DFB-Verteidiger Niklas Süle:Ein, zwei Burritos zu viel

Germany Training and Press Conference - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Hat in Russland in allen drei Gruppenspielen der Nationalelf gespielt, zweimal von Anfang an: Niklas Süle, der in diesem Sommer von Hoffenheim nach München wechselt.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty)
  • Innenverteidiger Niklas Süle profiliert sich beim Confed Cup als bislang Bester unter den vier deutschen Innenverteidigern.
  • Im Testspiel gegen Dänemark vor dem Turnier litt er noch unter mangelnder Fitness nach seinem Urlaub.
  • Beim FC Bayern wird er seine Einstellung verändern müssen, um sich durchzusetzen.

Von Philipp Selldorf, Sotschi

Nach dem Spiel gegen Kamerun wurde Shkodran Mustafi um eine Stellungnahme zum nächsten Gegner Mexiko gebeten. "Mexiko? Über die weiß ich doch gar nix", protestierte er erst. Aber weil er freundlich gefragt worden war, und weil er nicht unhöflich sein wollte, fand sich der Verteidiger des FC Arsenal zur Aussage bereit: Oh ja, sprach er ins Mikrofon, Mexiko sei "schwer zu bespielen", weil sie "individuell starke Spieler" hätten und "taktisch gut stehen".

Gelegentlich müssen Fußballprofis so was machen: sich wie Auslandskorrespondenten in die Kulisse stellen und Insider-Wissen vortäuschen. Lieber ist es ihnen natürlich, wenn sie aus der persönlichen Praxis schöpfen können, so wie Niklas Süle am Dienstagvormittag am Trainingsplatz in Sotschi, als mexikanische Reporter von ihm wissen wollten, ob er gerne mexikanisch esse. Süle entgegnete, quasi aus dem Bauch heraus, ein klares Ja, und erfreute die Männer aus Mittelamerika mit Kenntnissen ihrer Landesküche: Ob Tacos oder Burritos, es schmecke ihm so oder so.

In Mexiko wird man ihn dafür mögen. Ein Witz über Mexikaner geht nämlich so: Was machen zwei Mexikaner, wenn sie auf dem Mond gelandet sind? Sie eröffnen eine Taco-Bude ... Mexikaner sind bekannt dafür, dass sie sich nicht mit dem Dreisatz Frühstück, Mittag- und Abendessen begnügen, zur ständigen Versorgung gibt es zum Glück die vielen Taco-Buden. Auch Niklas Süle, 21, hat sich während der Tage bei der Nationalmannschaft in Russland zur Freude am Essen und zur lockeren Lebensart bekannt. Wo die Kollegen Leon Goretzka und Amin Younes über glutenfreie Ernährung referierten, erzählte Süle, wie gut ihm die Hamburger während der Ferien in New York nach der Bundesligarunde geschmeckt hätten.

Sogar als "Lebemann" hat er sich in einem Fernsehinterview bezeichnet. Das sorgte für Aufsehen, was Süle veranlasste, dem Sinn des Begriffs nachzuspüren. Er entdeckte die Erklärung "reicher Protz" und erschrak. "Das bin ich auf keinen Fall", versicherte er jetzt den Zuhörern am Trainingsplatz. Aber "das Leben genießen, mal was Schönes essen oder trinken gehen, das bin ich definitiv".

"Ich bin noch jung im Kopf und will noch eine Weile jung im Kopf bleiben"

Als Süle aus den USA zurückkam und in die Nationalmannschaft einrückte, machten sich die leckeren Hamburger, vor allem aber das fehlende Training bemerkbar. Im Test gegen Dänemark (1:1) lief ihm der Gegenspieler davon, er sei "nicht auf dem nötigen Fitness-Stand" gewesen, räumte der Hoffenheimer Verteidiger ein, der ab Samstag ein Bayern-Verteidiger sein wird. Der Mangel an Fitness hatte, wie Fotos dokumentierten, an anderer Stelle zu Überfluss geführt. "95 Kilo pure Muskelmasse", witzelte der gebürtige Frankfurter in dem Wissen, dass nicht jedes Kilo dort hingehörte. Differenzen zum Idealgewicht waren bei der TSG schon öfter ein Thema, es gab ein paar Spezialeinheiten für Süle.

Von einer zweifelhaften körperlichen Verfassung ist beim Confed Cup allerdings wenig zu sehen. Niklas Süle hat in allen Vorrundenpartien gespielt, gegen Chile und Kamerun von Anfang an. Unter den vier Innenverteidigern hinterließ er den besten Eindruck. Süle besitzt deutlich mehr fußballerisches Geschick als Vertreter seiner Position üblicherweise mitbringen, er verfügt über ein konkurrenzfähiges Tempo und eine - in Relation zu seiner schrankwandhaften Statur - erstaunliche Beweglichkeit. Dass er seine Arbeit auf zupackende Art erledigt, wundert einen hingegen nicht. Einerseits wegen seiner Körperkräfte, andererseits wegen seiner auch sonst stets geradlinigen Herangehensweise.

Die Bayern sind sehr zufrieden mit dem Transfer

Schon mit 17 trat Süle in den Bundesligabetrieb ein, der Trainer Markus Gisdol ließ ihn in Hoffenheim mitten im härtesten Abstiegskampf debütieren, inzwischen hat er 108 Bundesligaeinsätze hinter sich, obwohl er zwischendurch einen Kreuzbandriss kurieren musste. Im Laufe der vorigen Saison fingen die Bayern an, sich ernsthaft für ihn zu interessieren, was auch mit dem Training von Julian Nagelsmann zusammenhing, das Süle markante Fortschritte verschaffte (Verdienste werden übrigens auch dem Nebenmann Kevin Vogt nachgesagt).

Das war aber nicht nur den Bayern aufgefallen, sondern auch dem FC Chelsea, der ebenfalls bei Süles Berater Karl-Heinz Förster vorstellig wurde und mächtig dagegenhielt. Schließlich investierten die Münchner circa 20 Millionen Euro in den Transfer, was natürlich eine Menge Geld ist - und trotzdem ein Preis unter den mittlerweile üblichen Handelswerten.

Diese lassen sich im deutschen Confed-Cup-Kader ablesen: Mustafi hat den FC Arsenal mehr als 40 Millionen Euro gekostet, im Fall von Antonio Rüdiger (AS Rom) kursierten ähnliche Zahlen, und Matthias Ginter wird Borussia Dortmund ebenfalls nicht für viel weniger als zwanzig Millionen verlassen (wenn er den BVB denn überhaupt verlässt). Die Bayern sind jedenfalls sehr zufrieden mit dem Geschäft. "Ein Niklas Süle in körperlicher Top-Verfassung zählt jetzt schon zu den besten Innenverteidigern Europas", schwärmt der Kaderplaner Michael Reschke.

Den Umzug in die Großstadt bezeichnete Süle als den besten Schritt für die Karriere und für sich selbst, doch er wird in die Mentalität und Einstellung investieren müssen, wenn er sich bei den Bayern durchsetzen möchte. Das ist ihm bewusst, aber seine gewinnende Lockerheit und Offenheit will er sich auch in München bewahren, "ich bin noch jung im Kopf und will auch noch eine Weile jung im Kopf bleiben", hat er der Frankfurter Rundschau erklärt. Man gönnt ihm das ganz unbedingt. Und gelegentlich auch ein paar Tacos.

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