DFB-Urteil zu Kießlings Phantomtor:Nur Verlierer, überall

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Einer der Verlierer: Leverkusens Stefan Kießling. (Foto: dpa)

Niemand dürfte am Urteil zu Stefan Kießlings Phantomtor ernsthaft Gefallen finden - trotzdem hat das DFB-Sportgericht folgerichtig entschieden. Denn deutlicher kann die Absurdität des Fifa-Systems nicht zur Schau gestellt werden.

Ein Kommentar von Carsten Eberts

27. Juni 2010, WM-Achtelfinale, Deutschland gegen England: Der Brite Frank Lampard jagt den Ball unter die deutsche Latte, von dort springt das Spielgerät hinter die Linie, anschließend aus dem Tor. Jeder sieht es, spätestens in der Zeitlupe. "Torklau" heißt es später, doch der Treffer zählt nicht. Die Begründung: Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters.

Der Fall von Leverkusens Stürmer Stefan Kießling verhält sich andersherum - und doch ähnlich. Er hat gegen Hoffenheim einen Treffer erzielt, der keiner war, weil der Ball durch ein Loch im Außennetz ins Tor gelangt ist. Trotzdem gilt auch dieser Treffer, so haben es die DFB-Richter am Montag entschieden. Weil sie nicht anders konnten. Tatsachenentscheidung.

Niemandem dürfte dieses Urteil gefallen. Nicht den Fans, nicht dem DFB, nicht den betroffenen Klubs. Auch nicht dem Gericht. Richter Hans E. Lorenz hat sich in seiner Begründung bemerkenswert ehrlich geäußert. Die falsche Tatsachenentscheidung gehöre schlichtweg zum System, klagte Lorenz. Er fürchte sogar, dass er am Abend von seinen Kindern und seiner Lebenspartnerin beschimpft wird. Weil das Urteil so offensichtlich moralisch ungerecht ist.

Die Fifa stellt sich stur

Doch das Sportgericht konnte nicht anders entscheiden. Es ist im Endeffekt sogar gut, dass Kießlings Ball den Weg durch das Tornetz gefunden hat, dass der DFB das Tor in richterlicher Instanz anerkennt. Der DFB bewegt sich im Regelrahmen der Fifa, die Fifa gibt die Regeln vor. Und der Fifa ist die Tatsachenentscheidung heilig, obwohl sie ständig angemahnt wird, doch bitte endlich die eigenen Statuten zu ändern (die längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind).

Nur ganz langsam bröckelt der Widerstand. Bei der WM 2014 wird beispielsweise erstmals die Torlinientechnik eingeführt. Doch Videobeweise oder einen Oberschiedsrichter lehnt die Fifa mit Oberpatron Sepp Blatter weiterhin ab. Sportliche Gerechtigkeit wäre ohne größere Mühe herzustellen, es braucht lediglich kleinere technische Geräte. Doch die Fifa stellt sich stur.

Deshalb ist es wichtig, dass der DFB gemäß der Fifa-Regularien entschieden hat. Ein Tor, das zählt, obwohl es keines war - deutlicher kann die Absurdität des Systems nicht zur Schau gestellt werden.

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