Doping-Affäre in Österreich:Eine vielsagende Beichte

Die Bekenntnisse der Triathletin Lisa Hütthaler beleuchten das weitgeknüpfte Doping-Netz in Österreich. Ihre Anschuldigungen richten sich vor allem gegen den Sportmanager Stefan Matschiner.

Thomas Kistner

Das weitreichende Geständnis der Triathletin Lisa Hütthaler im Wiener Kurier verschafft der seit 2006 schwelenden österreichischen Doping- affäre die lange angekündigte Dimension. Hütthaler hat Stefan Matschiner schwer belastet, den früheren Manager des wegen Blutdopings bei der Tour 2008 gesperrten Gerolsteiner-Radprofi Bernhard Kohl; Matschiner ist auch ein enger Gefährte des seit Sonntag in Österreich inhaftierten Skicoachs Walter Mayer.

Doping-Affäre in Österreich: Sportmanager Stefan Matschiner wurde von der Triathletin Lisa Hütthaler beschuldigt, Epo verkauft zu haben.

Sportmanager Stefan Matschiner wurde von der Triathletin Lisa Hütthaler beschuldigt, Epo verkauft zu haben.

(Foto: Foto: Diener)

Von Matschiner sowie einem Wiener Kinderarzt, der von seiner Klinik suspendiert ist, will Hütthaler das Blutdopingmittel Epo bezogen haben. Beide wurden schon in anderen Fällen massiv beschuldigt, seit Monaten weisen sie alle Dopingvorwürfe zurück. Matschiner, sagte die Triathletin jetzt, habe sogar ihr Blut ausgetauscht.

Matschiner steht seit dem Fall Kohl im Zentrum internationaler Verdächtigungen. Doch ins Visier heimischer Dopingermittler geriet er schon 2006, als er mit Freund Walter Mayer als dessen "Gast" bei den Winterspielen in Turin unterwegs war. Die Anwesenheit Mayers, der vom IOC ausgesperrt worden war, löste damals eine Razzia aus. Mayer floh Hals über Kopf und baute einen Unfall in Kärnten.

Im österreichischen Quartier fand die Polizei Dopingmaterialen; darunter Blutbeutel, die sich der Wiener Blutbank Humanplasma zuordnen ließen. Ermittlungen in Österreich kamen in Gang, nachdem die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada Anfragen zur Existenz eines internationalen Dopingnetzwerkes rund um das Blutinstitut gestellt hatte.

Mayer, bestens vernetzte Schlüsselfigur in der Affäre, soll beim Untersuchungsausschuss des nationalen Skiverbands ÖSV brisante Aussagen gemacht haben, 2007 verstummte der Kronzeuge. Der Kärtner Richter und ÖSV-Chefermittler Riebenbauer sagte den Medien, Mayer habe ihm "zu verstehen gegeben, dass ihm jemand Geld gab, damit er nichts sagt und die Klage zurückzieht".

Dass Mayer Geld kassiert hat, belegt ein Vertrag, in dem sich ein Olympia-Lobbyist für 290.000 Euro die Veröffentlichungsrechte an seiner Geschichte sicherte. Publiziert wurde aber nie etwas. Vor Wochen sagte der Lobbyist auf SZ-Anfrage, er habe sein Geld bei Mayer zur Rückzahlung eingeklagt. Profitiert von dem Deal Anfang 2007 hatte die Salzburger Bewerbung um die Winterspiele 2014, für die der Lobbyist ebenfalls tätig war. Im Vertrag wurde Exklusivität vereinbart, Mayer sollte nichts mehr erzählen.

Tage danach zog Mayer auch eine Verleumdungsklage zurück, die er gegen IOC-Präsident Rogge und Wada-Chef Pound angestrengt hatte. Zu der Zeit steckte die Salzburger Bewerbung 2014 im Endspurt. Sportfunktionär Heinz Jungwirth, Aufsichtsrat der Bewerber-GmbH, sagte laut Kurier im Herbst 2008, Mayers Klage gegen die IOC-Topleute habe Salzburgs Bewerbung in "große Gefahr" gebracht. Neben den sportpolitischen Fragen des Deals werfen österreichische Medien auch spannende Fragen zur Herkunft der Gelder an Mayer auf.

Im Dunstkreis von Dopingaffären

Vor diesem Hintergrund wurde in Wien die Causa Humanplasma ohne Elan verfolgt. Dort soll rund 100 in- und ausländischen Athleten aus Leichtathletik, Ski- und Radsport Blut entnommen worden sein, das in einem Spital angereichert und später zurückgeführt wurde. Am Dienstag verkündete die Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen zwei Ärzte sei eingestellt. Laut Amtssprecher Jarosch war zu berücksichtigen, dass ja niemand rückwirkend nach dem erst im Sommer 2008 in Kraft getretenen Anti-Dopinggesetz belangt werden konnte.

Die Einstellung besagt nichts zur Frage, ob in dem Institut weitreichende Dopingaktivitäten bis 2006 stattgefunden hatten. Nach Vermutung der Ermittler, einer fünfköpfigen Sonderkommission des Wiener Bundeskriminalamts, dürfte die formal beendete Humanplasma-Affäre in den neuen Verdachtsmomenten fortleben, die am Sonntag zur Inhaftierung von Walter Mayer führten.

Der war von zwei festgenommenen Zeugen, einem Apotheker und einem Radfahrer, belastet worden. In der U-Haft wollen die Ermittler den sturen Schweiger knacken, Mayer gilt als Schlüsselfigur eines nur in den Versorgungswegen veränderten Betrugsnetzwerkes. Insofern kommt ihnen die Hütthaler-Beichte ungelegen.

Denn mit Mayer-Freund Matschiner bringt Hütthaler eine Person ins Rampenlicht, für die sich die Behörden seit längerem interessieren. Matschiner weilt derzeit in Florida, wie er auf SZ-Anfrage am Freitag sagte. Er wolle am Dienstag nach Österreich zurückkehren. Der Sportmanager aus Laakirchen bewegt sich seit Jahren im Dunstkreis von Dopingaffären, beteuerte aber auch am Freitag, von "dem ganzen Thema" nichts zu wissen - von Freund Mayers Umtrieben über die des Schützlings Kohl bis zu den Vorwürfen der angeblichen Klientin Hütthaler.

Matschiners Partner in einer gemeinsamen Agentur bis 2004 war bereits 2001 wegen Anabolika-Handels zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Im Sommer 2008 wurde einem Klienten Matschiners, Hollands Hindernis-Rekordler Simon Vroemen, ein anaboles Steroid nachgewiesen. Wenig später flog auch Edelklient Kohl auf, der bei der Tour 2008 die Bergwertung gewonnen hatte.

Für Wirbel sorgt die Entwicklung auch wieder im Wintersportlager. Internationale Langläufer und Biathleten hatten schon im Winter 2008 mit der Humanplasma-Affäre zu ringen, Kenntnisse wurde von allen Seiten bestritten. Nun taucht neben Mayer auch Matschiner wieder auf, den BKA-Chef Helmut Greiner damals im Visier hat: Es habe bei den "Ermittlungen um Humanplasma eine Einvernahme Matschiners" gegeben.

Der bestreitet auch das, und gegen Hütthaler will er juristisch vorgehen. Da wartet viel Arbeit, die Vorwürfe, die der Kurier im Beisein eines Anwalts der Athletin auf Band festhielt, seien nur die Spitze des Eisberges, heißt es. Und neben dem Duo Mayer/Matschiner ("Über Doping haben wir zwei nie geredet") sei noch eine dritte Person im Visier, mit besten USA-Verbindungen.

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