DFB vs. Fans:Nimmt der DFB seine Anhänger nicht ernst?

1. FC Köln - Borussia Mönchengladbach

Fußballfans wollen mehr Mitsprache - der DFB gibt sich sperrig.

(Foto: dpa)
  • Zwischen dem Deutschen Fußballbund und wichtigen Fanorganisationen ist es zum Streit gekommen: Fans werfen dem Verband vor, ihre Anliegen nicht ernst zu nehmen.
  • Fanvertreter haben den Dialog aufgekündigt - der Verband gibt sich verständnislos.

Von Jonas Beckenkamp

Es hätte ein gemütlicher Nachmittag werden können in der Zentrale des Deutschen Fußballbundes (DFB) in Frankfurt. Eine Gruppe Fanvertreter war am Mittwoch in die Otto-Fleck-Schneise 6 gekommen, um mit Verantwortlichen des Verbandes über ihre Anliegen zu diskutieren. Kaffee und Kuchen, Tagesordnungspunkte, Protokolle - beim mitgliederstärksten Sportverband der Welt gelten solche Gesprächsrunden als Routine. Aber bei diesem Treffen ging einiges schief.

Nach gerade einmal 40 Minuten endete die für den ganzen Tag vorgesehene Veranstaltung abrupt. Die Fanvertreter verließen frustriert den Sitzungssaal. Die Herren vom DFB blieben verdutzt zurück, so hatten auch sie sich den Termin der "AG Fanbelange/Fanarbeit" nicht vorgestellt. Das Gremium, dem neben Funktionären und Fanbeauftragten auch Mitarbeiter aus Fanprojekten angehören, tagt normalerweise alle zwei Monate - ob es so bald wieder zusammenkommt, ist nun fraglich. Geht es nach einigen bedeutenden und mitgliederstarken Fanorganisationen, ist der Dialog zwischen Verband und Fußballfans fürs Erste gescheitert.

Die unabhängigen Vereinigungen ProFans, UnsereKurve, Queer Football Fanclubs und F_in Netzwerk Frauen im Fußball begruben kurz nach dem Treffen in der DFB-Zentrale per Mitteilung die bestehende Kooperation innerhalb der Kommission Sicherheit, Prävention und Fußballkultur beim DFB. Nach Darstellung der Fans war eine ergebnisorientierte Gesprächsbereitschaft und Wertschätzung über Jahre hinweg nicht möglich. Sie fordern nun eine Reform von Dialog- und Beschlussstrukturen im Verband.

"Gemeinschaftlich haben die Fanorganisationen keinen dauerhaften und ernsthaften Willen des DFB erkennen können, mit Fußballfans einen transparenten und zielführenden Dialog etablieren zu wollen", heißt es in der Erklärung. "Die Arbeit der AG Fanbelange/Fanarbeit, dem einzigen Gremium für einen institutionalisierten, regelmäßigen Dialog mit Fans, wurde bisher konsequent aus der Öffentlichkeit herausgehalten." Der Verband als ignoranter, schwerfälliger Apparat, der sich von seiner Basis entfernt hat - dieser Vorwurf wirkt ziemlich belastend. Neu ist er nicht.

Seit Jahren versuchen engagierte Anhänger beim DFB ihre Anliegen vorzubringen. Mit bescheidenem Erfolg. Dabei besteht im weiten Feld der "Fußballkultur" genug Gesprächsbedarf: Es geht um verbindliche Reglungen zu erlaubten Fahnengrößen im Stadion, um Pyrotechnik, um Fragen der Sicherheit oder ganz allgemein um Mitspracherechte der Anhänger. Dirk Middeldorf, Sprecher des Netzwerks Queer Football Fanclubs, sagt zur SZ: "Wir haben schon lange den Eindruck, dass der Verband uns nicht ernst nimmt. Das zermürbt uns. Dem DFB fehlt das Gespür, auch kleine Schritte einfach mal in die Wege zu leiten."

