Doping im früheren Westdeutschland:Staatlich finanzierte Spritzen in Freiburg

Akten belegen, dass im früheren Westdeutschland Doping-Forschung auf Kosten der Steuerzahler betrieben wurde. Ärzte an der Universität Freiburg hantierten schon vor Olympia 1972 in München mit Anabolika - das Innenministerium will die Studien allerdings unter Verschluss halten.

Die Lebenslüge des westdeutschen Sports, nach der nur der böse Bruder aus dem Osten mit diesem ganzen schmutzigen Dopingkram zu tun hatte, ist schon lange enttarnt. Doch nun haben Recherchen der Main-Post und der Märkischen Oderzeitung ein neues Dokument zutage gefördert, das belegt, wie früh in der Bundesrepublik bereits staatlich finanzierte Dopingforschung betrieben wurde.

Aus den Akten des Bundesarchivs in Koblenz (VF 1220/13/72) gehe hervor, dass das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) vor Olympia 1972 in München Versuche zur leistungsfördernden Wirkung von Anabolika bezuschusst habe. Zudem habe es auch mit 15 Versuchspersonen Forschungen zur Wirkung von Insulin und Wachstumshormonen gegeben, die mit Steuergeld unterstützt worden seien.

Der Ort dieses Testversuchs: die Universität Freiburg, inzwischen hinlänglich bekannt für ihre vielfältigen Doping-Verstrickungen.

Das BISp unterstand damals wie heute dem Bundesinnenministerium (BMI) und bewilligte im Dezember 1971 für einen entsprechenden Antrag der Professoren Herbert Reindell und Joseph Keul 139.200 Mark. Die Fragestellung hieß: "Wird durch Anabolika die Leistungsfähigkeit bei Kraftübungen gefördert und in welchem Maße besteht eine Gefährdung durch Einnahme von Anabolika?"

Nur: Die Wirkung von Anabolika war zu diesem Zeitpunkt längst bekannt, Forschungen mit diesen Stoffen längst als "unethisch" gebrandmarkt.

Das erinnert an eine andere westdeutsche Dopingforschungsstudie. 1987 untersuchte wiederum Keul mit Assistenten die Auswirkungen von Testosteron auf die Leistungsfähigkeit unter anderem bei Skilangläufern. Der Auftrag umfasste 300.000 Mark, und die Freiburger störten sich nicht an der Bedingung, den Sportlern Hormone in die Muskeln zu spritzen.

Und schließlich kamen sie zu dem Schluss, dass Testosterondoping im Ausdauersport gar nichts bringe. Eine bemerkenswerte Feststellung, vor allem wenn man bedenkt, dass Keuls Freiburger Mediziner-Kollege Georg Huber später zugeben musste, just in diesem Jahr 1987 den Radsportlern Jörg Müller und Christian Henn das Testosteron-Präparat Andriol gegeben zu haben.

Der neue Aktenfund wirft zudem ein neues Licht auf eine aktuelle Auseinandersetzung. In den vergangenen Jahren hat sich eine Forschergruppe um den Berliner Wissenschaftler Giselher Spitzer um die Aufarbeitung des Dopings in Deutschland bemüht. Bei einer Teilpräsentation hatten er und sein Team Westdeutschland für die Jahre 1970 bis 1990 ein "systemisches Doping" attestiert. Doch die kompletten Ergebnisse der Arbeit, die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2008 mit 550.000 Euro finanziert wurde, sind noch nicht veröffentlicht worden - offiziell hat das BISp datenschutzrechtliche Bedenken.

"Leider haben die verantwortlichen politischen Stellen - das Innenministerium und das BISp - überhaupt kein Interesse an Aufklärung", sagte der Heidelberger Anti-Doping-Experte Werner Franke. Er forderte, die neuen Erkenntnisse genau auszuwerten: "Solche Beweise tragen dazu bei, auch heute noch Ärzte dingfest machen zu können, die an allen Ecken und Enden gegen die Ethik und den Eid, den sie geleistet haben, verstoßen."

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