DFB und Löw vor Vertragsverlängerung:Reise in die vollendete Zukunft

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Auf Joachim Löw wartet nach bestandener WM-Qualifikation ein neuer Vertrag. (Foto: dpa)

Die Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2016 ist offenbar beschlossene Sache. Sollte sich die DFB-Elf auf den Färöern für die WM qualifizieren, könnte es schnell gehen. Denn eine diplomatische Hängepartie wie bei den Verhandlungen vor drei Jahren soll unbedingt vermieden werden.

Von Boris Herrmann

Thomas Müller gewinnt am liebsten 1:0. Sagt er jedenfalls. Denn: "Wenn's nach 50 Minuten 5:0 steht, dann kannst du zwar immer sagen: Es war eine Gala. Aber die letzte halbe Stunde macht es dann keinen Spaß mehr." Das sind die Sorgen, die man eben so mit sich herumschleppt als Spieler des FC Bayern München und der deutschen Nationalelf.

Wobei, selbst ein Glückskind wie Müller kann sich nicht immer alles aussuchen. "Fußball ist kein Wunschkonzert", stellte der 23-Jährige beim souveränen Sieg am Freitagabend in der WM-Qualifikation gegen Österreich fest: "Manchmal muss man auch mal mit einem 3:0 leben."

So überragend, dass Müller der Spaß vergangen wäre, war das Spiel gegen die Österreicher allerdings auch wieder nicht. Tatsächlich gingen auf deutscher Seite alle ziemlich gut gelaunt nach Hause - vielleicht mal abgesehen vom Dortmunder Innenverteidiger Mats Hummels, der das Geschehen 90 Minuten lang von der Ersatzbank aus verfolgen musste. Für Joachim Löw war das erste gegentorlose Länderspiel seit einem halben Jahr zunächst einmal ein emotionaler Erfolg, der einer stetig anschwellenden Defensiv-Debatte einstweilen den aktuellen Aufhänger entzog.

Zumal der Bundestrainer mit großer Genugtuung verkünden konnte, dass "der Gegner nicht das Gefühl hatte, er ist auf Augenhöhe mit uns". Siege gegen Österreich bleiben für Löw auch immer Siege gegen seine eigene Vergangenheit als glückloser Vereinscoach bei Austria Wien.

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Was die Zukunft betrifft, so könnte dieses 3:0 aber auch von sportpolitischer Bedeutung sein. Die Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien ist nach menschlichem Ermessen jetzt nur noch Formsache. Schon am Dienstag beim Gastspiel auf den Färöern könnte es so weit sein, falls Schweden zeitgleich gegen Kasachstan Punkte lässt. Ansonsten ließen sich die letzten rechnerischen Zweifel wohl erst beim Spiel gegen Irland Mitte Oktober beseitigen.

Zwischen diesen beiden Terminen liegen fünf Wochen, was mit Blick auf die Unendlichkeit der Zukunft eine relativ überschaubare Zeitspanne ist. Diese fünf Wochen könnten für den DFB aber relativ zäh werden, der Wunsch nach Planungssicherheit ist jedenfalls so groß wie selten. Denn es befinden sich ein paar wichtige Personalentscheidungen in der Warteschleife.

Inoffiziell scheint es jetzt schon offiziell zu sein, aber offiziell ist es noch inoffiziell: Der Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw wird noch vor dem Turnierstart über die WM 2014 hinaus verlängert. Auch Torwarttrainer Andreas Köpke und Manager Oliver Bierhoff sollen nach dem Wunsch des Verbandes bis 2016 weitermachen. Für Löws Assistenten Hansi Flick ist der vakante Posten des Sportdirektors reserviert. Bis zur WM müsste er wohl beide Jobs auf einmal erledigen, für die Zeit danach wird ein neuer Co-Trainer gesucht.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat am Samstag gegenüber der Sportschau bestätigt, was er vor einigen Wochen in einem SZ-Interview bereits angedeutet hatte: "Die vier, die die Qualifikation unterm Strich wieder souverän bewältigt haben werden" sollen weitermachen. Im Futur II kann man es also schon verkünden. Niersbachs grammatikalischer Schlingerkurs in die vollendete Zukunft erklärt sich dadurch, dass sich alle Verhandlungspartner darauf verständigt haben, erst nach der endgültigen Qualifikation für Brasilien Fakten zu schaffen.

Dem Vernehmen nach könnte es dann aber ziemlich schnell gehen. An einer diplomatischen Hängepartie wie bei der Vertragsverlängerungsrunde im Jahr 2010 hat niemand Interesse. Damals war Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger voreilig mit der Verkündung vorgeprescht, ohne dass etwas unterschrieben war. Das entsprechende Kommunikationsdesaster zog sich dann bis nach der WM in Südafrika hin. Eine ähnliche Blamage will sich Niersbach nun unbedingt ersparen, wobei die Aussichten gut stehen, weil er nach allgemeinem Bekunden mit Löws Stab deutlich besser klarkommt als sein Vorgänger. Gleichwohl sind offenbar noch einige Details zu klären, etwa was die Ausgestaltung beidseitiger Ausstiegsklauseln nach dem Turnier in Brasilien betreffen könnte.

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Ungeachtet gegenseitiger Vertrauensbekenntnisse ist aber nicht zu leugnen, dass die gegenwärtigen Verhandlungen in einer anderen Großwetterlage stattfinden als 2010. Damals, vor der WM in Südafrika, befand sich Löw auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheitswerte. Alles andere als eine Vertragsverlängerung wäre Zwanziger als Blasphemie ausgelegt worden. Löw wiederum konnte aus seiner Position der Stärke heraus die Welt der Nationalelf nach seinen Vorstellungen gestalten.

Inzwischen hat sein Ansehen aber durchaus Risse bekommen. Nicht jeder traut ihm mehr zu, dass er, und genau er, der Mann ist, der dem DFB endlich den ersten Titel seit 1996 herbeischaffen kann. Löw ist ein Trainer, der mit planwirtschaftlicher Entschlossenheit seine Idee vom modernen Offensivfußball vorantreibt. Das sieht manchmal so überzeugend aus wie am Freitag gegen die braven Österreicher. Aber wehe es kommen ihm Gegner wie Mario Balotelli oder Zlatan Ibrahimovic in die Quere, die sich herzlich wenig um Löws schönen Planfußball scheren, dann wirkt die DFB-Auswahl mitunter gar nicht mehr so titelverdächtig.

Die mutmaßlich beschlossene Vertragsverlängerung wird Löw bis zum Tag des WM-Finales von Rio de Janeiro die Möglichkeit gegeben haben werden, das Gegenteil zu beweisen.

© SZ vom 09.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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