Doping im Radsport:Razzia und neue Tests

Bjarne Riis leugnet Kontakt zu Fuentes, doch der Doping-Verdacht gegen sein CSC-Team und seinen Spitzenfahrer Frank Schleck aus Luxemburg wird größer.

Andreas Burkert

Die Farce beginnt pünktlich in der Villa Ponti. Der "Sala Caccia" des Barockbaus ist überfüllt, dabei hat sich früh herumgesprochen, dass Bjarne Riis nichts wirklich Bedeutendes verkünden werde. Zumindest nichts, was den Radsport voranbringen würde. Einen neuen Sponsor für seinen CSC-Saxo-Rennstall möchte der dänische Teamchef präsentieren. Alle sind aber nur deshalb gekommen, um etwas über die bekanntgewordene Kundschaft von Riis' Co-Kapitän Frank Schleck beim Dopingarzt Eufemiano Fuentes zu erfahren. Aber die Aussagen dazu haben in etwa die Qualität jener Einlassung, die der Mann vom neuen Geldgeber vor den vielen Kameras zur schlagzeilenträchtigen Sache von sich gibt. "Der Fall ist doch zwei Jahre alt", sagt der Mann, "ich verstehe das nicht."

Doping im Radsport: Bjarne Riis (rechts) leugnet weiter jegliche Kontakte zu Doping-Arzt Fuentes.

Bjarne Riis (rechts) leugnet weiter jegliche Kontakte zu Doping-Arzt Fuentes.

(Foto: Foto: dpa)

Logisches Denken ist eine Seltenheit gewesen, seitdem im Mai 2006 der Blutring des Madrider Gynäkologen Fuentes aufflog. Zumindest Schleck, 28, ist nun als dessen Kunde enttarnt. Der Luxemburger war noch im Juli als Träger des Gelbtrikots bei der Tour de France als frisches Gesicht verkauft worden. Die Veröffentlichung seiner Banküberweisung an Fuentes vom März 2006 in Höhe von 6991 Euro in dieser Zeitung dominierte deshalb das WM-Wochenende von Varese. Zumal die italienische Polizei am Freitag mit 20 Männern im Örtchen Gaggiolo im Hotel Gonzaga einrückte - dort residierte neben den unbehelligten Norwegern: Team Luxemburg, mit den Brüdern Andy, 23, und Frank Schleck.

Thomas Dekker unter den Kunden

Nach 21 Uhr traf die Sondereinheit NAS ein, der letzte Beamte ging gegen 4.30 Uhr. Es seien mehrere Säcke mit Gegenständen sichergestellt worden, heißt es, Auswertungen der Razzia lägen erst nächste Woche vor. Inwieweit die Aktion bei den Luxemburgern mit den heiklen Neuigkeiten zu Schleck zu tun hatten, mochte ein Polizeisprecher nicht mutmaßen: "Aber wir sind sicherlich in der Lage, Zeitung zu lesen." Bestätigt wurde zumindest, dass "sich internationale Ermittler ausgetauscht haben" und der aus Mailand, Florenz und Brescia operierenden Einheit Hinweise gaben.

Frank Schleck ist Sonntag trotzdem ins Eliterennen gestartet. "Wir haben bis jetzt keinen Beweis vorliegen, um ihn zu stoppen", betonte UCI-Chef Pat McQuaid und verwies auf den Fall Valverde. Der Spanier hatte im Vorjahr seinen WM-Start in Stuttgart per Gerichtsbeschluss erwirkt, obwohl er durch die Fuentes-Unterlagen eindeutig als Fuentes-Klient enttarnt wurde.

Rund 50 Fahrer sollen - neben Profis anderer Sportarten - in den von Spanien blockierten Puerto-Akten stehen. Ein weiterer Codename könnte Thomas Dekker zugeordnet werden - nach gesicherten SZ-Informationen firmiert der soeben von Team Rabobank wegen markanter Blutwerte verabschiedete Holländer als "Classico Mano" in der Liste. Dekker, 24, unterschrieb am Sonntag beim Lotto-Rennstall einen Vertrag.

Razzia und neue Tests

Im Falle Schlecks liegen nun sogar offiziellen Stellen Dokumente vor. Sie legen den Dopingverdacht sehr nahe. Den Kontoauszug besitzt nicht nur der Luxemburger Staatsanwalt Robert Biever, sondern auch die nationale Antidoping-Agentur ALAD. Biever hat der SZ erklärt, die heikle Geschäftsbeziehung Schlecks zu Fuentes sei "eindeutig erwiesen". UCI-Chef Pat McQuaid versicherte in Varese, man werde sich "natürlich um diese Informationen bemühen".

Ob jedoch die UCI das wirklich will und ihre Regeln anwendet, ist seit Varese noch unsicherer als zuvor. So hat sich am Freitag der Kolumbianer Fabio Duarte als Sieger des U23-Rennens feiern lassen - der junge Mann ist 2007 gleich zweimal positiv auf Testosteron getestet worden. Duarte verwies auf natürlich erhöhte Werte - hat jedoch entsprechende Nachweise bis heute nicht vorgelegt. Weltverbandsarzt Mario Zorzoli sagte dem Internetdienst cyclingsnews, man werde "den Fall aber jetzt wieder offnen". Ein Jahr und eine Goldmedaille später.

In der Sache Schleck ist zumindest in Luxemburg ein Verfahren wahrscheinlich, denn das dortige Sportrecht sieht Sanktionen bereits für den Dopingverdacht vor. ALAD-Sprecherin Anik Sax bestätigte inzwischen, Schleck sei "für diese Woche" vorgeladen wegen der Hinweise der Staatsanwaltschaft.

Eine 100-prozentige Garantie

Erst nach dieser Unterredung werde auch er sich äußern über mögliche Konsequenzen, sagt Riis am Sonntagmittag. Habe denn Schleck, der Doping leugnet, wenigstens die Überweisung bestätigt? "Wir respektieren den Wunsch von Frank, erst mit dieser Agentur zu reden, das haben wir ihm erlaubt, und danach werden wir uns öffentlich erklären", antwortet er. Er wiederholt diesen Satz während des Termins sechsmal. Aber Riis, der laut Aktenvermerken mit Schleck Fuentes traf, beteuerte auch, mit der Puerto-Affäre "nichts zu tun" zu haben.

"Ich gebe Ihnen meine 100-prozentige Garantie, dass Sie meinen Namen in den Dokumenten und in dieser Sache nicht finden werden." 100 Prozent sind viel, zumal ein Ermittler am Sonntag der SZ sagte: "Wir haben Zeugenaussagen zu Riis, die genau das Gegenteil über ihn erzählen."

Womöglich kommt der Name Riis schon diese Woche wieder auf den Tisch, wenn die französische Antidoping-Agentur AFLD 14 auffällige Blutproben von der Tour überprüfen wird, offenbar auf die Epo-Variante Cera. AFLD-Chef Pierre Bordry meldete vorab, es handele sich um Topfahrer der Tour. Die belgische Zeitung Le Soir nannte am Samstag bereits vier Namen Verdächtigter und berief sich auf "sichere Quellen": der Schweizer Fabian Cancellara, der Australier Stuart O'Grady, Spaniens Toursieger Carlos Sastre und Frank Schleck.

Alle fahren für Riis.

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