Doping bei Olympia:Neun Athleten, vier Pferde

Das IOC begleitet schweigend die zunehmende Zahl der Pekinger Dopingfälle, und die Weltantidopingagentur Wada fühlt sich nicht zuständig.

Jens Weinreich

Olympische Spiele sind längst nicht mehr mit dem Erlöschen der olympischen Flamme beendet. Präzise betrachtet dauern sogar die Sommerspiele 2000 von Sydney noch an: Denn noch immer steht die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) über die Neuverteilung der fünf Medaillen der Doperin Marion Jones aus, die am Freitag ihre sechsmonatige Haftstrafe wegen Meineids beendete. Das IOC hat nur noch wenige Tage Zeit für eine Entscheidung, die immer wieder hinausgezögert wurde. Offiziell endeten die Sommerspiele in Sydney am 1. Oktober 2000 - am 1. Oktober 2008 ist die Verjährungsfrist abgelaufen. Danach können die Resultate nicht mehr verändert werden.

Doping bei Olympia: Bronzewerfer, der Bronze nicht behalten darf: der testosterongedopte Weißrusse Iwan Tichon.

Bronzewerfer, der Bronze nicht behalten darf: der testosterongedopte Weißrusse Iwan Tichon.

(Foto: Foto: Getty)

"Testosteron? Das hat doch jeder"

Angeblich soll sich die IOC-Disziplinarkommission, die vom DOSB-Präsidenten Thomas Bach geleitet wird, in zwei Wochen in Lausanne treffen. Bestätigt wird das Datum von der IOC-Pressestelle nicht. Die Kommission muss sich mit drei weiteren Dopingfällen der Peking-Spiele befassen, die durch Medienberichte bekannt wurden: Gedopt waren die weißrussischen Medaillengewinner im Hammerwerfen, Wadim Dewjatowski (Silber) und der dreimalige Weltmeister Iwan Tichon (Bronze), deren Wettbewerb am 17. August stattfand. Gedopt war auch der polnische Kanute Adam Seroczynski, der im Kajak-Zweier (1000 Meter) am 22. August Vierter wurde.

Die Anzahl der Dopingfälle in Peking erhöht sich demnach auf dreizehn: neun Athleten und vier Pferde. Das IOC hat versprochen, die mehr als 5000 in Peking genommenen Proben (Urin und Blut) acht Jahre lang fachgemäß zu lagern und möglicherweise noch einmal zu überprüfen. Laut IOC-Kommunikationsdirektorin Giselle Davies sind auch alle Proben der Sommerspiele 2004 und der Winterspiele 2006 an einem geheim gehaltenen Ort eingefroren.

Wadim Dewjatwoski und dem dreimaligen Weltmeister Iwan Tichon soll Testosteron-Doping nachgewiesen worden sein. Adam Seroczynski soll sich mit Clenbuterol gedopt haben. Während das polnische NOK bestätigte, vom IOC informiert worden zu sein, behaupten die Weißrussen, sie wüssten von nichts. "Ich hatte nichts Verbotenes im Körper", sagte Dewjatowski in Minsk. "Testosteron? Das hat doch jeder." Dewjatowski, der bereits eine zweijährige Doping-Auszeit nehmen musste, droht als Wiederholungstäter eine lebenslange Sperre.

Testosteron für Hammerwurf

Die Weltantidopingagentur Wada wollte zu den Fällen bislang keine Auskunft geben. Sie verwies auf die Verantwortlichkeit des IOC. Lamine Diack, IOC-Mitglied und Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, bestätigte in Brüssel: "A- und B-Probe waren positiv." Auf Anfrage erklärte IOC-Sprecherin Emmanuelle Moreau am Wochenende, die Weißrussen seien über die Testergebnisse informiert worden. Auf die Fragen, warum es zwei Wochen gedauert hat, bis die Fälle bekannt wurden und warum das IOC keine näheren Informationen dazu gibt, mochte Frau Moreau nicht antworten. Sie verwies auf das "schwebende Verfahren".

Normalerweise dauerte es in Peking drei bis maximal fünf Tage mit der Analyse und dem Schiedsspruch des IOC. So hatte etwa die ukrainische Siebenkämpferin Ludmilla Blonska ihren Wettbewerb am 16. August - am 20. August war sie die Silbermedaille los. Hammerwerfen war am 17. August, Dewjatowski gab an, danach noch vier Tage in Peking gewesen zu sein. Bei Testosteron-Doping ist der Nachweis zeitaufwändiger, weil nach dem normalen Screening im Labor, das nach 48 Stunden beendet sein sollte, zwei Tests mit dem Massenspektrometer ablaufen müssen, um die Zufuhr von körperfremdem Testosteron zu beweisen. Dieser Prozess könnte sechs Tage in Anspruch genommen haben, was erklärt, warum der Fall nicht noch in Peking publik wurde. Die Informationsblockade des IOC erklärt das allerdings nicht.

Der weißrussische Sport ist traditionell ein Dorado der Doper. Weißrussische Leichtathleten und Gewichtheber, wie einst der zweimalige Olympiasieger Alexander Kurlowitsch, werden regelmäßig bei internationalen Höhepunkten erwischt. Im Lande aber sind sie geschützt, obwohl in Minsk seit März 2007 das osteuropäische Regionalbüro der Wada existiert, in dem die Kontrollen für zwölf Länder - von Serbien bis Russland - koordiniert werden. Dieses Wada-Büro wird von Weißrusslands Regierung und dem weißrussischen NOK gesponsert. Fragen nach Unabhängigkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit dieses Büros verbieten sich. Denn als Staatspräsident, NOK-Präsident und somit einziger Sponsor der Wada-Aktivitäten in dieser Region agiert dieselbe Person: Alexander Lukaschenko, einer der letzten Diktatoren Europas.

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