Sportfreunde Lotte:"Wir denken nicht ans Verlieren"

Fußball DFB Pokal Achtelfinale Sportfreunde Lotte TSV 1860 München am 08 02 2017 im FRIMO Stadion

Experten für Favoritenstürze: Lottes Trainer Ismail Atalan und Co-Trainer Joseph Laumann (obenauf) bejubeln den Sieg über 1860 München, der ihnen den Zugang zum Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund brachte.

(Foto: imago/osnapix)

Drittligist Lotte hat schon zwei Bundesligisten aus dem DFB-Pokal geworfen - nun kommt der BVB. Co-Trainer Joseph Laumann erklärt, wie sein Team den Favoriten besiegen will.

Interview von Ulrich Hartmann

Die Bundesliga-Karriere des Fußballers Joseph Laumann hat kein ganzes Spiel gedauert, nicht mal eine Minute. Am 24. September 2005 wurde der damals 21-Jährige vom Trainer Ralf Rangnick für Schalke gegen Hannover eingewechselt. Laumann war 38 Sekunden im Spiel, als der Abpfiff ertönte. Nach der Partie wurde er lange krank, und als er wieder gesund war, hieß Schalkes Trainer Mirko Slomka. Laumann spielte nie wieder. Seine Karriere endete 2008 in Erfurt, nachdem er in Arnheim heimlich ein Probetraining unter dem Pseudonym Joseph Ratzinger absolviert hatte. Seit zwei Jahren ist der 33-Jährige Co-Trainer bei den Sportfreunden Lotte. Der Drittligist hat im Pokal bisher Werder Bremen, Bayer Leverkusen und 1860 München bezwungen. Am Dienstag reist Borussia Dortmund an.

SZ: Herr Laumann, Ihre letzten beiden Heimspiele in der Liga mussten wegen des schlechten Platzes abgesagt werden - in welcher Verfassung ist der Rasen?

Laumann: Wie immer nicht in der besten.

Sind Grashalme zu erkennen?

Ja, am Anfang sieht er sogar immer ganz gut aus, aber wenn ein paar Minuten gespielt sind, ist er nicht mehr so schön. Das kommt uns übrigens auch nicht entgegen, wir freuen uns da nicht drüber. In der Liga schadet es uns sogar.

Sie haben die letzten drei Liga-Heimspiele verloren, aber im Pokal werfen Sie Erst- und Zweitligisten raus. Wie gibt's das?

Die stellen sich gegen uns nicht hinten rein. In der Liga stehen die Gegner meistens tief, das liegt uns nicht so.

Und im Pokal gegen qualitativ bessere Fußballer ist der Rasen ein Heimvorteil?

Sagen wir es so: Unsere Jungs kennen den Platz, wissen, dass er schlecht ist und verschwenden am Spieltag keine Gedanken daran. Die Münchner haben den Platz begutachtet und heftig diskutiert, dadurch verliert man nur Energie.

Wie haben die drei Pokalerfolge Ihr 14 000-Einwohner-Städtchen verändert?

Letztes Jahr in der Regionalliga sind vielleicht 800 Zuschauer zu den Heimspielen gekommen, und daran hat nicht mal der Aufstieg viel verändert. Aber jetzt ist hier Euphorie ausgebrochen. Die Leute sind stolz auf ihr kleines Lotte.

Wie besiegt man drei höherklassige Teams nacheinander?

Wir haben schnelle Spieler und sind physisch stark, da können wir mit einem Erstligisten schon mithalten. Gegen Leverkusen waren wir trotz 45-minütiger Unterzahl ebenbürtig. Wir spielen immer mutig und denken nicht ans Verlieren.

Und Sie entwerfen Matchpläne.

Absolut. Wir schneiden Videos über jeden Gegner zusammen und suchen die Räume, die sich für uns ergeben. Wir bereiten uns zwei Tage auf jeden Gegner vor, schauen erst das Video und trainieren dann die entsprechenden Spielzüge.

Wie knackt man Borussia Dortmund?

Schwächen zu finden, wird sehr schwer. Dortmund hat offensiv eine brutale Qualität. Hinten bekommen sie aber ab und zu Probleme, weil sie sehr hoch spielen. Dort müssen wir unser Glück suchen. Wir können nur mit viel Mut gewinnen. Unser Trainer Ismail Atalan lebt für seine Ansprachen. Er wird da sehr emotional und erreicht auch eine gewisse Lautstärke.

Welche Trainer gefallen Ihnen beiden?

Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Lucien Favre - und absolut Thomas Tuchel. Seine taktischen Finessen und sein offensives Spiel sind Extraklasse. In seinem Spiel ergeben sich zwar hinten immer ein paar Lücken, aber es ist schön anzusehen. Wenn sie den Kader defensiv verstärken, wird Dortmund nächstes Jahr noch besser.

Ist Atalan ein Mann für die Bundesliga?

Er ist schon sehr ehrgeizig und möchte sicher irgendwann den nächsten Schritt gehen. Aber diese Woche macht er erst mal seine Prüfungen zum Fußballlehrer.

Sie selbst sind als Spieler vor zwölf Jahren auf exakt 38 Sekunden Bundesliga gekommen. Nagt das noch an Ihnen?

Es gab schon eine Zeit, in der man damit gehadert hat, dass man es nicht geschafft hat. Aber das ist abgehakt. Das Leben geht immer weiter, und jetzt versuche ich, im Trainerbereich weiterzukommen.

Zum Schluss müssen Sie aber noch erzählen, wieso Sie vor neun Jahren unter dem päpstlichen Namen Joseph Ratzinger ein Probetraining absolviert haben.

Das war nicht meine Idee. Der Manager von Vitesse Arnheim hat mich unter diesem Namen ins Hotel eingebucht. Mein Fehler war, dass ich mich bei meinem damaligen Verein Rot-Weiß Erfurt habe krankschreiben lasen, um heimlich zum Probetraining nach Holland zu fahren. Leider ist durch diesen Decknamen alles rausgekommen und meine Karriere war zu Ende. Ehrlich, mir hat der Name Joseph Ratzinger damals gar nichts gesagt.

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