DFB-Team:Hummels sendet den nächsten Appell

Mats Hummels vor der Presse bei der Fußball-WM 2018

Mats Hummels: Versucht, eine Führungsfigur zu sein

(Foto: Getty Images)
  • Es hat viele Debatten gegeben nach Deutschlands verunglücktem Start in dieses WM-Turnier, eine davon war eine Hummels-Debatte.
  • "Ich spreche da über inhaltliche Dinge, und es wird immer so getan, als würde ich irgendwelche Leute beleidigen", sagt der Innenverteidiger nun.
  • Vor dem Spiel gegen Schweden erneuert er seinen Appell an die defensive Disziplin der Vorder- und Nebenleute.

Von Christof Kneer, Sotschi

Am Samstag also dieses vorgezogene Endspiel gegen Schweden, Herr Hummels, was muss die Mannschaft da besser machen? Es war eine sehr klare Frage, die Mats Hummels vor dem Training am Donnerstag gestellt wurde, aber er beschloss, dass es auf eine klare Frage nicht zwingend eine klare Antwort geben muss. Man habe "zwei, drei Sachen besprochen, die uns stabiler machen werden", sagte Hummels und beendete den Satz. Ob er die zwei, drei Sachen benennen könne, wenigstens ungefähr? Nein, sagte Hummels. Er habe "keine Lust mehr, für inhaltliche Aussagen wieder so in die Kritik zu kommen".

Es hat viele Debatten gegeben nach Deutschlands verunglücktem Start in dieses WM-Turnier, eine davon war eine Hummels-Debatte. Man habe es den Mexikanern "zu leicht gemacht", hatte Hummels unmittelbar nach Spielschluss im deutschen Fernsehen gesagt, und: "Wenn sieben oder acht Spieler offensiv spielen, dann ist klar, dass die offensive Wucht größer ist als die defensive Stabilität. Das ist das, was ich intern oft anspreche. Das fruchtet anscheinend noch nicht so ganz."

Was macht der Hummels da vorne!

Kaum waren diese Sätze auf dem Markt, wurden sie schon alle verfügbaren Kanäle rauf- und runtergejagt, und immer waren sie unterlegt mit dieser Frage: Darf der Hummels das? Ein eher kleinerer Teil der Nutzergemeinde vertrat die Auffassung, dass es sich hierbei um einen nützlichen Sachbeitrag eines voll stimmberechtigten Mannschaftsmitglieds handelte. Die Mehrheit aber dürfte sich in jenen Schlagzeilen wiedergefunden haben, die der Boulevard so leidenschaftlich herstellt.

Hoppla, was ist das? Verteidiger teilt aus! Hummels geht auf Teamkollegen los!

Er wisse "ehrlich gesagt nicht", ob er künftig "noch auf inhaltliche Themen eingehen sollte", sagte Hummels am Donnerstag, als er sich in Sotschi den Reportern stellte. "Ich spreche da über inhaltliche Dinge, und es wird immer so getan, als würde ich irgendwelche Leute beleidigen."

Tatsächlich ist es nicht leicht, in Deutschland ein sogenannter Führungsspieler zu sein. Das Fußballland hat einerseits eine tiefe Sehnsucht nach dieser Art von Spielern, die sich nichts gefallen lassen und auch den Mut zum offenen Wort besitzen. Gleichzeitig wird jede Wortmeldung ins Klitzekleinste zerlegt und auf toxische Spuren untersucht, und in Hummels' Fall fiel es den Kritikern ja nicht mal schwer, dem Spieler einen Verstoß gegen einen verborgenen Kodex vorzuwerfen. Gerade Hummels war es ja gewesen, der vor dem Siegtreffer der Mexikaner in der Nähe der Mittellinie einen Zweikampf verlor, den er gemäß Branchenlogik nicht hätte verlieren dürfen. Was macht der Hummels da vorne! Wenn er da hingeht, dann muss er den Ball aber auch haben!

Die Abwehr besteht aus Einzelgeschichten

Wer das Standbild dieses Zweikampfes sieht, wird wohl tatsächlich erst mal auf "schuldig" plädieren. Wer aber die ganze Szene durchlaufen lässt, erkennt natürlich jenes absurde Spielmuster, das den deutschen Start so gründlich scheitern ließ. Die Innenverteidiger Mats Hummels und Jérôme Boateng trieben so ungeschützt Sport, wie man das auf diesem Niveau kaum glauben sollte. Kein Mittelfeldspieler stand ihnen bei, kein Außenverteidiger rückte ein, sie wurden in prekäre Situationen und somit fast unweigerlich zu Fehlentscheidungen gezwungen.

Wer diese Muster noch mal sieht, wird Hummels' Debattenbeitrag für das halten, was er war: ein legitimer Hilfe- und Weckruf, den der Verteidiger nun vor dem vielleicht schon entscheidenden Spiel gegen Schweden noch mal erneuerte. Man dürfe sich "nicht wieder verleiten lassen, die Aufgaben über Bord zu werfen, nur weil es gerade so verlockend ist" - wieder ein klarer Appell an die defensive Disziplin der Vorder- und Nebenleute, der einem Verteidiger wie Hummels erlaubt sein sollte.

Hummels weiß natürlich, dass gerade die deutsche Abwehr aus vielen Einzelgeschichten besteht. Der Torwart Manuel Neuer und der Abwehrkollege Jérôme Boateng haben Verletzungsgeschichten mitgebracht in dieses Turnier, sie sind im letzten beziehungsweise allerletzten Moment fit geworden. Rechtsverteidiger Joshua Kimmich hat in der Liga zuletzt etwas überspielt gewirkt, Linksverteidiger Jonas Hector ist mit dem 1. FC Köln abgestiegen. In Summe ergibt das eine Defensive, der man etwa als defensiver Mittelfeldspieler Hilfe zur Selbsthilfe leisten sollte. Der einstmals so autoritäre Zentralblock Neuer/Boateng/Hummels/Khedira ist in die Jahre gekommen und kann seine Arbeit nur dann zur Zufriedenheit aller Beteiligten verrichten, wenn jeder seinen Job "gewissenhaft und schlau ausübe", sagte Hummels.

Dann schaute Mats Hummels noch kurz in die Runde und ging. Er fand, er hatte wieder etwas gesagt, was er sagen durfte.

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