Diskussion über Gewalt im Fußball:Debatte ohne Annäherung

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann verteidigt auf einer Podiumsdiskussion Ganzkörperkontrollen in Fußballstadien wie zuletzt beim FC Bayern - und macht auch sonst keinen Schritt auf die Fans zu. Ein Fanbetreuer aus Fürth hält dagegen, zusammen finden die Parteien am Ende nicht - auch weil eine Stimme fehlt.

Ingrid Fuchs

Bayern München - Eintracht Frankfurt

In eigens aufgestellten Zelten hat die Polizei am vergangenen Samstag vor dem Gästeblock der Allianz-Arena in München Kontrollen bei den Eintracht-Fans durchgeführt - und damit eine Debatte ausgelöst.

(Foto: dpa)

Die Frage nach der Pyrotechnik war schnell abgehakt. Die gefährlichen Feuerwerkskörper will niemand in einem Fußballstadion haben, weder der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), noch Dieter Schneider, Präsident des Zweitligisten 1860 München. Auch die beiden Fan-Vertreter nicht, die am Dienstagabend an der Diskussionsrunde im SZ-Verlagsgebäude über Gewalt im Fußball teilnahmen. Trotzdem warnte der frühere Radiomoderator Günther Koch vor dem Sicherheitskonzept der DFL: "Wir sind auch gegen Pyrotechnik, keine Frage. Aber wenn wir Fans auf einmal wahllos kontrollieren und ihnen etwas unterstellen, davon bin ich dann doch sehr überrascht."

Seit gut einem Jahr sitzt Koch mittlerweile im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg, seit vielen Jahren ist er selbst leidenschaftlicher Fußballfan. Seine Kritik richtet sich gegen die Durchsuchungen der Eintracht-Frankfurt-Fans vor dem Spiel gegen den FC Bayern am vergangenen Samstag - und gegen den Innenminister als obersten Chef der bayerischen Polizei. "Wenn in einem Stadion von Tausenden von Leuten ein paar Messer gefunden werden, finde ich das nicht so dramatisch. Mich würde eher interessieren: Was wurde in den Zelten gefunden?"

Herrmann verteidigt Abtasten bei Frankfurt-Fans

Mit lauten Rufen wird diese Frage prompt aus dem Publikum beantwortet: "Nichts." Waren die Maßnahmen vor der Allianz-Arena dann zweckmäßig und kann man sie rechtfertigen? Herrmann antwortete mit einem entschiedenen Ja. "Es sind ein paar Dutzend Leute abgetastet worden, nicht mehr und nicht weniger", sagte der Politiker, "wir halten das für richtig." Für die Sicherheit in Fußballstadien sei der jeweilige Verein zuständig.

Klubs wie der FC Bayern wären laut Herrmann mühelos dazu in der Lage, mehr Geld in präventive Fanarbeit zu investieren, denn weitere Steuergelder sollten dafür nicht verwendet werden. Stattdessen forderte der Minister dazu auf, verstärkt auch Einnahmen etwa aus Fernsehgeldern zu investieren.

Der Fan als unbekanntes Wesen

Widerspruch legte Löwen-Präsident Dieter Schneider ein, die finanzielle Verantwortung für Fanprojekte dürfe nicht hin und her geschoben werden. "Natürlich wird man am Schluss darüber sprechen müssen, wer welche Lasten trägt", sagte Schneider. Das dürfe aber kein Argument für oder gegen ein Projekt sein. Absolute Sicherheit im Stadion könne aber durch keine der Maßnahmen garantiert werden. Auch strikte Kontrollen, Stehplatzverbote - die der Minister nach eigener Aussage übrigens auch überhaupt nicht befürwortet - oder die Erhöhung des Sicherheitspersonals könnten nicht verhindern, dass einzelne gewaltbereite Fans Unruhe stiften.

FSV Frankfurt 1899 - TSV 1860 Muenchen

Löwen-Präsident Dieter Schneider bemängelt den Umgang vieler Sicherheitskräfte mit den Fans. Er selbst schaut bei fast jedem Spiel auch in den Fankurven vorbei.

(Foto: dapd)

Wie viel Sport und Politik in der Debatte über Fangewalt eigentlich nachzuholen haben, wurde an diesem Abend sehr deutlich. Denn noch immer scheint nicht einmal klar zu sein, über wen man eigentlich diskutiert; noch immer ist der Fan ein unbekanntes Wesen.

Dem konnte Nicolas Heckel, seit 2008 hauptamtlicher Fanbetreuer bei der SpVgg Greuther Fürth, zumindest ein klein wenig entgegensteuern. Er erzählte von den Kontakten, die er zu allen Fans, auch den Ultras, pflegt. "99,9% der Fans erreiche ich. Wir hatten in den ersten Heimspielen 106.000 Zuschauer und dabei 37 Anzeigen, drei gingen gegen Fürther. Ich kann dabei schon fast gar nicht mehr von Gewalt in Stadien reden. Bei jeder Dorfkirchweih gibt es mehr Verletzte."

Seine Kritik richtete sich vor allem gegen die aufgebauschte Berichterstattung über die Vorfälle und den Umgang des Sicherheitspersonals mit den Fans. Stadionverbote, wie sie Minister Herrmann für auffällig gewordene Fußballfans verlangt, lehnt Heckel strikt ab. "Auch Stehplatzverbote und die Personalisierung der Tickets bringen nichts, das ist reiner Populismus."

Es wurde viel von Verboten geredet an diesem Abend und von mangelndem Verständnis. Antworten darauf, wie die Gewalt in Fußballstadien einzudämmen sei, gab es nicht. Selbst die Frage, was denn geschehen werde, wenn sich die Fußballklubs mit der DFL am 12. Dezember nicht auf ein Sicherheitskonzept einigen können, ließ Herrmann offen und wies die Verantwortung den Vereinen zu. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, nicht mehr über, sondern mit den Fans zu sprechen. Das funktioniert aber nicht bei Podiumsdiskussionen.

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