Doping-Affäre Pechstein:DESG attackiert Weltverband

Claudia Pechstein schweigt - doch die deutschen Eisschnelllauf-Funktionäre greifen den Weltverband scharf an. Es gebe Verfahrensfehler, Versäumnisse und Fehler in der Informationspolitik.

Die wegen angeblichen Blutdopings gesperrte Claudia Pechstein schweigt vorerst, aber die deutschen Eisschnelllauf-Funktionäre setzen ihre Verbalattacken gegen den Weltverband ISU in unverminderte Schärfe fort. Bei ihrem Versuch einer "sauberen Aufarbeitung und transparenten Aufklärung" der Doping-Affäre um die fünfmalige Olympiasiegerin warf die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) vor Journalisten in München der ISU Verfahrensfehler, Versäumnisse und Fehler in der Informationspolitik vor.

Doping-Affäre Pechstein: DESG-Präsident Gerd Heinze betonte, dass der Verband trotz seiner neutralen Rolle voll hinter Claudia Pechstein stehe.

DESG-Präsident Gerd Heinze betonte, dass der Verband trotz seiner neutralen Rolle voll hinter Claudia Pechstein stehe.

(Foto: Foto: ddp)

"Wir suchen nicht das Haar in der Suppe, aber die ISU ist ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen", sagte DESG-Anwalt Marius Breucker. "Der Indizienbeweis, den sie führt, ist legitim, aber dann muss sie alle anderen möglichen Ursachen für die erhöhten Blutwerte ausschließen." Beim Test während der Mehrkampf-Weltmeisterschaft am 7. und 8. Februar im norwegischen Hamar waren bei Claudia Pechstein erhöhte Retikulozyten-Werte (junge rote Blutkörperchen) festgestellt worden.

Nach der Anhörung Ende Juni in Bern wurde sie von der ISU für zwei Jahre gesperrt. DESG-Präsident Gerd Heinze betonte noch einmal, dass der Verband trotz seiner neutralen Rolle voll hinter der 37-jährigen Berlinerin stehe: "Solange sie nicht überführt ist, gilt die Unschuldsvermutung." Wie Pechstein wird auch die DESG Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof CAS einlegen, bekräftigte Breucker.

Der Anwalt warf dem Weltverband vor, er habe seine eigenen Verfahrenvorschriften nicht angewandt und es vor der Anklageerhebung versäumt, nach "Reserveursachen", etwa einer Erbkrankheit oder vorherigen Infektionen, für die erhöhten Blutwerte zu suchen. "Zudem steht in den Statuten der ISU, dass ein erhöhter Wert nicht einmal zu einer Schutzsperre berechtigt", erklärte der Stuttgarter Jurist.

Er kritisierte weiter, dass die ISU eine von Claudia Pechstein akzeptierte Nachuntersuchung ohne Begründung abgelehnt habe. Die Athletin sei schon aus eigenem Interesse zu einer langwierigen Diagnostik bereit gewesen, sagte Breucker und stellte fest: "Die Beweislast liegt allein beim Weltverband."

Bevor der CAS frühestens im Herbst ein Urteil fällt, hofft die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nachhaltig unterstützte DESG auf weitere Aufklärung durch Experten und Wissenschaftler. Von eigenen Fehlern oder Versäumnisse, auch von Seiten Pechsteins, war keine Rede. "Unser Anti-Doping-Kampf ist kein Kuhhandel", versicherte Heinze. Er habe vier Wochen vor der Anhörung Ende Juni in Bern per Telefon von Gerhardt Bubnik, dem Vorsitzenden der ISU- Rechtskommission das Angebot erhalten: Das Verfahren wird niedergeworfen, wenn Pechstein ihre Karriere beendet.

Heinze lehnte ab: "Ich war entsetzt. Eine Frechheit, mir so etwas anzubieten." Der erste angebliche Deal hatte in der Nacht zum 8. Februar in Hamar stattgefunden. ISU-Arzt Harm Kuipers habe ihm per Telefonat die erhöhten Blutwerte von Pechstein mitgeteilt, berichte Eisschnelllauf-Teamchef Helge Jasch, "damals sind wir nicht von einem Dopingfall ausgegangen." Pechstein täuschte damals auf ISU-Anraten eine Krankheit vor. Man habe damals die ganze Tragweite des Falles nicht erkannt, gestand Heinze.

Er stellte den ISU-Sprecher Jan Dijkema an den Pranger, der den niederländischen NOS-Sender informiert hätte, "obwohl es keine wissenschaftlich abgesicherten Beweise gab." Die DESG und auch die Sportlerin werden sich dem CAS-Urteil stellen, erklärte Heinze, "und Claudia ist sich bewusst, dass sie eventuelle Sanktionen in aller Härte über sich ergehen lassen muss."

Die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin beendete nach einem tagelangen Interview-Marathon am Donnerstag fürs Erste die Öffentlichkeitsarbeit. "Im Moment ist von Claudias Seite alles gesagt, was zu diesem Zeitpunkt gesagt werden musste", begründete ihr Manager Ralf Grengel den Informations-Stopp auf dpa-Anfrage. Zuletzt hatte sein Schützling auf der Homepage in kompakter Form Unzulänglichkeiten aufgelistet, die sie im Richterspruch der Disziplinarkommission vermisste.

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