Doping im Radsport:Auf Autogramm-Tour

Österreichs Öffentlichkeit feiert den gedopten Radprofi Bernhard Kohl als mutigen Helden und Vorreiter im Anti-Dopingkampf - doch mit Ermittlern kooperiert er bislang nicht.

Michael Smejkal

So ganz zufrieden war der Organisator am Ende dann doch nicht. Eigentlich hätte er sich schon mehr als 60 Gäste erwartet zur Eröffnung seines Fitnesszentrums in einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde.

Doping im Radsport: Symbol für wirksames Dopen und nachhaltige Beliebtheit: Das Bergtrikot der Tour de France, hier präsentiert von Dopingsünder Bernhard Kohl.

Symbol für wirksames Dopen und nachhaltige Beliebtheit: Das Bergtrikot der Tour de France, hier präsentiert von Dopingsünder Bernhard Kohl.

(Foto: Foto: dpa)

"Mit 300 habe ich doch gerechnet", aber egal: "Es hat sich ausgezahlt" und immerhin hat er ja auch den derzeit bekanntesten Sportler Österreichs einmal persönlich kennen gelernt: Bernhard Kohl, erst Gewinner des Bergtrikots und seit der Vorwoche der wohl prominenteste Dopingsünder des Landes, kam zur Eröffnung, schrieb fleißig Autogramme und verloste zum Abschluss das rot gepunktete Trikot des Siegers der Bergwertung bei der Tour de France. "Ein klasser Bursch", befand der Gastgeber. Und nicht nur er: Die Kronenzeitung entsandte einen Reporter, der nach dem bewegenden Abend zu berichten wusste: "Die Fans stehen zu ihrem Bernie."

Bald die Bernhard Kohl Straße?

Dieser Meinung sind erstaunlich viele Menschen in Österreich in diesen Tagen. Ein klasser Bursch, der halt einen Blödsinn gemacht habe, das ist der Tenor. Zudem darf er sich der Absolution der größten Boulevardzeitung und des Staatsfunks ORF sicher sein. Wie schon in der Doping-Causa Turin 2006, als sich Österreichs Langläufer und Biathleten geradezu selbst in das Fadenkreuz der Ermittler geschoben haben, fehlt nun auch in der Affäre Kohl jedwede Sensibilität für den Umgang mit dem Thema Doping. Und wie schon in der Causa Turin brechen die alten Gräben auf und tauchen wie aus dem Nichts alte Bekannte wieder auf. Sogar bis zu dem lebenslang für Olympia gesperrten Langlauftrainer Walter Mayer führt die Spur. Die persona non grata des IOC lud, obwohl selbst ausgeladen, Kohls jetzigen Manager Stefan Matschiner 2006 nach Turin ein. Was man dort gemacht habe, erklärt der ehemalige Leichtathlet, der sich im neu gewonnen Glanz der Öffentlichkeit gerne als Wortakrobat versucht, kurz und bündig: "Saufen."

Der als Aktiver kaum bekannte Matschiner geriet in den letzten Tagen selbst in den Mittelpunkt der Affäre, hatten doch viele Wegbegleiter oder sogar ein Geschäftspartner von ihm mit Doping zu tun. Nun, das mag in der Leichtathletik-Szene nichts Ungewöhnliches sein, dennoch verblüfft der zeitliche Zusammenhang zwischen Kohls Dopingfall und der Zusammenarbeit mit dem Manager, der auf die Kritik an seiner Person regelrecht stolz zu sein scheint: " So viel Neid muss man sich erst einmal erarbeiten."

In seinem Fall ging es schnell, für die innige Feindschaft aller österreichischen Medien bis auf die eingangs erwähnte Boulevardzeitung und den ORF benötigte Herr Matschiner genau einen Abend. In der Vorwoche lud Kohl zu einer Pressekonferenz, doch einen Abend vorher erzählte er alles exklusiv in einem Pressegespräch, in dem nur diese zwei Medien zugelassen waren. Als Reporter anderer Zeitungen, der TV-Station ATV oder von Internet-Diensten von der Pressekonferenz auf dem ohnedies abgelegenen Flughafen Wien erfuhren und den Ort des üblen Schauspiels aufsuchen wollten, wurden sie wieder vor die Türe gesetzt. Dann erst setzte Kohl mit der Verlesung seines vierseitigen Geständnisses fort. Für so viel Zuneigung revanchierten sich die Partner umgehend: "Etappensieg auf dem Weg zurück", titelte die Kronenzeitung, die ja auch schon in der Dopingaffäre Turin ein international abgekartetes Spiel gegen die so erfolgreichen österreichischen Wintersportler sah, einen Tag später.

Kaum kritische Berichterstattung

Der ORF sorgt eher für den emotionalen Unterbau. Nein, natürlich sei man ihm nicht böse, werden Mitbewohner aus Kohls Heimatort Wolkersdorf zitiert. Nur der Bürgermeister würde sich halt noch mit der angekündigten Umbenennung einer Straße in "Bernhard-Kohl-Straße" Zeit lassen. Politischen Rückhalt hätte er, denn Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll stellte sich gänzlich hinter den Radsportler, der drei Monate lang vehement jeden Fragesteller belogen hat. "Ich verbitte mir eine Menschenhatz auf einen jungen Sportler in diesem Land", polterte Pröll, weil sich die Opposition zu der ohnedies nicht sehr gewagten Aussage hinreißen ließ, Kohl tauge nun nicht mehr zum Vorbild für die Jugend.

Dabei taugt Kohl weder zum Vorbild noch zum Kronzeugen. Bis jetzt hat er nur zugegeben, was ihm auf Punkt und Beistrich schon nachgewiesen worden ist: Epo-Doping bei der Tour. Über Hintermänner und Zusammenhänge schweigt er sich aus, natürlich ist er nur ein Ersttäter und gespritzt habe er sich auch alles selbst. Das Mittel selbst, man braucht es kaum zu erwähnen, hat er natürlich nicht von seinem umtriebigen Manager. Alles das hat man wortgleich in fast jeder Dopingcausa gehört.

Karneval in Österreich?

Bei gegebener Zeit werde er über alles sprechen, meinte Kohl noch am Sonntag. Dazu wird er in den nächsten acht Wochen vor der Rechtskommission der nationalen Anti-Dopingagentur genügend Zeit haben. Doch es steht zu befürchten, dass da wenig herauskommen wird und sich stattdessen der nächste faule Kompromiss abzeichnet: Der Radsport-Verband will Kohl zum Vorzeigeathleten im Anti-Dopingkampf machen und da fragt man sich doch, ob in Österreich mittlerweile ganzjährig Karneval herrscht.

Aber vorerst heißt es Geld verdienen und die PR-Tour weitermachen. Am Donnerstag gastiert Kohl, der in den Augen seines Managers seit seinem Geständnis "absolut salonfähig sei", in Salzburg, um in einem Fitnesscenter zum Thema Sport und Doping zu sprechen." Bedenken hat auch der Betreiber in Salzburg nicht. "Wer könnte denn berufener über diese Sache sprechen?"

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