Doping: Fall Lance Armstrong:Die Schlinge zieht sich zu

Dass Teamkollege Tyler Hamilton in einer renommierten Sendung Lance Armstrong des Dopings bezichtigt, dürfte in den USA einen Dammbruch bewirken. Für den Radsport und Armstrong wäre ein Schuldspruch desaströs.

Thomas Kistner

Tyler Hamilton hat keinen Seifenopernkanal gewählt für seine Enthüllung. Die altehrwürdigen 60 Minutes des Nachrichtensenders CBS sind das renommierteste Magazin auf dem Gebiet, deshalb dürfte Hamiltons Zeugenbericht zu Lance Armstrongs angeblichem Blutdoping einen Dammbruch in den USA bewirken.

Bisher war allein Floyd Landis öffentlich gegen den Tour-Rekordsieger zu Felde gezogen. Jetzt belasten Armstrong schon zwei einstige Gefährten, einer war Tour-, der andere Olympia-Sieger. Weil beide ihre Aussagen auch bei Bundesermittlern und einer Grand Jury deponierten, die dem Dopingverdacht gegen den Texaner nachgehen, zieht sich die Schlinge der Justiz um Armstrong zu.

Den Eindruck verwischt auch Armstrongs jüngstes Dementi nicht. Im Gegenteil. Dass er 500 Doping-Tests schadlos überstand, wird wohl am Ende nur die miserable Qualität der vom Sport gesteuerten Betrugsfahndung entlarven.

Erwischt werden die ganz Großen ja sowieso fast nie über Tests, sondern über die Arbeit von Polizei, Steuer- oder Zollfahndern. Der Sport schnappt nur die Armen und die Dummen; ersteren mangelt es an Geld für professionelles Hormon-Tuning, letztere sind nicht auf dem neuesten Stand.

Armstrongs Verweis auf nur negative Tests ist sogar unwahr: Sechs Epo-Befunde wurden ihm testiert bei der Tour 1999, nur wurden diese, weil es damals noch keine Epo-Tests gab, erst 2005 an aufgetauten Proben ermittelt. Der Sport fand das nicht überzeugend. Den Fahndern um Spezialagent Jeff Novitzky reicht es: Sie beziehen auch die Belege von 1999 in ihr Material ein, wissenschaftlich sind sie eindeutig.

Gewiss, Hamilton ist wie Landis ein Dopingsünder. Auch hat er, wie Landis, viel gelogen, bis er seinen Betrug gestand. Daraus folgern zu wollen, dass hier zwei frustrierte Gauner Armstrong etwas andichten wollen, wäre aber schon deshalb abstrus, weil sich hochkalibrige US-Ermittler mit der Causa befassen. Mit haltlosen Vorwürfen setzt man keine Justizmaschine samt Grand Jury in Gang; schon gar nicht gegen einen Nationalhelden, der eine globale Krebsstiftung führt und mit Staatschefs von Washington bis Paris diniert.

Landis und Hamilton sind nur die bisher einzigen, die öffentlich anklagen - vor der Jury ausgesagt haben noch weitere Fahrer. Wie tragfähig die Vorwürfe aus der Szene sind, zeigt der Umstand, dass jetzt sogar in Europa ermittelt wird, es geht um delikate Geldflüsse bei Sportärzten.

Für den Radsport und den geschäftstüchtigen Armstrong wäre ein Schuldspruch desaströs. Der Texaner hat sein Imperium auf das Wertvollste und Brüchigste gebaut, was der bezahlte Sport zu bieten hat: Glaubwürdigkeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: