DFB-Sieg gegen Georgien:Qualifiziert, aber bedient

EM-Qualifikation - Deutschland - Georgien

Trotz des späten Siegtores durch Kruse: So richtig glücklich wirkt die DFB-Elf nicht.

(Foto: dpa)

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Thomas Müller ist nicht nur ein Experte im Hakenschlagen, sondern auch für Gesichtsausdrücke. Die Version "Bedientsein" beherrscht er nicht nur in Perfektion, sondern auch in verschiedenen Ausprägungsstufen. Als am Sonntagabend durch das 2:1 gegen Georgien die EM-Qualifikation der DFB-Elf gesichert war, schnaufte Müller nicht durch, er schaute ins Leere. "Wir haben jetzt die Quali geschafft", sagte der Nationalspieler und sah moderat bedient aus, "aber wir gehen jetzt nicht zufrieden ins Bett."

So fahrlässig wie am Donnerstag

So manchem Nationalspieler und auch Bundestrainer Joachim Löw wird wohl noch eine Zeit lang durch den Kopf schwirren, wie holprig die EM-Teilnahme gelang, da sind Einschlafprobleme garantiert. "Wir können heute das gleiche Lied singen wie gegen Irland", sagte Löw, "das ist nicht unser Standard." Schon wieder war der Auftritt der Deutschen so fahrlässig wie wenige Tage zuvor - und schon das 0:1 vom Donnerstag hatte das Team selber kaum glauben können. Nun also ein knappes 2:1 gegen den 110. der Weltrangliste, das beherrschende Gefühl acht Monate vor der EM in Frankreich ist: Ernüchterung.

"Natürlich ist man frustriert, wenn's zur Halbzeit null zu null steht", sagte Müller, "obwohl man sehr viel investiert hat, damit es nicht null zu null steht." Gegen Georgien hatte die deutsche Mannschaft tatsächlich gleich zu Beginn viel investiert, Müller schoss, Reus schoss, Özil schoss, keiner traf. "Im Training sind wir eiskalt", kommentierte Özil später, "im Training schießen wir gefühlt 50 Tore", sagte auch Manuel Neuer - nur leider werden Trainingstore bisher noch nicht in der EM-Qualifikation anerkannt. Nach spätestens 30 Minuten legte sich wieder diese Dublin-Atmosphäre über das Spiel. "Wir machen uns das Leben gerade selber schwer", sagte Müller. Und Özil. Und Neuer. Und wohl jeder DFB-Vertreter an diesem Abend.

Trotz etlicher herausgespielter Torchancen, insbesondere von Reus, hatte das Team tatsächlich einen Elfmeter nötig, um in Führung zu gehen. Müller verwandelte in der 50. Minute und als die Hoffnung gerade wieder erwachte, dass damit der Startschuss gefallen war, traf Georgien schon zum Ausgleich. "Du weißt, du bist schon 60 Minuten angerannt, hast dein Tor gemacht und dann kommt der Gegner trotzdem zum 1:1. Dann geht's im Kopf ein bisschen los", erklärte Müller.

Mitleid mit Robben

Die Abwehr zerbröselte fortan, beinahe hätte Tornike Okriashvili in der 60. Minute sogar das 2:1 erzielt - und Deutschland hätte noch um die EM-Teilnahme bangen müssen. "Wenn man die Großchancen gegen uns gesehen hat, hätte man nicht geglaubt, dass man gerade gegen Georgien spielt", sagte Neuer. Gemeint hat er damit aber weniger die Qualität des gegnerischen Angriffs, sondern die der eigenen Abwehr.

"Wir haben im Mannschaftsverbund zu große Lücken gehabt, wir müssen an der Kompaktheit arbeiten", sagte Mats Hummels diplomatisch. Für ihn war der Abend in Leipzig auch fast wieder wie in Dublin: Zwar war der georgische Ausgleich nicht sein Vermächtnis, dafür rettete Neuer gleich zweimal nach seinen Patzern in überragender Manier.

Euphorie ist derzeit kein Thema mehr beim Weltmeister, trotz des Gruppensieges. Wobei: Einer, der hatte dann doch ein Strahlen im Gesicht nach Spielende in Leipzig. Dem Wolfsburger Max Kruse war schließlich der entscheidende Treffer zum 2:1-Endstand gelungen, nur drei Minuten nach seiner Einwechslung lieferte er in Sachen Effizienz eine Mustervorstellung ab, für die er in Streber-allergischen Schulklassen sofort eine Abreibung bekommen hätte. Ein einfaches Tor durch einen flachen Pass von Özil in die Mitte - so was geht noch im verkünstelten deutschen Team? Kruse erklärte: "Bellarabi, Volland und ich haben uns aufgewärmt und dabei gesagt: Einer von uns kommt rein und macht das entscheidende Tor. Ist natürlich schön, dass es dann auch geklappt hat."

Nachdenkliche Passagiere im Teambus

Große Aufmerksamkeit für seinen Treffer wollte Kruse aber nicht, er fühlte ja, dass das Team in anderen Gedanken steckte. Um kurz vor Mitternacht verließ der Mannschaftsbus die Arena in Leipzig mit vielen nachdenklichen Passagieren.

Kurz vor der Abreise hatte Müller aber noch sein bedientes Gesicht kurz abgelegt. Angesprochen auf Arjen Robben und sein Schicksal, mit den Niederlanden höchstwahrscheinlich die EM zu verpassen, antwortete der Münchner: "Natürlich wäre das für Arjen nicht schön, aber er hat ja immer noch den FC Bayern." Und: "Für so eine EM muss man sich eben qualifizieren."

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