Diskussion um Fans und Sicherheit:Samstags ohne Angst ins Stadion

Fußball-Fans

Fans im Dortmunder Stadion.

(Foto: dpa)

Bei einem Treffen in Nürnberg kritisieren Vertreter von Fans, Klubs und DFL die Drohgebärden von Polizei und Politik. Doch nicht nur die Strategien der Beamten werden infrage gestellt. Auch die Ultra-Verbände sollen sich ehrlich am Dialog beteiligen.

Von Christoph Ruf, Nürnberg

Gerade einmal eine Viertelstunde war vergangen, als FCN-Manager Martin Bader einen Satz sagte, der im vollbesetzten Nürnberger "Presseclub" denkbar gut ankam: Es gebe einzelne besorgniserregende Vorfälle, aber "keine signifikante Zunahme der Gewalt in den Stadien". Dass der gegenteilige Eindruck entstanden sei, liege nicht zuletzt an der Arbeitsweise der Medien. Die seien schnell zur Stelle, wenn irgendwo rassistische Slogans skandiert würden. Als die Nürnberger Ultras aber eine riesige Choreographie zum Gedenken an den von den Nazis vertriebenen Club-Trainer Jenö Konrad gezeigt hätten, habe das kaum Widerhall gefunden. Die Debatte um die Stadion-Sicherheit habe alles überlagert. "Wir als Vereine sind zu einer Debatte gezwungen worden, deren Berechtigung die Zahlen nicht hergibt."

Die rührige "Akademie für Fußballkultur" hatte Vertreter von Wissenschaft, Fangruppierungen, Vereinen und Verbänden eingeladen, um den Themenkomplex "Fans und Sicherheit" abzuarbeiten. Erstmals nahm auch Andreas Rettig an einer solchen öffentlichen Veranstaltung teil. Und der neue DFL-Geschäftsführer nickte häufig. Eilfertig, als Antje Hagel vom Offenbacher Fanprojekt anmahnte, viele Vereine hätten ihre Fans in der Vergangenheit oft ausschließlich als Problem gesehen.

Fast unmerklich, als Fanforscher Gunter Pilz den Druck der Politik geißelte, der wohl schon nach dem nächsten Vorfall wieder virulent werde: "Wir haben Innenminister, die nur darauf warten, dass das Ding nicht läuft." Das glaubt auch BVB-Fan Stefan Schwaneck, dessen Initiative "Ich fühl' mich sicher" über 75 000 Fußballfans zum Bekenntnis bewegt hat, dass auch sie samstags "keine Angst" hätten. Eine Aussage, die auch Andreas Rettig "sofort unterschrieben" hätte, wie er jüngst in einem Interview betonte.

Rettig selbst schlug auch explizit Töne an, die viele Fans bislang aus Frankfurt vermisst hatten. In der Diskussion um Pyrotechnik hätten sich auch die Verbände nicht klug angestellt. Auch hier brandete wieder Applaus auf: Was nicht verwunderlich war, schließlich betonten nicht nur die Fans immer wieder, dass die eigentlichen Konfliktlinien zwischen Fans und Polizei verliefen - nicht innerhalb des Fußballs.

Bereitschaft zur Selbstkritik

Insofern passte die friedliche, aber dennoch kurzweilige Diskussion allerdings bestens in die Zeit. Nachdem sich in den vergangenen Monaten alle Akteure so vehement befehdet hatten, bis gegen Ende des Jahres keiner mehr so recht zu wissen schien, worum es ursprünglich überhaupt gegangen war, werden derzeit wieder Brücken gebaut. Zwischen den Verbänden und den Fans. Und zwischen den Klubs und den Fans am Ort.

Dass beide Seiten im monatelang befehdeten Sicherheitspapier zu einem regelmäßigen Dialog verpflichtet wurden, gehört schließlich zu den positiven Aspekten eines Sicherheitskonzepts, das - hier hielt sich Rettig verständlicherweise zurück - nach einhelliger Meinung inhaltlich ebenso harmlos wie unnütz ist, aber als willfähriges Einknicken vor wahlkämpfenden Innenpolitikern wie Uwe Schünemann (Niedersachsen) und anderen Interessengruppen interpretiert wurde. "Warum", fragte Antje Hagel, "reagieren solch mächtige Verbände wie DFL und DFB so bereitwillig auf die Polizeigewerkschaften und deren unglaubliche Drohungen?" Eine rhetorische Frage, die im Applaus unterging.

Pilz merkte an, die Bereitschaft zur Selbstkritik werde meist nur von den Fans gefordert: "Man muss auch Polizeistrategien hinterfragen, ob sie nicht mehr Probleme schaffen, als sie verhindern." In Hannover habe man gute Erfahrungen mit deeskalierendem Vorgehen gemacht. Die Beamten halten sich im Hintergrund, sind aber sofort zur Stelle, wenn Gefahr im Verzug sei. Damit habe man die Lage entspannt.

Pilz war es aber auch, der der Ultra-Szene kritische Bemerkungen ins Stammbuch schrieb. Sie, die sich wortreich von der "Eventisierung" des Fußballs abgrenze, sei in Wahrheit Teil dieser Inszenierung. Das angebliche Anfeuern der Mannschaft sei in Wahrheit längst losgelöst vom Spielgeschehen, "man feiert sich offenbar lieber selber". Und auch mit dem eingeforderten Dialog sei das so eine Sache, hat der Wissenschaftler erkannt. Zwar sei in den vergangenen Jahren eine "kluge" und "mündige" Fangeneration herangewachsen. Die Bedeutung des Wortes "Dialog" sei aber vielen nicht geläufig: "Viele Fans halten den für eine Einbahnstraße. Wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden, ist alles scheiße."

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