Doping im Radsport:Beweiskette um Jan Ullrich schließt sich

Das Fax, auf dem sein Name auftaucht. Der spanische Radsportverband, der ein Verfahren anstrebt. Der Arzt, der die einstweilige Verfügung anficht. Es wird eng für den Radstar.

Während die Anklage gegen Jan Ullrich vor der Dopingkammer des Schweizer Sports seit Mittwoch beschlossene Sache ist, schließt sich die Beweiskette um den deutschen Radsportstar immer weiter. Das Fax, in dem zum ersten Ullrichs voller Name auftaucht, belastet den Radstar sehr.

Beweiskette um Jan Ullrich schließt sich

Die Beweiskette um Jan Ullrich schließt sich.

(Foto: Foto: dpa)

Auch der spätere Sieger Ivan Basso (Italien) und der Giro-Zweite Jose Enrique Gutierrez (Spanien) sind in der "Kundenkartei" notiert. Das "Dokument 65" gehört zu den rund 100 Seiten umfassenden Unterlagen, die den Schweizer Radsportverband Swiss Cycling zum Grundsatzbeschluss gebracht hatten, das Verfahren gegen Ullrich vor der Dopingkammer zu beantragen.

Das brisante Fax treibt den mit Schweizer Lizenz fahrenden Toursieger von 1997 erheblich in die Enge, weil bisher nur Codenamen wie "Rudis Sohn" (in Anlehnung an Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage) und Blutbeutel mit der Aufschrift "Jan" auf die Spur des gebürtigen Rostockers führten.

"Wir haben bei den Behörden in Madrid und dem Weltverband UCI sofort die Beglaubigung der Papiere beantragt, damit das Verfahren anlaufen kann", sagte Swiss Cycling-Geschäftsführer Lorenz Schläfli. Wie lange das amtliche Siegel auf sich warten lässt, konnte er nicht abschätzen.

"Wir hoffen, dass es bald zur Verhandlung kommt, denn das Ganze nervt doch sehr", sagte Ullrich-Manager Wolfgang Strohband. Sein Schützling, der weiter jede Manipulation von sich weist, wird von der Hamburger Kanzlei Luther vertreten. Man gehe fest von einem Freispruch aus, sagte Strohband: "Danach will Jan auf jeden Fall wieder Rennen fahren." Es gebe schon mehrere Anfragen interessierter Rennställe, allerdings noch keine konkreten Verhandlungen: "Wir warten bewusst das Verfahren ab. So lange fährt Jan auch keine Kriterien, obwohl wir dadurch eine Menge Geld verlieren."

Eines sei jedoch klar, so Strohband: "Für T-Mobile wird Jan mit Sicherheit nie mehr in den Sattel steigen, dieses Kapitel ist für uns endgültig abgeschlossen." Die Bonner hatten ihren Star nach den erdrückenden Unterlagen der spanischen Ermittler am Tag vor dem Tourstart aus dem Aufgebot genommen und den Vertrag mit ihm noch während der "Großen Schleife" fristlos gekündigt. Hauptgrund war die Weigerung von Ullrich ("Ich bin doch kein Verbrecher"), einen DNA-Test zu machen. Dieser könnte ihn entlasten, wenn die bei Fuentes gefundenen "Jan"-Beutel nicht sein Blut enthalten würden.

So aber läuft alles auf einen Indizien-Prozess in Bern hinaus. Auch in diesem aber müsste Ullrich gemäß des Welt-Antidoping-Codes und im Gegensatz zu Verfahren vor staatlichen Gerichten ("Im Zweifel für den Angeklagten") seine Unschuld beweisen, wenn die Dopingkammer die Beweiskette als schlüssig erachtet.

In einem ähnlichen Fall hatte das Internationale Olympische Komitee den österreichischen Trainer Walter Mayer nach den Winterspielen 2002 in Salt Lake City für acht Jahre von Olympia ausgeschlossen. Vom Obersten Sportgerichtshof CAS wurde das Urteil bestätigt, das "nur" auf Blutbeutel-Funden basierte. Im Februar 2006 in Turin war Mayer (als "Gast") erneut unter Verdacht geraten, die Ermittlungen der italienischen Justiz laufen noch.

Sollte Ullrich, der schon 2002 wegen "Medikamenten-Missbrauchs" für sechs Monate gesperrt war, schuldig gesprochen werden, drohen ihm zwischen zwei und vier Jahren Sperre. Auch bei der kürzeren Variante käme er aber für vier Jahre bei keinem ProTour-Team mehr unter und könnte höchstens - wie derzeit sein Ex-Kollege Danilo Hondo bei Lamonta - für eine drittklassige Mannschaft fahren. Selbst das allerdings gilt aus unwahrscheinlich, weil selbst kleinere Sponsoren inzwischen davor zurückschrecken, sich mit Dopingsündern zu schmücken.

Die Einstweilige Verfügung, die Ullrichs Anwälte vor dem Hamburger Landgericht gegen den Heidelberger Dopingjäger Prof. Werner Franke erwirkt hatten, war laut Strohband am Dienstag übergeben worden. Darin wird dem Molekular-Biologen die Behauptung untersagt, Ullrich habe in einem Jahr mindestens 35.000 Euro an Fuentes gezahlt.

Franke will die Verfügung anfechten und sieht sich auf sicherem Boden, da er lediglich aus den Dokumenten der spanischen Justiz zitiert habe. Sollte auch noch die Fax-Kopie von den Behörden beglaubigt werden, sieht es um die Zukunft des einstigen "Jahrhundert-Talentes" düster aus.

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