Doping bei Olympia:"100 schmutzige Tests" in Sotschi?

Sotschi 2014 - Langlauf - Alexander Legkow

Es war ein ausschließlich russisches Podium bei der Siegerehrung nach dem Finale im 50-Kilometer-Massenstart: Alexander Legkow gewann Gold, Silber holte Maxim Wylegschanin und Bronze Ilia Tschernoussow

(Foto: dpa)
  • Französische Staatsanwälte prüfen dubiose Zahlungen, die einen Stimmenkauf bei der Olympia-Vergabe 2020 an Tokio nahelegen.
  • Der Schaden für das Internationale Olympische Komitee ist schon jetzt groß, es droht ein Rückfall in alte Zeiten.
  • Für Aufsehen sorgt auch ein Bericht, wonach Russland bei den Winterspielen 2014 in Sotschi ein staatlich gestütztes Dopingnetzwerk installiert haben soll.

Von Thomas Kistner und Johannes Knuth

Black Tidings, das bedeutet wörtlich: schwarze Botschaften. In Hindi, der Amtssprache Indiens, steht der Begriff gar für Geldwäsche. Black Tidings heißt nun auch, so ein Zufall, jene Firma, die jahrelang ein diskretes Konto bei einer Bank in Singapur geparkt hatte. Durch diesen Kanal flossen offenbar jahrelang schwarze Geldströme hin und her. Und zwei dieser Transaktionen versetzen dem Weltsport nun den nächsten Tiefschlag.

Am Donnerstag kam aus Paris zunächst die erste Meldung, sie betraf die mächtigsten Hüter Olympias und deren größtes, wichtigstes Spielzeug - das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Olympischen Spiele: Über das Konto in Singapur könnten die Sommerpiele 2020 in Tokio gekauft worden sein. Ein zweiter Schlag aus New York erfolgte am Abend, als US-Medien Details bekannt gaben, die eine staatlich befohlene Betrugsorgie bei den Winterspielen 2014 in Sotschi nahelegen. Die Details dürften die Bemühungen des IOC zertrümmern, Russlands Leichtathleten für die Sommerspiele in Rio zu begnadigen. Derzeit sind die Sportler von allen internationalen Wettkämpfen ausgesperrt - weil Verband und Staat eine massive Kultur des Betrugs gepflegt haben sollen.

1,8 Millionen Euro auf ein dubioses Konto

Korruption und Doping - die beiden bekannten Tatbestände der Sportmanipulation also. In Paris teilte die Staatsanwaltschaft mit, man sei auf zwei Geldflüsse aus dem Jahr 2013 gestoßen: Rund 1,8 Millionen Euro, die von Japan aus auf das dubiose Konto in Singapur geflossen waren. Dies just in dem Zeitraum, als das IOC den Ausrichter für die Spiele 2020 wählte.

Offenbar kauften die späteren Sieger aus Tokio Stimmen ein - vermutlich bei Lamine Diack, damals Präsident des Leichtathletik-Weltverbands IAAF, der auch einflussreich im IOC wirkte. Jetzt durchleuchten also die Staatsanwälte Tokios Bewerbung, wegen des Verdachts auf "Bestechung, Geldwäsche, Verschleierung einer organisierten Bande und Beteiligung an einer kriminellen Verschwörung."

Ins Zentrum rückte dabei Black Tidings. Die Firma war ein wichtiges Werkzeug, mit der die alte Führung der IAAF ihren Betrug orchestrierte. Das Konto gehörte einem gewissen Ian Tan Tong Han, einem Berater aus dem Dunstkreis des japanischen Marketing-Hegemon Dentsu. Dentsu ist mit der IAAF verbandelt, und Ansprechpartner für das Ressort Marketing war dort einst Papa Massata, der Sohn des langjährigen Präsidenten. Die zwei Geldadern, auf die nun die Staatsanwälte in Paris stießen, sind brisant: eine Transaktion im Juli 2013, eine im Oktober 2013, insgesamt 1,8 Millionen Euro von einer japanischen Bank zugunsten von Black Tidings. Die Absender machten sich nicht die Mühe, ihre Absichten zu verschleiern: "Tokio 2020 Olympic Game Bid" stand in den Betreffzeilen, Olympia-Bewerbung 2020 Tokio.

Zwischen den Zahlungen, im September 2013, kürte das IOC den Ausrichter, Tokio gewann vor Madrid und Istanbul. Diack senior sitzt mittlerweile in Frankreich fest, der Filius wird von Interpol gesucht.

Große Schwierigkeiten für das IOC

Die jüngste Affäre stürzt das IOC in große Schwierigkeiten, zumal sich IOC-Präsident Thomas Bach wiederholt als Reformer gegeben hat. Währenddessen wucherte im Hintergrund offenbar ein Skandal ähnlich wie jener vor den Winterspielen 2002 in Salt Lake City, als IOC-Mitglieder vor der Kür bestochen worden waren. Ein IOC-Sprecher sagte jetzt auf Anfrage, die hauseigene Ethik-Kommission prüfe die Vorwürfe. Die Pariser Behörde teilte auf SZ-Anfrage mit, dass es seine Informationen "im Sinne der Zusammenarbeit mit allen betroffenen Ländern geteilt hat oder noch teilen wird". Ob auch das FBI eingeschaltet ist? "Wir können nichts zur Zusammenarbeit mit den US-Diensten bestätigen."

Aus New York drohte dem IOC derweil an einer anderen Front mächtig Ärger. Am Abend veröffentliche die New York Times einen Bericht, in dem sie Gregori Rodtschenkow als Kronzeugen aufbietet, den ehemaligen Leiter des Anti-Doping-Labors in Moskau sowie des Labors der Winterspiele: Der schilderte anschaulich, wie Russland in Sotschi ein staatlich gestütztes Betrugsnetz gesponnen haben soll. Rodtschenkow mischte demnach einen Dopingcocktail, den er Athleten verschrieb. Entsprechende Pläne habe ihm das Sportministerium - Mutkos Behörde - zukommen lassen, um die Dominanz russischer Athleten zu sichern.

"Bis zu 100 schmutzige Tests"

Während der Spiele sollen Anti-Doping-Experten und russische Geheimdienstagenten Proben russischer Athleten durch ein Loch in der Wand in ein Schattenlabor weitergereicht und durch saubere Proben ersetzt haben. "Bis zu 100 schmutzige Tests" wurden demnach ausgetauscht, darunter die von 15 Medaillengewinnern: "Die Menschen haben die Olympiasieger gefeiert, aber wir saßen da und haben Urinproben ausgetauscht", sagte Rodtschenkow.

Namentlich genannt wurden in dem Bericht der Doppel-Olympiasieger Alexander Subkow (Bob), Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow und Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow. Zudem sei unter anderem das gesamte Frauen-Eishockey-Team gedopt gewesen. Russlands Sportminister Witali Mutko wies die Anschuldigungen zurück und sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Tass von einer Verschwörung. "Schon wieder wird der russische Sport attackiert. Es ist so, als würden sich ausländische Medien den Staffelstab in die Hand geben", sagte Mutko.

Das IOC nannte die Vorwürfe am Donnerstag "sehr detailliert und sehr besorgniserregend". Ein Sprecher teilte dem sid mit, man bitte die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, sie "sofort zu untersuchen."

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