DFL-Mitgliederversammlung:Klubs stimmen Sicherheitspapier in allen Punkten zu

Die 36 Klubs der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga winken das Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" in allen Punkten durch. Einige Anträge wurden zwar kurzfristig noch verändert, doch Fanvertreter kündigen bereits neue Aktionen an. Überraschend deutlich verlangt der Fußball nun ein Ende des Drucks durch die Innenminister.

Die 36 Profiklubs der ersten und zweiten Liga haben das neue Sicherheitskonzept im deutschen Fußball mit großer Mehrheit verabschiedet und alle 16 Anträge abgesegnet. Nach der Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) sagte Vorstand Reinhard Rauball: "Der professionelle Fußball ist als Gewinner aus dieser Veranstaltung hervorgegangen."

Die mit großer Spannung erwartete Entscheidung im Sheraton Congress Hotel in Frankfurt-Niederrad ließ eine Stunde länger auf sich warten als angekündigt. Der Hamburger SV hatte wie zuvor erklärt einen Antrag gestellt auf Vertagung, auch andere Klubs waren zu dem Schluss gekommen, sie bräuchten mehr Zeit für einen angemessenen Dialog mit ihren Fans. Doch dies wurde mit 5:31 Stimmen abgelehnt. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern und bekennender Unterstützer der Maßnahmen.

Ähnliche Mehrheitsverhältnisse gab es nach Aussage der Teilnehmer anschließend bei der Abstimmung zu den 16 Anträgen des Konzepts "Sicheres Stadionerlebnis". Dennoch kam der Ligaverband den Fans noch einmal ein kleines Stückchen entgegen. Bei den zwei umstrittensten Punkten 8 und 14 waren noch Änderungswünsche eingeflossen.

Peter Peters, Mitglied des DFL-Vorstands, erläuterte: Wird eine Partie vom Heimverein zu einem "Spiel mit erhöhtem Risiko" erklärt, müssen die verstärkten Sicherheitskontrollen auch "verhältnismäßig" sein. Zudem dürfe die Reduzierung der Ticketkontingente für Gästefans nicht willkürlich vonstattengehen, sondern müsse bei der DFL und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) unter Angabe von Gründen beantragt werden.

Das dürfte die Fans kaum beruhigen. Denn es gibt weiterhin keine Stellungnahme, dass Vollkontrollen oder Ganzkörperkontrollen ausgeschlossen werden, wie das die Anhänger fordern. Und was bedeutet "verhältnismäßig"? Dass bei der Kartenfrage nun nicht nur der Heimverein entscheidet, sondern auch die Verbände, dürfte unter Fankreisen kaum Wirkung zeigen. Auch wenn Rauball betonte: "Das ist kein Beschluss gegen die Fans, sondern für die Zukunft des Fußballs." Der Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung, Christian Seifert, fügte an: "Den Anträgen kann man nicht entnehmen, dass hier Funktionäre aus dem Elfenbeinturm einen Angriff auf die Fankultur zu starten."

Doch die Reaktion in den sozialen Netzwerken wie Twitter ist erwartbar ablehnend. "Das Ergebnis ist sehr unschön. Ich gehe davon aus, dass es neue Proteste geben wird. Das wurde auch am Mittwoch in Frankfurt von den Fans, die vor Ort waren, schon diskutiert. Neue Stimmungsboykotte oder andere Aktionen könnten sich bis in den März hineinziehen. Auch der Boykott eines kompletten Spieltags ist eine Option", sagte Philipp Markhardt, Sprecher der Protestaktion "12:12" und der Organisation "Pro Fans".

"Drohungen müssen vom Tisch sein"

Verschiedene Fanorganisationen hatten in den vergangenen Wochen mit einem Stimmungsboykott in allen Stadien der ersten vier Ligen gegen das Konzept demonstriert. Dass der Fan-Protest weitergehen wird, bekam Rauball bereits bei seiner Ankunft zu spüren. Etwa 150 Fans blockierten die Durchfahrt, als der Ligaverbands-Präsident am Sheraton Congress Hotel ankam. Am Ende standen 600 Anhänger vor dem Hotel und demonstrierten friedlich.

Bereits vor der Versammlung in Frankfurt Fanvertreter hatten die Fans angekündigt, in jedem Fall den Dialog weiterzuführen. Denn der Druck in den vergangenen Wochen hatte zum einen dazu geführt, dass viele Forderungen der Anhänger bereits in das Konzept eingeflossen waren. Außerdem ließen sich an vielen Standorten überhaupt zum ersten Mal die Vereinsvertreter auf einen "Dialog auf Augenhöhe" ein, wie sich das die Fanvertreter seit Jahren erhoffen.

"Die Protestbewegung sieht schon auch, dass der Fußball von zwei Seiten ziemlich unter Druck ist, aber die Bereitschaft, die Fans einzubeziehen, sich spürbar verbessert hat. Wir glauben, dass die meisten Vereine verstanden haben, dass es nur auf diesem Weg geht", hatte Michael Gabriel, Leiter der Koordinatiosstelle Fanprojekte, vor der Entscheidung erklärt.

Doch wichtiger war der DFL offenbar, sich gegen den Druck der Politik zu stellen. Die Innenministerkonferenz (IMK) hatte dem Fußball mit drastischen Maßnahmen gedroht. Die Politiker hatten von Stehplatzverboten und Geisterspielen gesprochen, zudem schwadronierten einige über eine Kostenbeteiligung für Polizei-Einsätze. Rauball wurde hier überraschend deutlich: "Der Politik möchte ich Zurufen: Die Drohungen in den vergangen Wochen müssen damit ein für allemal vom Tisch sein."

Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sagte: "Dass DFL und Vereine mehrheitlich das Sicherheitskonzept beschlossen haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt geht es darum, die Maßnahmen auch umzusetzen. Vereine und Verbände müssen sich weiter daran machen, die Sicherheit rund um die Fußballspiele zu verbessern. Es kann auf Dauer nicht an der Polizei hängenbleiben, jedes Wochenende Mängel in den Sicherheitskonzepten der Vereine auszugleichen."

An Jäger und dessen Kollegen aus Niedersachsen, Uwe Schünemann, adressierte Rauball eine weitere Information: Die beiden Politiker hatten gefordert, dass die Klubs künftig die Finanzierung der Fanprojekte alleine übernehmen sollten. Diese werden bislang zu je einem Drittel von Kommune, Land und DFB getragen. Die Mitarbeiter der Fanprojekte schrien auf, weil sie fürchten, als Agenten der Klubs den Zugang zum schwierigen Klientel in den Kurven zu verlieren. Nun sagte Rauball, der Fußball habe vor, seinen Anteil hier erheblich aufzustocken. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die öffentliche Hand sich weiterhin auch beteilige.

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