Die zweite Reihe des FC Bayern:Dankbar für jede Minute

Beim 6:0 im Pokal gegen Ingolstadt setzt der Münchner Trainer Jupp Heynckes seine junge Reserve ein. Der Japaner Usami schießt sein erstes Tor, Stürmer Petersen fühlt sich gebraucht und David Alaba zeigt, welch bemerkenswertes Talent er hat. Doch für den FC Bayern ist das Wichtigste: Der Verein hat mit den Ersatzleuten keinen Ärger mehr.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Einem David Alaba kann niemand böse sein. Der 19-Jährige aus Wien mit seinem breiten Lächeln und den kugelrunden Augen wirkt immer noch unbeschwert wie ein Grundschüler, dessen größter Verdruss es ist, wenn er nach dem Mittagessen noch die Mathe-Hausaufgaben lösen muss, bevor er zu den Kumpels auf den Bolzplatz darf. Selbst wenn der Euro untergehen würde und die Menschen um ihn herum die Banken stürmen sollten, hält David Alaba sicher irgendwo den Ball in der Luft und lächelt dabei.

Am Mittwochabend baten ihn einige Leute, doch bitteschön was zu sagen zu seiner Leistung. Er hatte in der zweiten Pokalrunde zu Hause gegen den FC Ingolstadt so wunderbar gedribbelt und so schöne Pässe gespielt. Durch sein Tempo am Ball und ein, zwei Finten konnten ihn fünf Gegenspieler nicht am Schuss hindern, der zum 2:0 kurz nach der Pause ins Netz flog. In Hannover, beim 1:2 am Sonntag, hatte er bereits den einzigen Münchner Treffer erzielt. Doch wie schon in Niedersachsen so auch am Mittwoch in München bat er darum, keine Fragen beantworten zu müssen.

Alaba kam mit einem dieser riesengroßen Kopfhörer auf den Ohren aus der Kabine. Als er die Leute winken sah, nahm er diesen kurz ab, verzog das Gesicht und sagte freundlich: "Ich habe Schmerzen am Zeh, mir ist jemand draufgestiegen." Dann humpelte er davon.

Selbst ohne Worte ist der Österreicher der bemerkenswerteste Spieler der Münchner Reservereihe. Beim 6:0 gegen Ingolstadt sahen die 63.000 Zuschauer außerdem Diego Contento, 21, Nils Petersen, 22, und Takashi Usami, 19. Die jungen Kräfte in der zweiten Reihe sind ein von vielen unterschätztes, wichtiges Merkmal dieser bayerischen Mannschaft. Der Verein wollte keinen Hamit Altintop mehr, keine Miroslav Klose, die ihren Anspruch auf einen Stammplatz mit sich herumtrugen und deshalb auch stets ein wenig tragisch und unglücklich wirkten. Es gibt zwar auch noch Danijel Pranjic, Ivica Olic und Jörg Butt, doch sind das grundanständige Menschen, die sich über ihre Reserverolle öffentlich nie beklagen würden.

"Explosionsartig" Leistung zeigen

Präsident Uli Hoeneß hat es vor der Saison sinngemäß so formuliert: Der Klub wolle sich künftig den Ärger mit zu vielen etablierten Spielern ersparen. Auch wenn Klose ein musterhafter Profi ist, das Thema, warum der Nationalspieler in München nicht richtig zum Zug kam, beherrschte dennoch zu oft die Szene. Ein ähnliches Problem hat heute Bayer Leverkusen mit Michael Ballack. Wenn Spieler vom Kaliber Klose oder Ballack auf der Ersatzbank sitzen, weil es auf einer Position ein Überangebot an guten Spielern gibt, kann das eine nervenaufreibende Angelegenheit sein. Die nicht gerade zum Betriebsfrieden beiträgt. Deshalb versuchen es die Bayern dieses Jahr lieber mit Alaba, Petersen, Contento und Usami. Bislang mit Erfolg.

Kapitän Philipp Lahm lobte: "Die Ersatzspieler trainieren täglich hart und wenn sie gebraucht werden, sind sie auch da." Für einen Trainer ist das eine traumhafte Situation. Die Rollen sind verteilt, keiner muckt auf, hinter den Platzhirschen drängt sich eine Meute braver Profi-Welpen, die hoffnungsfroh ihr Bestes geben und auf ein paar Einsatzminuten oder einen Pokalgegner aus der zweiten Liga warten. Und so pries auch Jupp Heynckes seine tüchtigen Reservespieler: "Ich habe viele Spieler eingesetzt, die in den letzten Wochen nicht so viele Einsatzminuten hatten. Nach 90 Minuten kann ich sagen: Es hat sich gelohnt."

Usami dementiert Wechselwunsch

Zumindest gegen den Letzten der zweiten Liga darf Heynckes ohne Bedenken rotieren, am Mittwoch konnte er Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Franck Ribéry, Mario Gomez, Manuel Neuer und Holger Badstuber eine Pause geben. Die Nachrücker sind dankbar dafür. "Wir freuen uns alle, dass wir unsere Chance genutzt haben. Das wird uns einen Schub geben für die kommenden Wochen", erklärte der zweifache Torschütze Petersen. Unsicher ist indes, ob diese Nachrücker stabil genug sind, um auch in brenzligeren Einsätzen den Anspruch des FC Bayern zu erfüllen. Die Möglichkeit, das zu beweisen, dürfte gerade Petersen als erster Ersatz für Mittelstürmer Mario Gomez irgendwann bekommen. Dass er, wie kolportiert wurde, eventuell an den FC Augsburg ausgeliehen werden solle, glaubt er jedenfalls nicht: "Ich wüsste nicht, wer hier nicht gebraucht wird. Unser Kader ist eigentlich relativ klein für die Aufgaben."

Bei Takashi Usami sind sich da die japanischen Medien nicht ganz so sicher. Einige meldeten bereits, dass sich der 19-Jährige aus Nagaokakyo angesichts seiner weitgehenden Eingliederung in den Regionalliga-Kader unwohl fühle und am liebsten München verlassen wolle. Usami dementierte das deutlich: "Ich habe das nicht behauptet und ich will auch nicht weg", erklärte er. Er spüre das Vertrauen des Trainers und wolle weitermachen. Der sehr schmale Japaner weiß zwar, dass er noch an seiner Fitness arbeiten müsse, aber es sei ihm "generell wichtig, immer nur nach vorne zu schreiten und niemals zurück". Diese Ausdrucksweise wählte jedenfalls der vom FC Bayern angeheuerte Übersetzer.

Auch Usami wird der Mittwochabend Mut gemacht haben, schließlich durfte der Offensivspieler erstmals in einem Pflichtspiel in der Arena vorspielen und traf nach zwei Toren in der Regionalliga Süd erstmals auch in einem Pflichtspiel für die Profimannschaft. Es sei wichtig für ihn gewesen, übersetzte der Dolmetscher, dass er nach seiner Einwechslung "explosionsartig" seine Leistung zeigen konnte, weshalb ihm das Tor zum 6:0 auch viel bedeute.

Ob Usami irgendwann eine echte Alternative für einen Stammplatz beim FC Bayern München sein kann, ist noch nicht absehbar. Sein Anpassungsprozess dauert an und es käme trotz Dementi des Spielers wenig überraschend, wenn er sich mit dem Klub auf ein Ausleihgeschäft einigen würde, um sich an Tempo und Athletik in der höchsten deutschen Spielklasse woanders zu gewöhnen.

Denn dieser Weg hat bei David Alaba vorzüglich geklappt. Das halbe Jahr zuletzt bei der TSG Hoffenheim stählte den 19-Jährigen merklich, dabei war dies lange Zeit selbst in München kaum jemandem aufgefallen. Erst sein fulminanter Auftritt im EM-Qualifikationsspiel im Juni gegen Deutschland und speziell gegen Philipp Lahm führte dazu, dass der FC Bayern seine Rückkehr anordnete. Heute haben die Münchner vermutlich vergessen, jemals eine andere Idee gehabt zu haben. Denn wer will diesen freundlichen Österreicher, der in der höchsten Geschwindigkeit so toll mit dem Ball umgehen kann, nicht in seiner Mannschaft haben?

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