DFB-Pokalfinale: Benedikt Höwedes:Schalkes neuer Neuer

Für den Trainer ist er der "Abwehrchef", der Manager erklärt ihn für unverkäuflich: Benedikt Höwedes soll nach dem DFB-Pokalfinale die Rolle des Vorzeige-Schalkers von Manuel Neuer übernehmen. Der 23-Jährige fühlt sich geschmeichelt - hält sich aber ein Hintertürchen offen.

Philipp Selldorf

In seinem Spind in Schalkes Umkleidekabine hat Benedikt Höwedes ein Foto von Manuel Neuer aufgehängt. Es war nicht seine Idee, das Bild anzubringen, Neuer hatte ihn dazu gedrängt. Das Foto soll für das Gemeinsame stehen, das die beiden verbindet, es ist ein Spiel unter Freunden. Neuer hat zu Höwedes gesagt: "Solange du etwas von mir annimmst, solange soll das Foto hängen bleiben. Wenn du sauer bist auf mich - dann reiß es ab."

1. FSV Mainz 05 - FC Schalke 04

Prädikat "unverkäuflich": Schalkes Abwehrspieler Benedikt Höwedes.

(Foto: ddp)

Benedikt Höwedes, 23, gehört nicht zu jenen Leuten, die es Manuel Neuer übel nehmen, dass er Schalke verlassen und zu Bayern München wechseln wird. Diese Leute ohne Verständnis gibt es tatsächlich, und deshalb begleitet den Schalker Torwart eine gewisse Bitterkeit durch die letzten Tage bei seinem Heimatklub.

Er hatte mit Enttäuschung bei den Fans gerechnet, aber er hatte auch auf mehr Zuspruch gehofft. Bevor am Mittwoch die Mannschaft zu ihrer Rettet-die- Saison-Mission nach Berlin aufgebrochen ist, haben ihm Mitglieder eines Fanklubs aus Ennepetal eine selbstgemachte Urkunde überreicht und eine Tafel Schokolade, und Neuer hat mit unverkennbar dunklem Unterton angemerkt, dass die Leute aus Ennepetal die ersten Schalker waren, die ihm danke gesagt haben.

Höwedes wird Neuer doppelt vermissen, wenn die nächste Saison beginnt. "Wenn er wechselt, bedeutet das, dass sowohl ein Freund wie auch der weltbeste Torhüter weg sind", sagt er. Er setzt zwar noch einen Vorbehalt hinter die Verlustmeldung, aber ihm ist klar, dass der Handel mit den Münchnern längst abgemacht ist: "Schade drum. Aber ich kann Manuel verstehen, dass er den nächsten Schritt tun will."

Es wird allerdings schon länger gemutmaßt, dass er seinem Freund und Torwart gleich folgen könnte, der FC Bayern und sein neuer Trainer Jupp Heynckes haben auch an ihm Gefallen gefunden, und Höwedes weiß mit solchen Avancen professionell umzugehen. Resolut versperrt er den Bewerbern die Vordertür - um ihnen sogleich die Hintertür zu öffnen. "Man fühlt sich natürlich geschmeichelt, wenn Interesse bekundet wird", sagt er, "aber ich habe meinem Berater gesagt, dass mich gewisse Angebote von anderen Vereinen im Moment nicht interessieren. Wir haben ein Finale vor uns, und ich will einen klaren Kopf behalten." Und nach dem Finale?

Nach dem Finale ist Höwedes nach Aussage von Horst Heldt ebenso "unverkäuflich" wie vorher. Angeblich läuft der Schalker Manager Gefahr, von Ralf Rangnick mindestens erwürgt zu werden, falls er den Abwehrspieler verkaufen sollte. Offiziell hat der Trainer das nicht bestätigt, aber er hat erklärt, dass es im Falle dieses speziellen Spielers "keine Schmerzgrenze" gebe, die den Verein schwach werden ließe. Höwedes wird somit zum unveräußerlichen Hauseigentum erklärt wie die Taschenuhr des Großvaters und die Perlenkette der Uroma.

Die Wahl seines Lebens

Er meint zwar, er sei "sicherlich nicht der begnadete Techniker" und schätzt sich selbst als "Arbeiter" ein, aber es finden sich schon ein paar besondere Talente. Höwedes ist schnell, geschickt und enorm kopfballstark, er hat ein außergewöhnliches Gespür für Situationen und ist ein Organisationstalent. Seine Kommandos sind maßgebend und steuern Schalkes Deckung bis ins Mittelfeld, weshalb ihn Rangnick jüngst als "Abwehrchef" klassifizierte.

Das ist allein deswegen der Rede wert, weil sein Nebenmann Christoph Metzelder heißt, der ihm einige Jahre Erfahrung und ein paar große Erlebnisse voraus hat. Das Verhältnis der beiden Landsleute - beide stammen aus Haltern, einem grünen Ort im Ruhrgebiet, der zwischen Dülmen, Datteln und Dorsten liegt - hat darunter aber nicht gelitten. Sagt zumindest Höwedes: "Ich habe nicht das Gefühl, als würde ihn das stören oder als ob er das negativ aufgefasst hätte."

Metzelder weiß, dass er von der Zusammenarbeit profitiert, und er weiß auch, dass Joachim Löw in Schalke nicht mehr auf ihn, sondern auf seinen Nebenmann achtet. Dass ihm der Bundestrainer durch eine Einladung zur Länderspielreise die Ferien verdirbt, darauf hat Höwedes jedoch vergeblich gehofft. "Ich hätte die Reise den Ferien ganz klar vorgezogen", sagt er.

Abgesehen von seinen Fußballer-Qualitäten hat Benedikt Höwedes noch einen Vorzug. Er ist Schalker. Zwanzig Jahre Zugehörigkeit wie Neuer kann er zwar nicht vorweisen, eine Vergangenheit als Fan in der Nordkurve des Parkstadions auch nicht. Er ist erst seit 2001 im Verein, und das Parkstadion hat er selten besucht, weil er lieber selbst gekickt hat. Aber er hat sich immerhin für Königsblau entschieden, als er knapp 13-jährig die Wahl seines Lebens treffen musste. Späher aus Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen hatten in Haltern vorgesprochen, "aber nur Schalke hat eine Rolle gespielt".

Er kam in die C-Jugend, wo er bald Kapitän wurde, er war Kapitän in der B- und in der A-Jugend, und bald wird er wohl in Neuers Nachfolge Kapitän der Profis sein. Den Antrag würde er "nicht verneinen", und er hat auch nichts dagegen, dass ihn der Klub jetzt in einer Mischung aus Traditionspflege und Marketing zur neuen Galionsfigur aufbauen will. Er soll der nächste Vorzeige-Schalker sein, quasi Neuers Werk übernehmen und Erbe von Ahnen wie Asamoah, Mulder oder Thon werden.

Manuel Neuer wird am Samstag womöglich in seinem letzten Spiel für Schalke den ersten Titel gewinnen. Danach könnte es rührselig und tiefsinnig werden. Auf seinen Freund Höwedes darf er sich auf jeden Fall verlassen. "Egal was passiert", verspricht er: "Manus Foto bleibt hängen."

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