Diego Maradona:Die Hand Gottes in Gottes Hand

In äußerst kritischem Zustand wird Diego Maradona in Buenos Aires auf der Intensivstation behandelt. Der 43-jährige hat ein Herz wie ein alter Mann, er leidet unter extremem Bluthochdruck, und niemand weiß, wie lange das sein Kreislauf noch mitmacht.

Von Peter Burghardt

Madrid - Sein Leben wird in Buenos Aires seit Monaten bereits als Musical aufgeführt. "Die Nummer zehn zwischen Himmel und Hölle" heißt das Werk, und es ist wie ein trauriger Abgesang auf den besten Fußballspieler der Geschichte.

Der echte Diego Armando Maradona saß am Sonntag in seiner Loge im Stadion Bonbonera und sah zu, wie sein Lieblingsklub Boca Juniors 2:0 gegen Nueva Chicago gewann. Er wirkte stiller als sonst und sehr ungesund. Der Körper ist wieder massig geworden, das Gesicht aufgedunsen, abends teilte Maradona seinem Leibarzt Alfredo Cahe mit, er fühle sich schlecht, bekäme kaum Luft.

Cahe brachte ihn in die Klinik Suizo Argentina, wo er nun mit schweren Herzproblemen auf der Intensivstation liegt. Wieder einmal steht zu befürchten, dass sein episches Stück mit einer Tragödie endet.

Die Mediziner sagen, es sei ernst. Sein Zustand sei kritisch, die ersten 24 bis 48 Stunden seien entscheidend. Maradona, 43 Jahre jung, hat ein Herz wie ein alter Mann, er leidet unter extremem Bluthochdruck, und niemand weiß, wie lange das sein Kreislauf noch mitmacht. Der bedeutendste Patient Argentiniens wird vorläufig künstlich beatmet und ruhig gestellt, seine frühere Frau Claudia und seine beiden Töchter Dalma und Giannina eilten sofort ans Bett, später kamen auch Vater und Bruder.

Draußen versammelten sich derweil Anhänger, Freunde und Reporter. Die Nation fragt sich, wie es abermals so weit kommen konnte. Jeder wusste, dass der Dribbelkönig von einst einem frühem Tod entgegen wankte. Im Januar 2000 landete Maradona nach einer Überdosis Kokain in Uruguays Badeort Punta del Este schon einmal in der Notaufnahme, spätestens seitdem gilt er als drogensüchtig, fett und krank.

Selbst das Bekenntnis, "ich will diese Welt nicht verlassen", ging ihm damals nur noch undeutlich über die Lippen.

Im Juli 2000 flog er nach Kuba zu seinem Freund Fidel Castro, von Koks und Arzneien aufgeschwemmt, die Haare psychedelisch orange gefärbt, ein Tattoo von Che Guevara auf dem Oberarm. Castro bot ihm im Spezialkrankenhaus La Pradera eine Entziehungskur, bei der er anfangs tatsächlich ein paar Kilo abnahm und zu genesen schien; sein kolumbianischer Ernährungsberater wurde unterdessen in Cali beim Kokainschmuggel verhaftet.

Dem Staatsgast Maradona gefiel es so gut, dass er sich dauerhaft auf der Insel einrichtete. Zwischendurch überstand er in Havanna einen Unfall mit seinem Geländewagen und begegnete während eines Ausflugs nach Rom auf dem Golfplatz einem unehelichen Sohn. Den 18-jährigen Jungen hatte der Papa erst für einen Autogrammjäger gehalten.

"Vergleichsweise fidel"

Als Maradona vor drei Wochen bis auf weiteres ins sein geliebtes Buenos Aires heimkehrte, um die Familie zu treffen und Termine zu erledigen, da hielten ihn Viele trotz stattlichen Übergewichts und weiterer Übel zunächst für vergleichsweise fidel.

Der Volksheld wohnte Argentiniens 1:0-Sieg gegen Ecuador bei, traf den früheren Nationaltrainer Carlos Bilardo, besuchte Rosario, spielte Golf und im Überschwang einmal Fußball. Er versprach in einer Fernsehshow dem Vater eines ermordeten Kindes Hilfe und weinte gerührt über die Gegenwart seiner Töchter.

Außerdem erläuterte Maradona mehrfach die Trennung von seinem Manager Guillermo Coppola, der nur darauf warte, dass er sterbe, "um meine Verträge zu kassieren". - "Ich habe die Sünde begangen, sein Freund zu sein, und er hat mich verraten." Dabei sind Scheidung und Kinder teuer genug. Auch sein Mediziner Cahe wunderte sich über den plötzlichen Einbruch.

"Einige Dinge sind außerhalb des Normalen"

Eine weitere Überdosis, vermuten Journalisten. Cahe bestreitet das, gab aber zu, "einige Dinge sind außerhalb des Normalen", Diegos Befinden sei "delikat". Der Herzmuskel ist vom Leistungssport, den Drogen, dem Alkohol und den Medikamenten sowie dem unregelmäßigen Blutdruck offenbar erheblich geschädigt.

Kokain verursache "sehr starke Schäden an den Gefäßen", zitiert die Zeitung La Nacion einen Experten. Die Pumpleistung sei unzureichend, es komme zu einer starken Vergrößerung des Herzens. Der Missbrauch reicht weit zurück - während seiner Profizeit pinkelten beim Dopingtest zuweilen andere für ihn in die Flasche, einmal wurde er dennoch erwischt.

Ach, der Ruhm und seine Folgen waren zu viel für den Genius. Ohne Ball am Fuß oder notfalls an der Hand ("die Hand Gottes" nannte er das nach seinem legendären WM-Tor gegen England) kam der Weltmeister aus dem Tritt. Aber seine Gemeinde bleibt ihm treu.

Buenos Aires huldigte dem Ehrenbürger mit einer Maradona-Wanderausstellung, Titel M10. Und es gibt eine Maradona-Kirche, die Iglesia Maradoniana, ihre Jünger führen den Kalender nach dem Geburtstag ihres Heilands, wir schreiben also das Jahr 44 nach Diego. "Liebe den Fußball über alles", heißt eines ihrer zehn Gebote, und aus dem Vaterunser wurde das Diegounser. Wer gläubig ist, der glaubt, die Hand Gottes befindet sich jetzt in Gottes Hand. In dem Musical wird Maradona übrigens 80 Jahre alt.

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