DFB-Team im WM-Skandal:Wie die Nationalelf mit Niersbachs Rücktritt umgeht

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Joachim Löw: Hat Niersbach "wahnsinnig geschätzt"

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Thomas Hummel, Paris

Wenn der Ball rollt, wer denkt dann noch an die Unanständigkeiten von älteren Männern in dunklen Anzügen? Politiker und Funktionäre (oder ihre Berater) wissen um den Effekt des Sports, der so unschuldig daherkommt und alle Sorgen vertreibt. Auch Oliver Bierhoff weiß das. "Jetzt umso mehr", antwortete der Manager der Nationalmannschaft auf die Frage, wie wichtig die Fußballspiele am Freitag in Paris gegen Frankreich und am Dienstag in Hannover gegen die Niederlande seien. Diese sogenannten Klassiker sollen für ein paar Stunden den Gestank der Affäre um die WM 2006 aus den Kleidern des Deutschen Fußball-Bundes wehen.

Nun mag niemand Oliver Bierhoff oder anderen im DFB unterstellen, mit einem Länderspiel vom vielleicht größten Skandal der Verbandsgeschichte ablenken zu wollen. Dennoch dürften manche froh sein, dass es rund um den DFB nun ein zweites Thema gibt: die Nationalmannschaft. Sie ist das Vorzeigeobjekt des DFB, erst recht jetzt, als Weltmeister.

Thomas Müller beschrieb seine Rolle und die seiner Mitspieler recht gut: "Wir sind als Fußballer Unterhalter, die die Leute glücklich machen sollen." Ein bisschen Glück können sie auch in seinem Verband derzeit gut gebrauchen.

Während die Mannschaft ein Testspiel gegen den Gastgeber der Europameisterschaft im kommenden Jahr bestreitet, sollen in Paris die sogenannten Würdenträger zusammenkommen und versuchen, die Würde ihres Verbands wiederherzustellen. Dabei geht es auch um die Nachfolge des zurückgetretenen Präsidenten Wolfgang Niersbach. Am Freitag sollen die Übergangs-Vorsitzenden Rainer Koch und Reinhard Rauball mit Schatzmeister Reinhard Grindel sowie Generalsekretär Helmut Sandrock bei einem Treffen in Paris die Köpfe zusammenstecken. Wobei unklar ist, ob nach den neuesten Entwicklungen der Kopf von Helmut Sandrock dabei ist.

An diesem Donnerstag wurde öffentlich, dass Sandrock und Niersbach offenbar schon vor Wochen von DFB-Vize-General Stefan Hans über den ominösen Vertrag zwischen Franz Beckenbauer, dessen Vertrautem Fedor Radmann und Jack Warner unterrichtet worden sind. Darin soll es um mögliche Bestechung gehen kurz vor der Vergabe der WM 2006. Der DFB hatte diesen Fund aber nicht kundgetan, sondern offenbar anderweitig abgeheftet. Woraufhin die Kanzlei Freshfields bei den Ermittlungen auf das Papier gestoßen ist. Dieser Vorgang soll schließlich zum Rücktritt von Niersbach geführt haben. Sollte er sich bewahrheiten, wäre wohl auch Sandrock schwer zu halten.

"Ich wünsche ihm, dass er alles gut übersteht"

Die Turbulenzen werden heftiger. Doch beeinflusst dies die Fußballer und ihre Betreuer überhaupt? "Mich beeinflusst das als Mensch", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Er habe Niersbach "wahnsinnig geschätzt", dieser habe für ihn und Bierhoff immer ein offenes Ohr gehabt für die sportlichen Belange. "Wir hatten ein sehr enges, vertrautes Verhältnis." So oder so ähnlich äußerten sich alle Mitglieder der Nationalmannschaft in den vergangenen Tagen. Niersbach: der Freund, der Skatspieler, der Kümmerer. Beispiel Torwarttrainer Andreas Köpke: Er habe Wolfgang Niersbach als sehr loyalen, fairen Sportsmann kennengelernt. "Dass es ihn jetzt so erwischt hat, tut mir sehr leid. Ich wünsche ihm, dass er alles gut übersteht."

Der Sport funktioniert in Krisen oftmals anders als Politik oder Wirtschaft. Man hat zusammen Siege und Niederlagen erlebt, sich gefreut und geärgert. Sportsgeist beinhaltet oft auch Kumpelei. Man ist eben eine Mannschaft. "Er war nahe an der Mannschaft dran, mit uns Spielern immer nett. Mit ihm sind wir Weltmeister geworden", sagte Lukas Podolski und befand: "Er war ein guter Präsident für uns als Team, für mich persönlich auch. Darum ist es schade, dass es so gekommen ist."

Was sollen die Spieler auch anderes sagen? Da will sich niemand den Mund verbrennen, gerade wenn die Kameras laufen. Mit Thomas Müller: "Ich werde einen Teufel tun und mich jetzt dazu äußern. Und morgen in der Zeitung stehen."

Allein Ilkay Gündogan äußerte sich mit leiser Kritik zu der Affäre. Aber nicht live vor Kameras, sondern in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Wir Spieler haben eine sehr große Verantwortung gegenüber den Fans, gerade für Kinder und Jugendliche, die uns als Vorbilder nehmen und zu uns aufschauen. Deswegen ist es für uns immer enorm wichtig, dass wir uns dementsprechend präsentieren. Und das erwartet man natürlich auch von Funktionären in Führungsrollen."

In den vergangenen Jahren, pikanterweise verschärft seit der WM 2006, gibt es im Fußball nur eine Richtung: bergauf. Immer mehr Zuschauer, immer mehr Geld, immer mehr Einfluss. Nun deutete Bierhoff an, dass der Skandal der Funktionäre auch das Geschäftsmodell negativ beeinflussen könnte. Das Spiel gegen die Niederlande am Dienstag wird vermutlich nicht ausverkauft sein. Wenden sich die ersten Kunden ab? Bierhoff verband diese Nachricht mit der Forderung an die Nationalmannschaft, mit einer guten Leistung, einem "beherzten Auftritt" für Freude und Identifikation zu sorgen.

Die Aussichten dafür stehen nach den Worten von Bundestrainer Löw gar nicht schlecht. Denn während der Mensch Löw betroffen wirkt ob der Vorgänge, geht der Bundestrainer Löw weiter seiner Aufgabe nach. "In meiner Arbeit belastet mich das jetzt nicht", sagte er.

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