Doping:Hunderte Funde

Doping: Abtritt: Tennis-Ass Maria Sharapova, 28, nach der Pressekonferenz am Montag in Los Angeles, auf der sie die Meldonium-Einnahme einräumte.

Abtritt: Tennis-Ass Maria Sharapova, 28, nach der Pressekonferenz am Montag in Los Angeles, auf der sie die Meldonium-Einnahme einräumte.

(Foto: Robyn Beck/AFP)

Die Zahl russischer Athleten, die mit Meldonium erwischt wurden, steigt weiter - aber auch in Köln wurde das Mittel zuletzt in vielen Proben entdeckt.

Von Johannes Aumüller

Nahezu an jedem Tag verlängert sich die Doper-Liste, auch am Mittwoch kamen wieder zwei Namen hinzu. Beim georgischen Ringer Davit Modzmanaschwili und bei Russlands Volleyball- Nationalspieler Alexander Markin von Dynamo Moskau wurde bei Proben die Substanz Meldonium gefunden - also jenes leistungssteigernde Herzmittel, das erst seit Januar auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada steht und dessen Verwendung zuletzt schon bei diversen weiteren Sportlern wie Tennis-Star Maria Scharapowa nachgewiesen wurde.

Vor allem in Russland wissen sie, dass sie das Thema noch lange beschäftigen wird: Schon fast ein Dutzend ihrer Athleten hat es erwischt. In einer Studie des Moskauer Kontrolllabors von 2015 war zu lesen, dass das in Lettland patentierte und im Vorjahr noch nicht verbotene Mittel in 724 von 4316 Urinproben zu finden war.

Russlands Verantwortliche müssen daher zunehmend fürchten, bei den Sommerspielen in Rio mit einer überschaubaren Mannschaft anzutreten. Die Teilnahme der Leichtathleten steht wegen des großen Manipulationsnetzwerkes in Frage, auch wenn sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) zuletzt eher mild äußerte; nun geht es auch noch um diverse andere Sportarten. Vor diesem Hintergrund sind auch die jüngsten Äußerungen zu sehen. Der russische Sportminister Witali Mutko versicherte, das Medikament werde nicht an die Mannschaft ausgeteilt. Und Staatspräsident Wladimir Putin selbst ließ über seinen Sprecher erklären: "Es geht um einzelne Sportler, um einzelne Fälle."

Angesichts der Meldonium-Welle, die es in dem Land gibt, ist das eine gewagte Deutung. Doch das Mittel ist offenbar nicht nur in Osteuropa ein Thema, obwohl es in Deutschland, vielen anderen europäischen Ländern und den USA nicht als Medikament zugelassen ist. Die Wada hat mitgeteilt, dass die Substanz seit Jahresbeginn bereits in 55 Doping-Proben gefunden wurde; sie ließ offen, bei wie vielen unterschiedlichen Athleten. Neben russischen Sportlern traf es bisher auch äthiopische Leichtathleten.

Am Mittwoch bestätigte Mittelstreckenläuferin Abeba Aregawi, dass ihre Dopingprobe vom Januar Meldonium enthielt. Aregawi ist gebürtige Äthiopierin und startet für Schweden.

Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des britischen Journals Sports Medicine gab es bei den Europa-Spielen in Baku vergangenen Sommer bei 762 Proben 66 Meldonium-Fälle, darunter mehr als ein Dutzend Medaillengewinner. In 15 von 21 Sportarten sei das Mittel aufgetaucht. Aus dem vergangenen Jahr gibt es eine bemerkenswerte Studie des Kölner Kontrolllabors. Das testete 2014/15 exakt 8320 zufällig ausgewählte Proben auf Meldonium, das damals nur auf der Beobachtungsliste der Wada stand. Das Ergebnis: In 182 Proben fanden sich Meldonium-Spuren, die Quote betrug also 2,2 Prozent, was vergleichsweise viel ist. Gut die Hälfte der Fälle betraf Kraftsportler, ein Viertel den Ausdauersport.

Wenn eine Probe in Köln kontrolliert und aufbewahrt wird, heißt das nicht automatisch, dass diese von einem deutschen Sportler stammt; damit ist noch nicht einmal gesagt, dass die Kontrollen von Wettkämpfen in Deutschland stammen müssen. Aber ist es wirklich vorstellbar, dass hinter allen 182 Fällen nur Athleten stecken, die als Wohnort Moskau oder Sibirien angeben? Auch bei den zwei positiv getesteten Athleten des deutschen Ringer-Bundesligisten ASV Nendingen, wegen denen die nationale Anti-Doping-Agentur Nada vor zwei Wochen erstmals auf Grundlage des neuen Anti-Doping-Gesetzes Anzeige erstattete, ging es um Meldonium.

Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB, sagt dazu: "Natürlich kann man nie etwas hundertprozentig ausschließen, aber wir haben weder Hinweise noch die Befürchtung, dass es zu Meldonium-Funden bei deutschen Athleten kommt." Es sei "alles Menschenmögliche" getan worden, um sicherzustellen, dass weder dieses noch andere verbotene Mittel angewendet werden.

Nada-Vorstand Lars Mortsiefer teilt mit, es sei "sicher auch nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Meldonium-Fällen kommen kann". Die Nada glaubt: Spätestens die aktuelle Diskussion dürfte die Athleten sensibilisieren. Aber wenn Meldonium jetzt verschwinde, "wird das nächste Mittel gesucht, das noch nicht auf der Liste steht", fürchtet Mortsiefer.

Seit September 2015 ist bekannt, dass Meldonium verboten wird

Das genau zu prüfen, wird dann Sache der Wada sein. Unter deren Regie trifft sich dreimal jährlich die 13-köpfige "List Expert Group", zu der auch drei deutsche Wissenschaftler zählen. Die Gruppe diskutiert über neue beziehungsweise bisher nicht bekannte Substanzen; sie schaut sich Erkenntnisse aus der Forschung an, prüft Patentanmeldungen und nimmt Hinweise auf, die sie von Athleten erhält. Manche Mittel kommen direkt auf die Verbots-, andere erst mal auf die Beobachtungsliste.

So war es mit Meldonium. Dessen Verbreitung unter Sportlern wurde registriert, 2015 erhielt es Beobachtungsstatus. Nach weiteren Erkenntnissen schob es die "List Expert Group" für 2016 auf die Verbotsliste. Seit September war das bekannt. Aber weil das nicht alle Athleten und Verantwortlichen registrierten, waren die Meldonium-Fälle von Mittwoch sicher nicht die letzten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: