DFB-Testspiel gegen Armenien:Immer schön locker bleiben

Pressekonferenz Joachim Löw

Joachim Löw freut sich auf die WM in Brasilien und gibt sich demonstrativ entspannt.

(Foto: dpa)

Vor der WM-Generalprobe gegen Armenien verteilt der Bundestrainer Einsatzzusagen an die zuletzt angeschlagenen Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Löw gibt sich demonstrativ entspannt, doch die Nervosität rund um das Team nimmt zu.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Unter anderem war am Donnerstag, als am Sitz des DFB die neuesten Details vor der Abreise der Nationalmannschaft nach Brasilien beredet wurden, von diversen Dingen die Rede, die sich zuletzt "im Netz" abgespielt hatten. Es ging demnach um ein heiß diskutiertes und daraufhin angeblich gelöschtes Trainingsfoto von Manuel Neuer, auf dem er in vermeintlich verdächtiger Weise seinen rechten Arm gehoben hatte, und es ging um Lukas Podolski, der durch eine Sponsorenaktion einen Proteststurm ausgelöst haben soll.

Nun gibt es gute Gründe, das Netz und seine interaktive Kommunikation als Geißel der Menschheit zu betrachten, als Forum des groben Unfugs und der gefährlichen Desinformation. Aber soweit würde der Bundestrainer nicht gehen, obwohl seine Nationalmannschaft häufig Gegenstand der irrsinnigsten Erörterungen im Netz ist.

Als Joachim Löw auf die Vorgänge um Neuer und Podolski angesprochen wurde, genügte es ihm, einen distinguierten Blick aufzusetzen und sein Desinteresse gerade so weit als Ausdruck von Toleranz zu bemänteln, dass die leicht erregbaren Leute im Netz nicht allzu beleidigt sein müssen. "Da kann sich jeder seine Meinung bilden", sagte er, "das ist nicht mein Thema."

Nicht mein Thema heißt bei ihm: Wird nicht wahrgenommen. Diese selbstbewusste Art der Ignoranz gehört zu den Stärken des Bundestrainers. Weite Teile der öffentlichen Debatten, die nun kurz vor dem Turnier um sich greifen, bekommt er gar nicht mit. Je näher das Großereignis rückt, umso gelassener wird Löw, das war in den vorigen Jahren so, und das ist auch jetzt so, da seine Arbeit so stark beargwöhnt wird wie nie zuvor.

Während Oliver Bierhoff in Frankfurt von der nervösen Gefangenschaft "im WM-Tunnel" berichtete, gab sich Löw wieder als Turniertrainer zu erkennen: "Ich bin nicht angespannt, ich bin entspannt, weil ich einfach eine große Freude spüre." Und das darf man ihm sogar glauben.

Was aber nicht heißt, dass es nicht trotzdem Anlass zur Sorge gibt, ob Manuel Neuer beim ersten WM-Gruppenspiel gegen Portugal im Tor stehen kann. Beim letzten Testspiel vor der Abreise, am Freitagabend in Mainz gegen Armenien, wird der Münchner jedenfalls nicht zur Verfügung stehen, obwohl der amtliche Genesungsplan des DFB-Betreuerstabs dies eigentlich vorgesehen hatte.

Neuer hat zuletzt in München zwar trainiert, aber er hat kein Torwarttraining machen können. Löw verweist zur Beruhigung auf den unfehlbaren Mannschaftsarzt: "Soweit Müller-Wohlfahrt sagt, ist es für das Spiel gegen Portugal überhaupt kein Problem." Neuer werde nach der Ankunft in Brasilien am Sonntag "auch torwartspezifisch trainieren - Manu sagt selbst, es wird drei, vier Tage dauern, dann hat er seinen Rhythmus und seine Sicherheit gefunden. Er wird einsatzbereit sein!" Bis dahin wird Roman Weidenfeller sein ungeheures Glück genießen, als 33-jähriger Spätberufener das deutsche Tor hüten zu dürfen.

Generalproben haben ihren speziellen Wert

Außer Weidenfeller erhielten für das Abschiedsspiel gegen Armenien auch Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger Einsatzzusagen. Beide hatten wie Neuer ebenfalls ein separates Training in München absolviert. "Sie haben mit dem Ball gearbeitet und die Belastung toleriert", wie Löw mitteilte.

Zu Wochenbeginn hatte das bei Lahm wohl noch anders ausgesehen, aber nun hält sich der Kapitän für gesund genug, um beim Spiel gegen die nicht zu unterschätzenden Armenier - in der Fifa-Rangliste immerhin auf Platz 33 notiert - nicht nur zum Wimpeltausch, sondern auch zum Anpfiff bereitzustehen. Lahm will mit dem Gefühl von Wettkampferfahrung am Samstagabend ins Flugzeug nach Salvador steigen. Ob er als rechter Verteidiger antritt oder als Partner für Sami Khedira und Toni Kroos im zentralen Mittelfeld, ließ Löw offen.

Schweinsteiger scheint eher als Einwechselspieler vorgesehen zu sein. Auch die Verwendung von Miroslav Klose, der am Tag nach der Ankunft im Campo Bahia seinen 36. Geburtstag begehen wird, behält sich der Trainer vor. Klose muss ihm keine Kunststücke mehr vorführen, und die allgemeinen Sorgen wegen der Abwesenheit von Strafraumspezialisten im DFB-Kader berühren Löw nicht: "Das Thema falsche Neun, richtige Neun ist ja in Deutschland rauf und runter diskutiert worden. Ich nehme diese Diskussion nicht mit ins Gepäck nach Brasilien - sonst würden wir wahrscheinlich Übergepäck bezahlen müssen."

Den Eindruck vom Treffen mit Armenien will er jedoch mitnehmen. Diese Partien vor der Abreise haben ihren speziellen Wert, das weiß Löw aus Erfahrung. 2010 verabschiedete sich sein Team mit einem 3:1-Sieg gegen Bosnien nach Südafrika, hochseriöse Zeitungen (etwa die SZ) erkannten in dem unerwartet stürmischen Auftritt - der im Vorhinein, so wie diesmal, von allerlei Skepsis geprägt war - "eine Art Blumenrevolution".

Verteidiger Arne Friedrich verwandelte sich in diesem Spiel zum Draufgänger - ein Vorgeschmack auf seine Turnierleistung. Aber daran hat Löw wohl nicht gedacht, als er sagte: "Wir wollen uns mit einem Lächeln von den Fans verabschieden."

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