Doping:Angriff in der Grauzone

Hacker dringen in die Datenbank der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ein und veröffentlichen Unterlagen von amerikanischen Athleten. Die Papiere beweisen zwar kein Doping, weisen aber auf deutliche Lücken im Reglement hin.

Von Johannes Knuth

Seid gegrüßt, Erdbewohner, so stellte sich eine Gruppe namens "Fancy Bear" am Dienstag der Weltöffentlichkeit vor. Man sei eine internationale Vereinigung von Hackern. Außerdem stehe man für Fair Play und sauberen Sport. Diese Kompetenzen habe man genutzt, um die Datenbank der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) mal etwas genauer zu "studieren". Dabei sei man auf "sensationelle Belege" für die "dreckigen Methoden" der USA gestoßen, der erfolgreichsten Nation bei den Sommerspielen von Rio de Janeiro.

Der Angriff wirft auch Fragen zu Anti-Doping-Regeln auf

Am Dienstag stellte die digitale Piratenbande die beworbenen Dokumente dann im Internet aus. Recht bald wurde klar: Die Papiere waren echt; die Wada bestätigte, dass man beraubt worden sei, die Spur führe zu russischen Hackern. Allerdings enthielten die illegal erworbenen Funde wenig Sensationelles. Sie zeigten medizinische Ausnahmegenehmigungen von amerikanischen Athleten, von Simone Biles, der viermaligen Turn-Olympiasiegerin von Rio, den Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams sowie Basketballerin Elena Delle Donne. Die Genehmigungen erlauben ihnen, Medikamente zu nehmen, die auch leistungsfördernde Substanzen enthalten. Mit den Methoden der Hacker werde der Ruf von sauberen Athleten befleckt, teilte das Internationale Olympische Komitee empört mit. Die genannten Athleten hätten "bei den Olympischen Spielen kein Dopingvergehen begangen".

Das trifft nach Lage der Dinge zu. Sportler dürfen Medikamente mit verbannten Substanzen nehmen, solange sie nachweislich krank sind und eine Genehmigung mit sich führen, eine "Therapeutic Use Exemption", kurz: TUE. Die besaßen die Sportler offenkundig. Sie leide seit Kindheitstagen an einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, teilte Biles mit, sie habe "immer die Regeln befolgt". Williams und Delle Donne ließen ähnliche Statements verbreiten.

Und die Regeln selbst?

TUEs gelten seit Langem als Grauzone, als Bypass für Athleten, die über angebliche Krankheiten Zugang zu leistungsfördernden Mitteln erhalten. Mittlerweile sind diverse Fälle aktenkündig, bei denen sich Athleten TUEs mithilfe gefälschter Atteste erschlichen. Fakt ist, dass immer mehr Sportler Ausnahmen erstehen. 2013 waren 636 TUEs bei der Wada registriert, 2014 schon 897, 2015 bereits 1330, wie die Agentur zuletzt mitteilte. Werden Spitzensportler immer kränker? "Wenn ein Hochleistungsathlet liest, was er alles nehmen darf, wenn er einen Arzt findet, der ihm die Ausnahmegenehmigung erteilt - dann ist es für mich logisch und konsequent, dass er das auch versucht", sagte Anti-Doping-Experte Perikles Simon dem Tagesspiegel. "Es darf im Elitesport überhaupt keine Ausnahmegenehmigungen geben, weil sie den Wettbewerb verzerren. Wenn einer krank ist, dann kann er eben nicht im Hochleistungssport starten."

Die Motive der Hacker sind noch unklar. Hinter "Fancy Bear" könnte laut Branchenkennern eine russische Gruppe stecken, die vor zwei Jahren auch einen Angriff auf den Bundestag orchestriert haben soll. Mehrere Wada-Kommissionen hatten im vergangenen Jahr Staatsdoping in Russlands Sport diagnostiziert, die russischen Leichtathleten wurden kollektiv von Olympia ausgeschlossen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Mittwoch: "Wir können ohne Zögern eine Beteiligung der russischen Regierung oder eines russischen Geheimdienstes ausschließen." So oder so: "Fancy Bear" hat bereits neue Enthüllungen versprochen.

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