DFB-Team:Kimmich und Werner könnten die Impulse geben

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Verfügt über einen enormen Ehrgeiz: Joshua Kimmich. (Foto: REUTERS)

Auf dem Weg zum WM-Titel kommt auf Joshua Kimmich und Timo Werner eine wichtige Aufgabe zu: Sie müssen Bundestrainer Löw helfen, den Weltmeistern die Körper zu straffen und die Sinne zu schärfen.

Kommentar von Christof Kneer, Watutinki

Vor Kurzem war der junge Joshua Kimmich mal wieder in Stuttgart. Er hat die Nachwuchsakademie des VfB besucht und seinen ehemaligen Trainern und Pädagogen die Hand geschüttelt, und am Ende seiner kleinen Nostalgietour hat Kimmich dann noch eine Geschichte über Kimmich erfahren, die er selbst längst vergessen hatte. In der U17, so erzählte ihm der Akademie-Pädagoge, habe sich der kleine Kimmich mal darüber beschwert, dass die anderen Jungs beim Mittagessen immer auf ihre Handys starrten, deshalb habe der kleine Kimmich ein Handyverbot angeregt. Und weil Kimmich quasi der abteilungsleitende Jugendliche in dieser Gruppe war, wurde seine Anregung als Befehl verstanden und umgehend umgesetzt. Keine Handys beim Mittagessen: Diese Anordnung gilt in der VfB-Akademie sechs Jahre später immer noch, und sie hat inzwischen sogar einen Namen. Sie nennen sie die "Kimmich-Regel".

Ein Führungsschüler war der kleine Kimmich immer schon, und auf seinem Weg zum Führungsspieler bei den großen Jungs ist er schon ganz schön vorangekommen. Er scheue sich nicht, im Kreis der Nationalspieler seine Meinung zu sagen, wenn er gefragt werde, sagte Kimmich am Freitag in Watutinki, das klang bescheidener, als es gemeint war. Kimmich verfügt über einen Ehrgeiz, für den man in der Branche schwer eine Vergleichsgröße findet, es sei denn, man vergleicht den Ehrgeiz von Joshua Kimmich mit dem Ehrgeiz von Joshua Kimmich.

Kimmich und Werner sind von Weltmeistern umstellt

Beinahe hätte Kimmich, 23, es geschafft, in der DFB-Elf bereits jetzt ein Alleinstellungsmerkmal zu sein, nun muss er sich mit einem Zweistellungsmerkmal zufriedengeben. Nicht nur er allein verleiht dieser sehr routinierten Weltmeister-Mannschaft einen neuen Impuls, auch der Angreifer Timo Werner, 22, hat sich inzwischen eine bedeutende Rolle in der Startelf von Jogi Löw gesichert. Werner wurde übrigens in derselben Akademie wie Kimmich ausgebildet (und musste sich als Nachfolge-Jahrgang bereits an die Kimmich-Regel halten).

Kimmich und Werner sind von Weltmeistern umstellt, aber sie sind selbstbewusst genug, ihren Wert zu kennen: Sie geben den alten Meistern eine frische Farbe hinzu. Mit jugendlichem Sturm und Drang werden Kimmich und Werner den Trainer Löw bei dessen zentraler Aufgabe unterstützen müssen: Löw muss seinen Weltmeistern noch mal die Körper straffen und die Sinne schärfen, er muss sie in eine titeltaugliche Stimmung versetzen und dafür sorgen, dass die zahlreichen gefahrenen Kilometer von Boateng, Hummels, Khedira, Müller und Özil zum Vor- und nicht zum Nachteil werden.

Binnendruck und Binnenklima sind entscheidende Faktoren bei einem Turnier, und so sind nun selbst die erfahrenen Weltmeister auf neue Art gefordert. Beim heiligen Turnier in Brasilien waren noch Spieler wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und der in dieser Hinsicht gern unterschätzte Per Mertesacker für die Kabine verantwortlich, sie waren wichtig bei jenen kritischen Debatten, die sich nach der Vorrunde um Lahms Position auf dem Feld entzündeten. Khedira drängte zurück ins Team und machte seine Stellung geltend, Lahm wollte das Zentrum nicht räumen und machte ebenfalls seine Stellung geltend, und am Ende gelang es den Spielern, Egos und gruppensoziale Verantwortung so abzumischen, dass aus Reibung Wärme und am Ende der Titel entstand.

Diesmal werden Neuer, Khedira, Hummels, Müller und Co. solche Prozesse selbst organisieren müssen, ohne die Expertise von Lahm und Schweinsteiger oder die integrative Kraft von Per Mertesacker. Beruhigend ist immerhin dies: Sollten die Weltmeister mal nicht weiterwissen, müssen sie sich nicht scheuen, den kleinen Kimmich um Rat zu fragen.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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