DFB: Theo Zwanziger:Triumphzug mit Misstönen

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Vor der Wiederwahl von DFB-Präsident Theo Zwanziger: Irritationen mit Kanzlerin Angela Merkel und juristische Duelle stören die Atmosphäre.

Thomas Kistner

Alles ist angerichtet für Theo Zwanzigers Triumphzug beim DFB-Bundestag. Rechtzeitig entschärft worden ist die Tellermine des Jahres, der bittere Machtkampf mit der Nationalmannschaftsleitung um Joachim Löw. Und diskret aus dem Fokus der Öffentlichkeit verräumt wurde auch die zweite Sprengladung, die Beziehungsaffäre um Referee Michael Kempter und Ex-Funktionär Manfred Amerell. Nun ließen sich also die üblichen Loblieder schmettern beim 40.Verbandskonvent am Donnerstag und Freitag in der Essener Philharmonie. Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Thomas de Maizière und Weltfußballboss Sepp Blatter werden erwartet.

Verstimmung wegen des Besuchs in der Kabine: Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert Mesut Özil nach der Partie gegen die Türkei. (Foto: dapd)

Doch am Montag teilte Zwanziger dem Branchenorgan Kicker per Interview mit, Amerell habe "über Jahre hinweg seine Amtspflichten verletzt". Das sieht Amerell anders. Auch hat bereits eine Kommission des Süddeutschen Fußballverbands (SFV), die mit weiteren Prüfungen zur Sache beauftragt war, nach Anhörung von einem Dutzend Zeugen erklärt, sie habe kein "sexualbezogenes sportwidriges Verhalten" Amerells ermitteln können, auch keine "missbräuchliche Ausnutzung von Funktionärsmacht". Nun bringt Amerell, während in Essen die Festtafeln ächzen, die nächste Klage gegen Zwanziger auf den Weg.

Es wirkt zuweilen grotesk, wie der alte und neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes durch die Fettnäpfchen watet - wann immer seine Eitelkeit berührt wird. Das ist schnell passiert. So war es im Dauerstreit mit einem Journalisten, der ihn "Demagoge" genannt hatte; schon damals spannte Zwanziger den DFB im Ehrenstreit ein und drohte mit Rücktritt. So war es im Ringen mit Löw und Manager Oliver Bierhoff, denen er - im Februar über Löws 50. Geburtstag - eine 48-Stunden-Frist zur Vertragsverlängerung gesetzt hatte. Was er nicht als Ultimatum interpretiert sehen will. Und so ist es jetzt im bizarren Diplomatenstreit um das Türkei-Länderspiel.

Nach dem 3:0 gegen die Türken vorletzte Woche hatten Kanzlerin und Bundespräsident samt Fotograf die DFB-Kabine im Berliner Olympiastadion gestürmt, ohne ihn, Zwanziger, von dem Überraschungsbesuch zu unterrichten oder gar mitzunehmen. Heftig und vernehmlich war Zwanzigers Entrüstung noch im Stadion, Merkel musste die Wellen später per Telefon glätten. Jetzt schlagen sie wieder hoch: Hat sich die Kanzlerin bei Zwanziger regelrecht entschuldigt für ihr PR-Solo? So wurde es offenbar beim DFB aufgefasst. Oder hatte sie nur ein "klärendes Gespräch" geführt, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch klarstellte? Jedenfalls hatte es der elementar wichtige Vorgang damit bis in die Bundespressekonferenz geschafft.

Merkel hat Erfahrung mit dem Anwalt aus Altendiez, der ihr beim Dinner auch mal, wie Beobachter berichten, politisch auf Augenhöhe zu begegnen versucht. Dabei erscheint Mitgefühl für Zwanziger in der jüngsten PR-Panne statthaft: Den Themenkreis "soziale Strahlkraft des Fußballs" hat ja er zur Chefsache erhoben. Da dürfte es besonders schmerzen, wenn das Foto, das durch alle Medien geht, Kanzlerin Merkel im Dialog mit Nationalspieler Mesut Özil zeigt, nicht aber den Integrationspräsidenten des DFB.

Neben derlei PR-Scharmützeln wird auch die Schiedsrichteraffäre Zwanziger in die neue Amtszeit begleiten. Kempter hatte Amerell der sexuellen Nötigung beschuldigt, drei Referees assistierten ihm, unterm Vorbehalt der Anonymität. Trotzdem stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg rasch alle Ermittlungen ein. Das erstaunte, auch, weil der DFB anfangs einen enormen Missbrauchsfall skizziert und Zwanziger selbst die Affäre öffentlich befeuert hatte. Etwa, indem er nach Amerells Rücktritt die Dimension der Vorgänge öffentlich nach oben korrigierte: "Die kolportierte Zahl von vier Betroffenen ist falsch, es sind mehr."

"Bin kein Prozesshansel"

Heute darf Kempter, der Deutschlands steilste Schiedsrichterkarriere bis zur Fifa-Reife hingelegt und dessen Zivilcourage Zwanziger öffentlich gefeiert hatte, nicht mal mehr beim Zwergerl-Turnier pfeifen. Die Causa könnte aber auch für den DFB-Chef noch heikel werden. Amerell verklagte Kempter auf Schadenersatz, im Herbst muss das Landgericht Hechingen klären, welcher Natur der Männerbund war: Vom Funktionär erzwungen, wie Kempter mit schwindender Intensität darlegt - oder einvernehmlich und vom Jüngeren forciert, wie Amerell behauptet.

Der will nun Hunderte Mails von Kempter vorlegen, die von einer sehr intimen Gefühlslage zeugen sollen, eher nicht von erzwungener Passion. Ein Urteil pro Amerell jedoch könnte den DFB in Bedrängnis bringen. Der hat den Funktionär nie konkret angehört zu den tief ins Persönliche reichenden, öffentlich ausgebreiteten Vorwürfen.

Nun der neueste juristische Strauß zwischen Amerell und Zwanziger. Die vom SFV gehörten Zeugen hätten weder Amtsmissbrauch dargelegt noch über Bevorzugungen berichtet, heißt es im Schlussbericht vom 14. Juni. Auch sei Amerell nur "eines von mehreren Mitgliedern des DFB-Schiedsrichterausschusses" gewesen, generell habe "das Präsidium des DFB die Personalentscheidungen bezüglich der Schiedsrichter der Bundesligen und Regionalligen" getroffen. Beim Landgericht Augsburg hat Amerell Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, der soll dem DFB-Chef zur Stellungnahme weitergeleitet werden.

Damals, nach dem Marathon-Streit mit dem Journalisten, hatte Zwanziger angemerkt, er sei "kein Prozesshansel". In Augsburg könnte der Chef des größten gemeinnützigen Sportfachverbandes der Welt nun bald einen Juristen-Stammtisch gründen. Dort ist noch ein weiterer Fall anhängig, der die zwei Kombattanten gar zum Duell vor den Richtertisch führen soll: Zwanziger ging in Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts, das ihm untersagt hatte, die Causa Kempter/Amerell mit den Problemfällen in der Kirche zu vergleichen. Den ersten Termin hatte das Gericht, ganz ohne dramaturgischen Hintersinn, für diese Oktobertage angesetzt, mitten hinein in die DFB-Krönungsmesse. Er ist in aller Stille geplatzt.

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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