DFB: Schiedsrichter-Affäre:"Jetzt wird geklagt"

Mit der Affäre Amerell/Kempter beschäftigt sich nun auch die Staatsanwaltschaft. Während die Parteien die Konfrontation verschärfen, gerät DFB-Chef Theo Zwanziger immer mehr unter Druck.

Thomas Kistner

Der Freitag begann mit einem Schock für die Rechtsanwälte der Kanzlei Paproth, Metzler und Partner in der Münchner Innenstadt: In der Nacht gab es einen Einbruchsversuch in ihrer Kanzlei. "Es gibt hier zwei Türen", sagte Lutz Paproth der SZ, "die erste wurde geknackt, die zweite schafften sie nicht. Uns fehlt nichts. Es war kein sehr professioneller Versuch, mit dem Brecheisen hier reinzukommen."

Die Spurensicherung war am Freitagmorgen am Werk, gesichert, sagt Paproth, sei bisher, dass der Einbruchsversuch nach zwei Uhr morgens stattgefunden haben müsse. "Gegen halb zwei Uhr nachts war Kollege Jürgen Langer nochmal im Büro, um Akten für einen Fall am Freitag zu holen." Auf die Eindringlinge und ihre möglichen Motive gebe es derzeit keinerlei Hinweise.

Turbulent war es für Paproth, Langer und Kollegen auch am Vortag beim Münchner Landgericht zugegangen, wo sie einen ,,wichtigen Etappensieg'' (Langer) für ihren Mandanten Manfred Amerell in der Schiedsrichter-Affäre gegen den Deutschen Fußball-Bund errungen hatten. Nach einem Verhandlungsmarathon - nicht im von den Medien belagerten Gerichtssaal, sondern einige Türen weiter im Richterzimmer - hatte es Langer geschafft, dem DFB per Vergleich das abzuringen, was das eigentliche Ziel seines Unterlassungsantrages war (den er im Gegenzug zurückzog): Die DFB-Vertreter mussten Amerell die Identität und die Eidesversicherungen ihrer fünf Zeugen präsentieren, die den 63-Jährigen sexueller Übergriffe bezichtigen.

Während der DFB nach dem Vergleich per Pressetext von Erfolg redete - Amerell sei verpflichtet, "die Namen der Schiedsrichter nicht an Dritte weiterzugeben" - kündigte dieser an, das sehr wohl zu tun, über den Umweg von Prozessen, in deren Verlauf die Beklagten ja automatisch bekannt werden würden. Amerell sagt: "Vor Gericht ist das Wort des DFB gebrochen - wo ist dann der versprochene Schutz für die jungen Leute?" Der DFB hatte seinen Zeugen die Wahrung der Anonymität zugesichert.

Nach kurzer Sichtung der Eidesversicherungen, so Amerell, sehe er ,,der Sache sehr gelassen entgegen. In dem Punkt hat der DFB recht, die Aussagen sind so ähnlich, wie wenn ein Chor beim Singen unterwegs gewesen wäre''. Hingegen teilte der DFB inzwischen mit, er werde die Akte Amerell an die Staatsanwaltschaft Augsburg geben. Die solle sich ,,ein umfassendes Bild machen, nachdem Amerell bereits von sich aus angekündigt hat, rechtliche Schritte gegen die betroffenen Schiedsrichter einzuleiten''.

Während sich die Affäre beim DFB in alle Richtungen ausweitet, will Amerell ab Montag mit der anwaltlichen Prüfung der Eidesversicherungen beginnen. "Danach wird geklagt", sagte Amerell, "als Erster ist Michael Kempter dran." Bundesliga-Schiedsrichter Kempter ist der Kronzeuge des DFB gegen Amerell.

Verbandschef Theo Zwanziger hat sich früh auf die Seite des 27-Jährigen gestellt, der die Affäre Mitte Dezember mit einer Anzeige bei Schiedsrichterchef Volker Roth losgetreten hatte. Als Zwanziger die Affäre verbandsintern aufgriff, präsentierte ihm Amerell in Gegenwart von Generalsekretär Wolfgang Niersbach und DFB-Personalchef Stefan Hans eine zwei Wochen alte SMS Kempters, in der eine sehr vertraute Tonart gepflegt wird. Amerell sagt heute, er habe den DFB-Spitzen weitere Andeutungen gegeben, dass eine innige Beziehung zu Kempter bestehe.

Wollte Kempter eine stille Beilegung der Affäre?

Kempter selbst habe ihm noch am 3.Februar per SMS mitgeteilt, er habe sich nun seinerseits in der Sache an den DFB gewandt, "dass es so geklärt werden muss. Es hängen Familien von allen drin." War Kempter da an einer stillen Beilegung der Affäre interessiert?

Der DFB habe ihn fortan zum Rücktritt gedrängt, sagt Amerell. DFB-Vizepräsident Rolf Hocke bestätigte der SZ, er habe aus einer Sitzung des Verbandspräsidiums am 4. Februar auf präsidialen Wunsch Amerell angerufen, um ihn zum Rücktritt zu bewegen. Amerell ließ sein Amt ruhen, der Rücktritt kam aber erst am 12. Februar, nachdem die Affäre durch alle Medien gegangen war.

Dazu erklärte der DFB am Freitag: "Die Behauptung Herrn Amerells, er sei in Bezug auf den Rücktritt von seinen Ämtern 'erpresst' worden, weist der DFB entschieden als falsch zurück." Amerell sei von sich aus, ohne jede Einflussnahme des DFB, zurückgetreten, verbunden mit der Bitte um Bestätigung, dass die verbandsinterne Prüfung eingestellt wird.

Am Freitag gab der DFB bekannt, dass Kempter vom Zweitligaspiel Union Berlin - MSV Duisburg am Sonntag abberufen sei. Der Referee äußerte ahnungsvoll gegenüber Bild-online: "Amerell hat ja angekündigt, wenn er untergeht, nimmt er mich mit. Das macht er jetzt wahr."

Amerell hatte in der Sat.1-Sendung Kerner am Donnerstag weitere Mails von Kempter präsentiert, die von großer Nähe zeugen. Am Freitag erklärte Kempter den intimen Ton der Mails mit der "unglaublichen Drucksituation". Laut sid sagte er: "Wenn ich mal nur noch ,Liebe Grüße, Michael' geschrieben habe, war er sofort böse und beleidigt, rief mich an und drohte mir damit, dass es kein Spiel mehr für mich gäbe, wenn ich so was nicht mehr schreiben würde. Ich konnte nicht einfach sagen, ich mache das nicht mehr." Kempter bestreitet weiter, ein sexuelles Verhältnis oder eine Affäre gehabt zu haben. Amerell kontert: "Es ist sogar so, dass er mir geschrieben hat, warum ich nur liebe Grüße schreibe."

DFB-intern wird bereits vermutet, dass Ende April ein Sonderbundestag stattfinden und Präsident Zwanziger dort die Vertrauensfrage stellen könnte. Erste Gerüchte handeln Franz Beckenbauer als Nachfolger.

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