Exemplarisch für das ständige Versickern von Entscheidungen sei der Umgang mit Fan-Utensilien. Ein konkretes Debattenthema: Wie lange darf eine Fahnenstange im Stadion sein? Nach einer Besprechung in der AG schien darüber Einigkeit zu herrschen - doch dann verging ein halbes Jahr ohne weitere Entwicklung. Und plötzlich wollte man beim DFB nichts mehr davon wissen, so Middeldorf. "Diese Geschichte dauert mittlerweile über ein Jahr an. Dabei haben wir damals im Gremium Empfehlungen ausgesprochen, die auch abgenickt wurden", erklärt der Fangruppensprecher. Die DFB-Vertreter in Frankfurt haben den Beschluss zwar zur Kenntnis genommen, schriftlich fixiert oder gar als Faktum kommuniziert wurde nichts.

Blockiert der DFB absichtlich Fananliegen?

Wie lang das sprichwörtliche Ende der Fahnenstange sein darf, entscheiden derzeit immer noch die Vereine, auch beim Streitthema Pyrotechnik herrscht kein Konsens. "Konstruktive Ideen, erarbeitet von Menschen an der Basis mit dem nötigen Sachverstand, ersticken in den Strukturen eines bürokratischen Verbandes", findet Middeldorf.

Sein Mitstreiter Tobias Westerfellhaus von der Fanorganisation UnsereKurve unterstellt dem DFB sogar, Beschlüsse absichtlich auszubremsen: "Entscheidern wird diese Expertise nur gefiltert zugänglich gemacht, nicht selten hat man den Eindruck, dies sei so gewollt."

Er kritisiert, dass Arbeitswege im Frankfurter Verbandshaus nicht durchgängig sind - und dass der AG Fanbelange die Beschlussfähigkeit fehle: Was unten vereinbart wird, kommt demnach nie oben an. Was nicht offiziell wird, bleibt für immer halbgar. "Jedes Protokoll aus unseren Sitzungen sollte eigentlich von allen Vorgesetzen beim DFB abgesegnet werden. Aber das ist nicht der Fall", sagt Westerfellhaus. "So wissen die Oberen überhaupt nicht, was in unserer AG diskutiert wird." All diese Versäumnisse hatten die Fanvertreter vor Monaten an den Verband adressiert - sie erstellten einen Katalog mit Forderungen, über die sie an diesem Mittwoch mit dem DFB sprechen wollten.

Explizit gewünscht war auch, dass DFB-Präsident Wolfgang Niersbach endlich persönlich an einer Gesprächsrunde teilnimmt. Als sich herausstellte, dass Niersbach Wichtigeres zu tun hatte (er ist derzeit als Vermittler in der Fifa-Krise gefragt) und die Mission der Fanvertreter erneut kein Gehör fand, beendeten Middeldorf und Westerfellhaus mit ihren Leuten die Dialogveranstaltung. "Für uns steht fest, dass wir in dieser AG nicht weiter aktiv sein werden, das gilt für alle Organisationen. Wir werden den Dialog nicht weiter führen", sagt Westerfellhaus trotzig.

Interessanterweise scheinen sie beim DFB das Aus des gemeinsamen Meinungsaustauschs nicht so ganz verstanden zu haben. Kurz nach dem Eklat teilte der Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert in schönen Worten mit: "Die Vertreter der Fanorganisationen haben dem DFB und der DFL in der heutigen Sitzung der AG ihre Entscheidung mitgeteilt. Gleichzeitig haben sie aber ihre weiterhin vorhandene Dialogbereitschaft signalisiert. Wir setzen deshalb darauf, dass wir den guten und produktiven Dialog der vergangenen Jahre schon bald wieder aufnehmen können." Aus Verbandskreisen ist zu hören, dass es sich bei der Sache nur "um leichte kommunikative Dissonanzen" handele - mit ein paar Anpassungen sei "das alles kein Problem".

Dieser Darstellung widerspricht Fansprecher Westerfellhaus vehement: "Es geht mitnichten nur um Kommunikation. Es geht um Wertschätzung und Dialog auf Augenhöhe sowie die generelle Struktur und lähmende Zuordnung beim DFB." Die Schönrederei der Funktionäre spiegele "leider die Unfähigkeit des Verbands wider." So bleibt letztlich nur die Frage: Ist der DFB damit überfordert, Fans ernst zu nehmen? Oder will man sich nicht mit ihnen beschäftigen?

Westerfellhaus sieht es so: "Man kann sich nach außen hinstellen und sagen: Wir sprechen und tun was - aber dann passiert nichts. Es wird ein Scheindialog geführt."

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