert wird in Russland. Einer meiner Spieler, Philipp Collin, war ein Jahr gesperrt, weil er dreimal die Kontrolle verpasst hat. Die Debatte ist nicht ehrlich, weil die Anzahl der Kontrollen nicht vergleichbar ist. Wir dürfen nicht aufhören, in Deutschland zu kontrollieren. Aber wir müssen umgekehrt fragen, wie in anderen Ländern kontrolliert wird.

Am kommenden Dienstag sollte die Anhörung Markins beim Volleyball-Weltverband FIVB sein, offenbar findet sie nun doch nicht statt.

Wie heißt das auf Deutsch: Auf die lange Bank schieben? Man schiebt das ganz weit weg, und irgendwann kommt dann eine Lösung heraus, die den Beteiligten nicht so viele Schmerzen macht. Ich glaube ganz generell, dass nicht viele Sportler gesperrt werden in dieser ganzen Meldonium-Geschichte.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat aufgrund einer bislang unveröffentlichten Studie ihre Regularien gelockert und akzeptiert in Proben vor dem 1. März 2016 eine Konzentration von bis zu einem Mikrogramm pro Milliliter Blut. Markin hatte angeblich 300 Nanogramm.

Lebenslange Sperre droht

Die provisorische Dopingsperre von Russlands Top-Schwimmerin Julija Jefimowa bleibt bestehen. Trotz der Empfehlungen der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, positive Meldonium-Tests unter Umständen lockerer zu bewerten, erhält der Schwimm-Weltverband Fina Jefimowas Suspendierung bis zur geplanten Anhörung aufrecht. Der Weltmeisterin über 100 m Brust droht damit weiterhin eine lebenslange Sperre. Jefimowa, 23, war bereits im Oktober 2013 positiv auf ein Steroid getestet und für 16 Monate gesperrt worden.

Unterdessen hat die russische Anti-Doping-Agentur Rusada gemäß der Wada-Empfehlungen acht Sportler, darunter vier Leichtathleten, wegen einer zu geringen und somit mutmaßlich 2015 noch erlaubt eingenommenen Meldonium-Menge von der Sperre befreit. Ob die internationalen Verbände dem folgen, bleibt fraglich. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hat Russlands Athleten ohnehin wegen Systemdopings suspendiert. sid

Regeln sind heutzutage offenbar da, um sie wieder zu ändern. Es ist ja nicht die Diskussion, ob russische Volleyballer Meldonium nehmen. Und ich denke, dass es Folgen haben muss, wenn man Sachen macht, die nicht stimmen. Für mich war logisch, dass die Mannschaft ein Spiel verliert, wenn einer ihrer Spieler gedopt ist.

Die Anti-Doping-Regularien des Weltverbandes FIVB sind allerdings schwammig. Unter Punkt 11.1. heißt es, dass die Kommission bei Dopingvergehen die gesamte Mannschaft bestrafen kann, nicht muss. Haben Sie Hoffnung, dass Russland tatsächlich von den Olympischen Spielen ausgeschlossen wird? Die deutschen Volleyballer würden direkt davon profitieren, auf Platz drei des Berliner Turniers rücken und doch noch in Japan Ende Mai eine Qualifikations-Chance für Rio bekommen.

Da wird nichts passieren, davon bin ich überzeugt. Ich kann daran nichts ändern, diese Dinge werden auf einer anderen Volleyball-Ebene entschieden. Aber das gibt ein schlechtes Gefühl. Ich finde es einfach schade, dass meiner Sportart das passiert. Ich war bei Olympia (Heynen wurde 2012 mit Deutschland Fünfter, Anm. d. Red.) aber die Hälfte meiner Mannschaft war niemals dort. Wenn irgendwann in zehn Jahren herauskommt, dass das alles nicht korrekt war, was da abläuft, ist das sehr hart für meine Spieler.

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