DFB: Schiedsrichter-Affäre:Kempter weist Vorwürfe zurück

Neue Details in der Affäre: Ein Regionalliga-Schiedsrichter belastet den bisherigen Ankläger, Manfred Amerells Frau kündigt eine Pressekonferenz an.

Th. Kistner

Die Affäre um sexuelle Belästigungen im DFB-Schiedsrichterwesen erfährt kurz vorm Landgerichtstermin am Donnerstag in München eine dramatische Wendung. Nach SZ-Informationen hat sich ein Regionalliga-Schiedsrichter an den ermittelnden DFB-Justiziar Jörg Englisch gewandt und eine Belästigung durch Fifa-Referee Michael Kempter angezeigt. Der Vorfall soll sich am 13. Mai 2009 in einem Düsseldorfer Hotel zugetragen haben, wo Kempters Gespann und ein in der Region eingesetztes Drittliga-Gespann logiert hatten (SZ 27./28.2.).

Kempter wies die Vorwürfe, die er schon am Freitag kannte, als "falsch" zurück und tat dies am Sonntag erneut via dpa: "Ich weiß, dass nichts war." Man habe nach dem Spiel nur "auf meinem Hotelzimmer ein Bier getrunken". Kempter selbst hatte den zurückgetretenen Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell der sexuellen Belästigung beschuldigt und so die Affäre ausgelöst. Zugleich verstärkte der DFB seine Vorwürfe gegen Amerell.

Die neue Beschuldigung gegen Kempter könnte jedoch von Bedeutung sein für den Prozess, den Amerell gegen den DFB anstrengt. Der Augsburger will dem Verband im ersten Schritt untersagen lassen, ihm öffentlich "sexuelle Belästigung und Übergriffe" vorzuwerfen. Amerell bestreitet nicht seine vormals engen Kontakte mit Kempter, aber jede Nötigung. Als unstrittig gilt bisher nur Amerells Verfehlung im Umgang mit Referees. Ob dabei erzwungene Begegnungen zugrunde lagen, dürfte für das Gericht nach Lage der Dinge eine zentrale Rolle spielen.

Im Raum steht dabei auch eine SMS, die Kempter im Januar an Amerell schickte. "Wieso machen wir alles kaputt?", fragt er den Mann, dem er Übergriffe anlastet. "Komm doch ohne Dich auch nicht klar!" DFB-Chef Theo Zwanziger, dem diese SMS seit 1. Februar bekannt war, bekräftigte seine Position am Wochenende in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "Wir beschützen diejenigen, deren Ehre wie im Fall unseres jungen Schiedsrichters Michael Kempter in Gefahr ist, verletzt zu werden."

Doch die neuen Vorhaltungen gegen seinen Kronzeugen Kempter bringen den DFB in Erklärungsnot. Auch deshalb erscheint der Schritt vors ordentliche Gericht als notwendig. Reichlich verwirrend wirkte am Wochenende der offizielle DFB-Text: "Im Gegensatz zu Amerell liegen dem DFB bei Kempter keine Hinweise auf eine Pflichtverletzung vor. Wie und mit wem ein Mitarbeiter sein Privatleben verbringt, ist für den DFB nicht zu bewerten."

Wenn das, was Kempter angelastet wurde, unbedeutend für den DFB ist, der den Vortrag kennt, liegt der Schluss nahe, dass der Kläger private Banalitäten vortrug. Die Frage bliebe, warum ein junger Referee wegen einer nicht zu beanstandenden Begegnung mit Kempter die Amerell-Ermittler anruft, die just den größten Sittenskandal im 6,3-Millionen-Mitglieder-Verband abhandeln. Hat der junge Mann, andererseits, sexuelle Übergriffe durch den Referee angezeigt, wäre dies eine neue Affäre. Und der DFB müsste erklären, warum er nicht ein neues Verfahren eröffnet hat.

Letzteres ist jedenfalls aus Sicht von Amerells Anwalt Jürgen Langer erforderlich. Langer gestern: "Nach den mir vorliegenden Beweisunterlagen vervollständigt sich mit diesem Vorgang ein von Beginn an vermutetes Mosaik. Darin ist der besagte Vorfall nur ein Stein von vielen."

Die neue Rolle von Franz-Xaver Wack

Stattdessen befasste sich der DFB am Sonntag ganz kurzfristig in sehr kleinem Pressekreis mit einem anderen Thema: Ein Schiedsrichter-Trio habe Vorwürfe gegen Amerell erhoben - wovon eigentlich seit Wochen ausgegangen wird. "Wir werden als Täter hingestellt, aber unser Leben wurde kaputt gemacht", sagte einer in der Runde, an der auch Kempter teilnahm. Insgesamt sechs Personen hätten Eidesversicherungen zur Vorlage beim Landgericht unterschrieben: Neben Kempter und dem Trio ein Referee, der Beobachtungen bezüglich Amerell gemacht habe, sowie DFB-Justiziar Englisch.

Kempter und Kollegen hatten sich angeblich zu Beratungen mit Englisch, dem Nationalteampsychologen Hermann sowie Ex-Referee Franz-Xaver Wack getroffen. Wack fungiere als "Vertrauensperson" der Referees, hieß es dabei. Eine neue Rolle, die bisher völlig unbekannt war. "Es ist ein komplexes Netzwerk'', sagte Wack, "wo wir selbst nicht wissen, ob das schon das Ende ist."

Anwalt Langer zeigte sich von dem öffentlichen Vorstoß des DFB am Sonntagnachmittag nicht überrascht. Am wenigsten von der eiligen Einführung Wacks als neuem Mitspieler in der Affäre. Über Wack werde zu reden sein, Langer kündigte eine Pressekonferenz für den Montag an: "Aufgrund der heutigen Berichterstattung im Zusammenhang mit den 'Beratungen' zwischen Michael Kempter und weiteren Schiedsrichtern in Anwesenheit des ehemaligen DFB-Schiedsrichters Dr. Franz-Xaver Wack sieht sich Frau Margit Amerell, die Ehefrau von Manfred Amerell, veranlasst, zu den Vorgängen in der Nacht auf Samstag, den 27.2.2010, 00.30 Uhr bis 03.00 Uhr, sowie zu den heutigen Kommentaren von Dr. Franz-Xaver Wack öffentlich Stellung zu nehmen!"

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