DFB-Pokal: Schalke - Bayern:Das zweite Leben des Arjen Robben

Nach 112 Minuten konnten die Schalker den Bayern-Stürmer nicht mal mehr foulen. Der Niederländer ist längst von unschätzbarem Wert.

Philipp Kreutzer

Er hätte eigentlich rundum zufrieden sein können. Gewonnen, Pokalfinale erreicht, die erste der nun anstehenden schweren Prüfungen erfolgreich bestanden. Doch gleich nachdem Louis van Gaal vor den Journalisten den Auftritt seiner Mannschaft gelobt hatte, verfinsterte sich seine Miene. Dem Bayern-Trainer schien es ein echtes Anliegen zu sein: "Ich möchte noch etwas zum Rasen sagen. Das darf nicht sein in Deutschland."

Ein holpriger, eher grau-brauner denn grüner Untergrund ist eines Pokal-Halbfinals in der Tat nicht würdig, aber es kann offenbar bisweilen sogar in Deutschland sein, was nach Ansicht van Gaals nicht sein darf. Die Folge war ein weitgehend unansehnliches, an Höhepunkten armes Halbfinale. Joachim Löw sprach in der Halbzeitpause des Aufeinandertreffens der laut Bundesligatabelle beiden besten deutschen Mannschaften von einem "ganz schlechten Spiel".

Eine unnachahmliche Wortschöpfung

Anders als der Bundestrainer hatte der Bayern-Coach naturgemäß weniger die Gesamtqualität der Partie als vielmehr die Leistung seiner Mannschaft im Blick.

Weil für die von ihm ausgegebene Taktik der vielen kurzen Pässe eine ebene Fläche Grundvoraussetzung ist, hat er sich so geärgert über den Zustand des Geläufs, der den eher rustikal vorgehenden Schalkern entgegenkam. Unter solchen Umständen erfolgreich zu sein, verdiene besondere Anerkennung, folgerte der Niederländer und verband diesen Gedanken mit einer seiner unnachahmlichen Wortschöpfungen: "Wir haben trotz des Rasens gut gefußballt."

Gut gefußballt hatte vor allem einer. Was Arjen Robben in der 112. Minute anstellte, kam nach allem, was die Zuschauer bis dahin von den Akteuren geboten bekommen hatten, völlig unerwartet. Dass einer die bald zwei Stunden währenden Missverständnisse und Stockfehler auf dem ramponierten Rasen nicht nur mit einer grandiosen Energieleistung, sondern mit überragendem technischen Vermögen unterbrach und so die Partie entschied, kam einer kuriosen Wendung gleich.

"Vielleicht habe ich in der Extrazeit mein zweites Leben gefunden", sinnierte Robben. Vermutlich meinte der Niederländer "Luft", aber eigentlich hat er ja recht. Robben hat bei den Bayern nach seiner Ankunft aus Madrid tatsächlich so etwas wie ein zweites Leben gefunden, denn er ist für die Münchener - anders als für Real - längst von unschätzbarem Wert. Schon kürzlich in Florenz und gegen Freiburg sorgte er mit seinen Toren für "Happy Ends". Die Gründe für seine Leistungen lieferte er nun nach: "Ich fühle mich sehr wohl hier und bekomme viel Vertrauen." Lesen Sie weiter auf Seite 2

Treppenwitz der Partie

Über rund 60 Meter hatte Robben seinen Sprint gezogen, von der Mittellinie über den rechten Flügel in den Strafraum, gekrönt vom überlegten und unhaltbaren Abschluss zum 1:0-Endstand. "Ich habe ja mit meiner Grätsche alles probiert, aber ich bin nicht mehr zu ihm hingekommen", gestand Heiko Westermann. Auch kein anderer Gegner vermochte Robben zu stoppen. Wegen der extrem hohen Geschwindigkeit, mit der ihnen der filigrane Sprinter davonsauste, gelang den Schalkern nicht einmal ein Foul - was angesichts der Sticheleien, die Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger vor der Partie mit Schalkes Felix Magath ausgetauscht hatte, wie der Treppenwitz dieser Partie wirkte.

Magath und die Schalker werden sich die Frage gestellt haben, ob es auch dann zum 0:1 gekommen wäre, wenn Marcelo Bordon noch auf dem Platz gestanden hätte. Schalkes Abwehrchef musste nach einem Zusammenprall mit Westermann nach den ersten 45 Minuten in der Kabine bleiben, der Gelsenkirchener Hintermannschaft mangelte es in der Folge an Stabilität.

Einen weiteren Eckpfeiler hatte Magath selbst aus der Defensive entfernt. Rechtsverteidiger Rafinha schaute nur zu, nachdem er das Montagstraining versäumt hatte. "Er hat seine Frau zum Flughafen gebracht", klärte Magath auf. Allein als disziplinarische Maßnahme wollte der Trainer die Versetzung des Stammspielers auf die Bank aber nicht verstanden wissen. "Es war ratsam, auf den Außenpositionen defensivstarke Spieler aufzubieten", erläuterte Magath.

Magath: "Wir haben uns sehr gut verkauft."

Wirklich bezahlt machte sich dieser Schachzug jedoch nicht - siehe 0:1. Magath setzte sich allerdings entschieden gegen die Einschätzung zur Wehr, die Niederlage resultiere aus der im Vergleich zu den Bayern geringeren Fitness: "Es ist einfach so, dass sie technisch und taktisch stärker sind und deshalb weniger Laufarbeit machen müssen." Überhaupt gab sich Schalkes Multifunktionär zufrieden: "Wir haben uns sehr gut verkauft. Gegen eine Mannschaft, die die Champions League gewinnen kann und will, kann es passieren, dass man aus dem Pokal ausscheidet."

Die Bayern dagegen stehen zum 17. Mal im Pokalfinale, am 15. Mai treffen sie in Berlin auf Werder Bremen. Davor liegen Termine in der Champions League und in der Bundesliga, unter anderem schon am 3. April erneut auf Schalke. Am Samstag kommt erst mal Stuttgart. "Wir haben durch diesen Sieg natürlich Euphorie", diagnostizierte van Gaal den Zustand seiner Elf nach dem ersten Spiel der entscheidenden Saisonphase, "aber es wird gegen Stuttgart nicht nur physisch schwer. Es ist nicht leicht, nach nur zwei Tagen Pause schon wieder mit einer Siegermentalität auf dem Platz zu stehen."

Auf das Pokalfinale aber, darauf freut sich der Niederländer schon jetzt. Sein Assistent Hermann Gerland habe ihm neulich ein Video von Berlin gezeigt, erzählte van Gaal, und nun ist der Bayern-Trainer sehr gespannt auf das Endspiel: "Ich habe gehört, dass das phantastisch ist und wunderschön." Im Berliner Olympiastadion soll ja auch der Rasen viel besser sein.

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