DFB-Präsident:Theo macht weiter

Zufrieden und erfreut: Trotz aller Turbulenzen in der Schiedsrichter-Affäre ist DFB-Präsident Zwanziger im Amt bestätigt worden.

Philipp Selldorf

Der Mann hatte leiden müssen, er hat das später auch gar nicht verschweigen wollen. Als er am Nachmittag vor der DFB-Zentrale ins Freie trat, nach fast vier Stunden pausenloser Beratung, standen ihm Anspannung und Nervosität im Gesicht geschrieben. Dann griff er in die Tasche seiner dunkelblauen Anzugjacke, holte das Päckchen hervor, steckte eilig eine Zigarette in Brand - und im nächsten Moment formte sich ein Lächeln im Gesicht von Gerhard Mayer-Vorfelder.

Es war nur ein harmloser Zufall, dass statt Theo Zwanziger dessen Vorgänger vor die Tür des Hauptquartiers trat. Mayer-Vorfelder, im Rang des Ehrenpräsidenten in den höchsten Rat des Verbandes aufgenommen, wollte aber kein Signal setzen, indem er sich nach der landauf, landab gespannt erwarteten Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes als Erster draußen vor den TV-Kameras blicken ließ.

Er hatte den seit Stunden wartenden Reportern auch nichts bekannt zu geben, "ich sag' gar nichts", verkündete er fröhlich; nicht mal die elementare Frage, ob denn sein Präsidentenfreund Zwanziger im Amt bliebe oder womöglich gerade eben zurückgetreten sei, wollte er beantworten. Der 77-Jährige, der auch zu dieser Veranstaltung wieder eine beneidenswerte Gesichtsbräune mitgebracht hatte, wollte bloß friedlich vor der Tür stehen und rauchen.

Nicht ganz undramatisch

Theo Zwanziger, die Hauptfigur des Tages, wirkte im direkten Präsidenten-Vergleich deutlich angestrengter, als er am späten Freitagnachmittag im Sitzungssaal eines Flughafenhotels zur Pressekonferenz Platz nahm. Man hatte den Saal vorsorglich gebucht, aber bis zum Ende der von manchen Teilnehmern schon als schicksalhaft empfundenen Sitzung stand noch nicht fest, ob er gebraucht würde respektive ob Zwanziger in der Stimmung sein würde, sich vor der Öffentlichkeit zu erklären.

Durch sein demonstratives Schweigen während der vergangenen Tage hatte er Spekulationen hervorgerufen. Nicht nur bei den Verbandskollegen und den Bündnispartnern aus dem Profifußball kamen Ahnungen auf, er könne aus bitterer Betroffenheit über die Kritik an seinem Verhalten in der Affäre um den Schiedsrichterfunktionär Manfred Amerell den Abschied einreichen. Auch im DFB-Haus herrschte am Freitag Unsicherheit über die Absichten des Präsidenten. Aber als um kurz nach drei verkündet wurde, dass Zwanziger mit Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zum Pressetermin kommen werde, da war klar: Er macht weiter.

Knapp drei Stunden später verkündete Zwanziger, dass sich der Wert seiner Verkündigungen in Grenzen hielte, "es ist nicht so dramatisch". Es war aber auch nicht ganz undramatisch. Von den Mitgliedern des Gremiums - zu dem außer Vertretern der Landesverbände und der Bundesliga auch Männer wie Teammanager Oliver Bierhoff und Generalsekretär Wolfgang Niersbach gehören - hatte Zwanziger Antwort auf jene Grundsatzfragen haben wollen, die ihn zuletzt schwer bewegt hatten.

Positives Echo

Er hat sie selbst aufgezählt: "Wie ist die Situation des Präsidenten? Wie stark ist er? Hat er das Vertrauen des Präsidiums?" Zwecks Meinungsbildung trug er ein selbstverfasstes fünfseitiges Traktat vor, "einen ausführlichen und sehr persönlichen Bericht, der auch meine Befindlichkeit dargestellt hat" - sozusagen einen Bericht zur Lage des Theo Zwanziger. Das Echo war nach seinem Dafürhalten positiv: "Ich habe von niemand gehört: Es wäre besser, auf den Theo Zwanziger zu verzichten."

Er selbst hatte durchaus ans Verzichten gedacht. Sagt er. Er hatte sich gefragt: "Ist die Freude an diesem Amt noch so stark, dass du dir und deiner Familie das antun willst?" Er verwies auf die Ehefrau, die Kinder, die Enkel, er erzählte vom Gespräch mit den Söhnen, die ihm sagten: "Theo gegen den Rest der Welt, das geht nicht'', und er berichtete über den Kraftverlust nach sechs lebhaften und krisenbeladenen Jahren an der DFB-Spitze.

Aber dann habe er eben "auch festgestellt, dass ich an diesem Amt noch sehr viel Lust habe". Grundlegende Fehler bei der Behandlung des Falls Amerell kann er immer noch nicht erkennen. Und die Tatsache, dass ihn nun keines der Mitglieder in Präsidium wie auch im Vorstand offiziell aus dem Amt wünschte, fasst er als finale Bestätigung auf. "Da bin ich schon sehr zufrieden", sagte er, "ich habe mich sehr gefreut über diesen Vertrauensbeweis."

Die Basis dieses Vertrauensbeweises soll bei einer Sonder-Generalversammlung des DFB im April sogar noch erweitert werden. Gleich sechs Landesverbände stellten gleichlautend einen entsprechenden Antrag - gegen den Wunsch der Leute vom Profifußball, die einen außerordentlichen Bundestag für überflüssig halten. Sie mutmaßen, dass es bei diesem Treffen weniger um den offiziellen Anlass geht, also die Verabschiedung des neuen Schiedsrichterkonzepts, das der designierte nächste Schiedsrichterchef Herbert Fandel am Freitag vorstellte.

In Wahrheit, so hieß es, werde dieser Parteitag zur Feier des Präsidenten ausgerichtet. "Wir werden diese Entscheidung natürlich als gute Demokraten akzeptieren", sagte DFL-Chef Rauball, der Zwanzigers Vortrag über die persönliche Betroffenheit als "durchaus beeindruckend" bezeichnete. Das hat er fast so schön ausgedrückt wie den sanften Hinweis darauf, dass die Vertreter des Profilagers alles andere als begeistert waren über Zwanzigers jüngste Problemlösungen. Rauball: "Wir haben in selten offener Weise Punkte angesprochen, über die man auch diskutieren sollte."

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