Doping im Radsport:Betankt und unerkannt

Lesezeit: 3 min

Experte Rasmus Damsgaard beklagt unentdeckte Epo-Doper: "Ich weiß von einer Handvoll Athleten mit Urinproben, die künstliches Epo aufweisen. Trotzdem sind diese Proben als negativ deklariert worden."

Thomas Hahn

Rasmus Damsgaard ist irgendwann die Geduld ausgegangen, das muss er zugeben. Denn im Rahmen seiner Tätigkeit als Antidoping-Experte hat er eine schlimme Entdeckung gemacht, die er nicht für sich behalten konnte. Aus seinen Daten ergeben sich fünf Fälle von Epo-Doping, die bei den regulären Dopingtests nicht auffielen. Damsgaard ist im Hauptberuf Anästhesist am Kopenhagener Bispebjerg-Krankenhaus und als solcher verpflichtet, Fälle von Medikamentenmissbrauch zu melden. Also wandte er sich an die Weltantidoping-Agentur Wada, er schickte ihr im April einen Artikel mit seinen Erkenntnissen. "Ich bin alle offiziellen Kanäle gegangen", sagt er, aber tiefere Gespräche mit der Wada kamen nicht zustande, und deshalb macht Damsgaard sein Wissen jetzt öffentlich. Sein Artikel, welcher der SZ vorliegt, beginnt mit einer pikanten Feststellung: "Ich weiß von einer Handvoll Athleten mit Urinproben, die künstliches Epo aufweisen. Trotzdem sind diese Proben als negativ deklariert worden. (...) Diese Athleten nehmen an Wettkämpfen gegen ihre Mitbewerber auf der höchsten internationalen Ebene teil."

Der dänische Antidoping-Experte Rasmus Damsgaard ist auch Betreuer des Bluttestprogramms beim Internationalen Skiverband Fis. (Foto: Foto: dpa)

Künstliches Epo aus Hamsterzellen

Damsgaard ist ein Schüler des Antidoping-Pioniers Bengt Saltin und dessen Nachfolger als Betreuer des Bluttestprogramms beim Internationalen Skiverband Fis. Die Radsportteams CSC und Astana, deren Doping-Vergangenheit hinreichend dokumentiert ist, haben ihn als Antidoping-Berater eingekauft, was seiner Reputation nicht nur zuträglich war. Doch mit seinem Artikel zeigt er, dass er es mit seiner Unabhängigkeit ernst meint. Wissenschaftlich fundierter hat selten ein Forscher die Lücken des Sportsystems offengelegt, die Sportbetrüger dankbar nutzen, um künstlich betankt den Helden zu spielen.

Es geht Damsgaard dabei um die Interpretation des Tests auf das Blutdopingmittel Epo, die künstliche Version des körpereigenen Hormons Erythropoetin; Epo kurbelt die Produktion der roten Blutkörperchen an, damit den Sauerstofftransport im Blut und die Ausdauer. Der Test basiert auf der Erkenntnis, dass sich die Eiweißstruktur von menschlichem und künstlichem Epo unterscheidet, sehr grob gesagt wird bei dem Test das Epo aus dem Urin isoliert, in parallelen Spuren auf ein Gel aufgetragen und einem elektrischen Feld ausgesetzt. Durch Reaktion mit einem Antikörper entsteht ein Bild von Banden, die sich je nach Ph-Wert künstlichem oder natürlichem Epo zuordnen lassen.

Damsgaard sagt, bei den von ihm beanstandeten Epo-Tests war in diesen Bandenspektren überhaupt kein körpereigenes Epo mehr zu entdecken. Dies sei ein klares Zeichen für Epo-Missbrauch, auch wenn das künstliche Epo unter den Wada-Grenzwerten blieb. "Wenn künstliches Epo angewandt wird", schreibt Damsgaard, "ist das Ergebnis eine verminderte Produktion von körpereigenem Epo." Für ihn ist es unlogisch, diese Proben als negativ zu werten. Denn: "Sie können nur auf Nierenversagen zurückzuführen sein (natürliches Epo wird in den Nieren produziert). Oder stammen die Athleten vom Hamster ab?" Künstliches Epo werde in erster Linie aus Hamsterzellen gewonnen.

Der Welt sagen, was wir wissen

Damsgaard führt als weiteres Argument die Blutprofile der negativ getesteten Doper an: "Die Produktion von roten Blutkörperchen war bei bestimmten Gelegenheiten unphysiologisch hoch." Seine Kritik an den Antidopingbehörden läuft darauf hinaus, dass sie sich zu sehr an herkömmliche Grenzwerte klammern und die Möglichkeiten nicht wirklich nutzen, die das Zusammenspiel von Urin- und Blutkontrollen bieten. "Die Wada weigert sich, Veränderungen vorzunehmen", schreibt er, damit reagiere sie nicht hinreichend auf das Problem, dass der internationale Markt längst verschiedenste, nach dem bisherigen Schema nicht nachweisbare Epo-Formen hervorgebracht habe. "Es gibt mindestens 20 verschiedene Arten von Epo, die auf dem Schwarzmarkt im Umlauf sind, die Zahl der nicht lizenzierten Epos mag in die Hunderte gehen", schreibt er.

Von der Wada hört man zu den Vorgängen wenig Konkretes. In der Zeitung Berlingske, in der Damsgaard seine Gedanken am Mittwoch veröffentlichte, verweist Generaldirektor David Howman darauf, dass Testmethoden "jeglicher wissenschaftlichen und juristischen Überprüfung standhalten" müssten; Damsgaards Indizien sind der Wada zu unsicher. Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Antidopinglabors, versteht Howman. Trotzdem stimmt er Damsgaard zu. "Ich finde das gut, wenn Leute wie Damsgaard das so darstellen, dass die Tests noch fester gezurrt werden können." Genauso wie der Pharmakologe Fritz Sörgel, der sagt: "Das Mittel der Schutzsperre wird zu wenig benutzt."

Rasmus Damsgaard spricht für viele Antidoping-Experten. Es muss ziemlich frustrierend für sie sein, mehr zu sehen, als tatsächlich zur Verurteilung kommt. "Während die Wada und die akkreditierten Labore um die Welt reisen auf der Suche nach Epo-Typen, machen die Betrüger weiter, verdienen dickes Preis- und Sponsorengeld und wir - die Antdoping-Experten - haben Angst, keine Zuschüsse für unsere nächsten Forschungsprojekte zu bekommen, wenn wir der Welt sagen, was wir wissen", schreibt Damsgaard. Und er sagt auch, welche Großveranstaltungen betroffen sind von den Dopern, die durchs Netz schlüpfen: "Die Tour de France und die Olympischen Spiele in Peking."

© SZ vom 04.07.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: