Die Kunst der Bewegung: Kugelstoßen:Gleiten oder drehen

Wie funktioniert Kugelstoßen? Schlicht und doch unterschätzt: Die kraftvollen Athleten müssen sich im Ring schnell bewegen. Mit Video.

Thomas Hahn

Im Leichtathletik-Magazin Spike des Weltverbandes IAAF war ein Beitrag über das Kugelstoßen kürzlich mit der Schlagzeile überschieben: "Kugelstoßer - die besten Athleten in der Leichtathletik ... Ernsthaft." Demnach ragten die Kugelstoßer heraus, weil sie in besonderem Maße Schnelligkeit, Kraft, Beweglichkeit und koordinatives Vermögen in einer Bewegung vereinen müssen, die "vollkommen unnatürlich" sei. Der Kölner Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann wiederum sagt: "Kugelstoßen ist schon deutlich kraftdominiert."

Was er nicht gegen das Kugelstoßen verwendet sehen wollte, aber im Vergleich zu anderen Wurfdisziplinen ist das Kugelstoßen noch die schlichteste Übung. Ohne dabei schlicht zu sein, versteht sich. Kugelstoßen wird leicht übersehen, weil es in den mächtigen Leichtathletik-Arenen nicht viel Platz beansprucht, und deswegen wird die Aufgabe, eine 7,25 Kilo (Männer) bzw. 4 Kilo (Frauen) schwere Kugel so zu beschleunigen, dass sie über 20 Meter weit fliegt, leicht unterschätzt.

Kugelstoßer müssen in der Tat sehr schnell sein in ihrem Ring (Durchmesser 2,13 Meter) und dieses Tempo auf den Stoß übertragen, bei dem der Sportler seine ganze Kraft optimal hinter die Kugel bringt, um sie in einem Idealwinkel von etwa 40 Grad ins Feld zu wuchten. Zwei verschiedene Techniken haben sich entwickelt, um den Moment des explosiven Abstoßens vorzubereiten: die Drehstoßtechnik und die Angleit-Technik. Bei der Drehstoßtechnik (im Video veranschaulicht vom amerikanischen Weltmeister Reese Hoffa) verlängert der Kugelstoßer seine Ausholbewegung, indem er sich um die eigene Achse dreht und den Schwung aus dieser 540-Grad-Rotation auf die Kugel überträgt.

"Das ist die Technik für die etwas kleineren Kugelstoßer. Dort spielt die Abstoßhöhe keine Rolle", sagt der Chemnitzer Sven Lang, Trainer des derzeit besten Junioren-Kugelstoßers der Welt, David Storl. "Für jeden Kugelstoßer, der nicht mindestens 1,95 Meter groß ist, müsste das die Zieltechnik sein."

David Storl ist 1,97 Meter groß, deswegen nutzt er die Angleittechnik (im Video gezeigt vom deutschen Europameister Ralf Bartels), welche Adam Nelson, der amerikanische Weltmeister von 2005 "den reinsten Ausdruck von Kraft in der gesamten Sportwelt" nennt: "Relativ einfach, und trotzdem fast unmöglich zu meistern."

Adam Nelson beschreibt das Angleiten so: "Es beginnt damit, dass der Stoßer mit dem Rücken zur Stoßrichtung schaut. Der Stoßer balanciert auf dem rechten Fuß (sofern er Rechtshänder ist), führt das linke Bein in die Richtung des Stoßes und zieht den rechten Fuß in die Mitte des Ringes. Sobald beide Füße den Boden berühren, leitet der Stoßer den Stoß ein indem er die rechte Hüfte in die Mitte des Ringes führt."

Adam Nelson findet: "Ein erfolgreicher Angleiter besitzt übermenschliche Stärke und phänomenale Explosivkraft." Was gut klingt, aber nicht davon ablenken sollte, dass gerade das Kugelstoßen über einer reiche Geschichte voller hochdekorierter Doper verfügt.

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