Doping im Triathlon:Ein unbequemer Zeuge

Eine eidesstattliche Erklärung eines ehemaligen Triathlon-Funktionärs bringt Bewegung in die Affäre um den früheren Olympia-Zweiten Stephan Vuckovic.

Thomas Kistner und Frank Ketterer

Am Montag endete vor dem Kieler Oberlandesgericht die erste Fehde in der Epo-Affäre um Stephan Vuckovic. Und sie setzte einen sportpolitischen Torpedo frei. Zwar war der Triathlon-Silbergewinner von Sydney 2000 nicht persönlich involviert in den Prozess, den Klaus Müller-Ott, bis 2008 Chef der Deutschen Triathlon-Union (DTU), gegen Amtsvorgänger Martin Engelhardt angestrengt hatte. Müller-Ott wollte Engelhardt die Behauptung untersagen, dass er diesem berichtet habe, Vuckovic habe 2001 gegenüber Notfallärzten die Einnahme des Blutdopingmittels Epo eingeräumt.

Doping im Triathlon: Die Affäre um den Silbermedaillengewinner von Sydney, Stephan Vuckovic, geht weiter.

Die Affäre um den Silbermedaillengewinner von Sydney, Stephan Vuckovic, geht weiter.

(Foto: Foto: dpa)

Vor dem OLG verglichen sich die Streithähne, beide selbst Ärzte, zum Inhalt vereinbarten sie Stillschweigen. Trotzdem bringt der Prozess Brisanz in die Affäre: Engelhardt hat in Kiel die Eidesstattliche Versicherung eines Spitzenfunktionärs vorgelegt, die seine Dopingversion massiv untermauert. DTU-Präsidentin Claudia Wisser war am Dienstag "sprachlos, das muss ich sacken lassen".

Der Eid bringt Bewegung in den zähen Fall: DTU-Ehrenpräsident Engelhardt hatte im Oktober 2008 per Mail an alle Verbandsspitzen ein "Gedächtnisprotokoll" in Umlauf gebracht. Er wollte Vuckovic' Kür zum Verbandschef in Baden-Württemberg vereiteln. Darin teilte er mit, Vuckovic habe 2001 Epo-Doping zugegeben, als er nach einem Kollaps bei der Triathlon-EM in Karlsbad mit Leber-Nierenversagen in eine Bayreuther Klinik verbracht und dort von den Ärzten befragt wurde, die tagelang um sein Leben rangen.

Als Zeugen für den Vorfall hatte Engelhardt Amtsnachfolger Müller-Ott und den Verbandsarzt benannt, Andreas Marka. Beide hatten die Vorgänge um Vuckovic in Karlsbad und Bayreuth direkt miterlebt. Engelhardts Vorstoß gelang, er bewegte Vuckovic zum Rückzug von seiner Kandidatur. Und auch die benannten Zeugen ließen dies geschehen.

Erst als Mail und Gesamtvorgang publik wurden, bestritten beide Engelhardts Darstellung vehement; Müller-Ott sogar per Eid. Auch Vuckovic bestreitet strikt jeden Dopingkonsum, er zwang Engelhardt zu einer Unterlassungserklärung. Für die im November angekündigte Schadensersatzklage, so Athleten-Anwalt Michael Lehner gestern, herrsche keine Eile: "Das stimme ich mit den Terminplänen des Athleten ab."

Dass Müller-Otts Attacke gegen Engelhardt den Auftritt eines neuen Zeugen zur Folge hat, ruft die Nationale Antidopingagentur Nada auf den Plan. Ihr liegt die Eidesversicherung vor. Sie stammt von Jörg Barion, DTU-Geschäftsführer von 1994 bis zu seiner jähen Entlassung unter der neuen DTU-Chefin Wisser im November 2008. Barion, in Karlsbad 2001 als DTU-Delegierter dabei, bekundet seine Erinnerung so: Als Vuckovic in die Klinik gebracht worden war, habe ihm Müller-Ott vertraulich mitgeteilt, dass "Vuckovic möglicherweise nicht sauber sei, auch wohl schon in Sydney 2000 nicht". Ihm sei klar gewesen, "dass er damit meinte, der Athlet Vuckovic habe Dopingmittel genommen". Mehr Details habe Müller-Ott nicht gegeben, um ihn "als hauptamtlichen Geschäftsführer zu schützen".

Ein unbequemer Zeuge

Für die Nada birgt der Fall ein paar Fragen zu viel. Bereits im Februar hatte sie einer Ankündigung der DTU widersprochen, die eine Verfahrenseinstellung ankündigte. "Wir baten die DTU, dies nicht zu tun", so Nada-Sprecherin Ulrike Spitz, "wir wollen auf keinen Fall, dass diese Sache eingestellt wird."Erstmals beeidet ja nun ein Zeuge die Version, dass 2001 verbandsintern Doping als Auslöser von Vuckovic' (medizinisch nicht restlos geklärtem) Kollaps benannt worden sei.

Zudem irritiert Nada und DTU, dass Vuckovic damals bei Thomas Springstein trainierte, was ihn schon einmal in Erklärungsnot brachte. 2006 war im Prozess gegen den Dopingcoach dessen Mailverkehr mit dem Arzt Miguel Peraita publik geworden, der als eine Schlüsselfigur des internationalen Dopingnetzwerks in Madrid gilt.

Laut Gerichtsakten bedankte sich Springstein für die "kreativen Ideen" bezüglich seines Schützlings Vuckovic, der in Sydney 2000 überraschend Silber gewonnen hatte. Peraitas stolze Antwort: "Für das nächste Jahr haben wir neue Sachen, sehr interessant." Vuckovic bestritt auch hier alle Vorwürfe gegenüber der DTU. Auf SZ-Anfrage sagte er, er habe "damals alles gesagt, ich schaue nicht zurück und lebe im Jetzt".

Anwalt Lehner sieht dem neuen Zeugen gelassen entgegen. Und Müller-Ott, der Lehner am Montag nach Prozessende beruhigt haben soll (Lehner: "Er sagte mir, Stephan habe nichts zu befürchten"), gab sich gestern wortkarg. Er wollte nur bestätigen, "dass ein Vergleich geschlossen und Stillschweigen darüber vereinbart wurde". Und der Eid des neuen Zeugen? "Dazu sage ich gar nichts." Beeindruckt hat die neue Faktenlage DTU-Chefin Wisser. "Der Entwicklung gehen wir nach", sagte die Juristin - wieder einmal. Wie, das wolle sie mit ihrer Antidoping-Kommission besprechen. Die tat sich bisher äußerst schwer, ein Verfahren zu eröffnen. Nun sagt Wisser: "Wir sind nicht bereit, die Akte vorschnell zu schließen."

"Das Beste wäre, die DTU und Vuckovic klären die Sache vor dem neuen Deutschen Sportgericht", sagt Nada-Sprecherin Spitz. Engelhardt würde das regelrecht befeuern, er fordert die Athleten-Partei heraus: "Dann würde ich weitere Zeugen nennen!" Abzuwarten bleibt, ob auch Vuckovic Lust auf diese Art Klärung hat.

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