DFB-Pokal:Freie Bahn für den FC Bayern

Lesezeit: 4 min

  • Der FC Bayern wirft im Pokal-Achtelfinale den Titelverteidiger Borussia Dortmund mit 2:1 raus.
  • Die nationale Konkurrenz scheint einfach nicht stark genug zu sein.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen des DFB-Pokals.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

In manchen Dingen ist der Fußball wie die Liebe, in andern wiederum ist er genau das Gegenteil. In der Liebe zählt zum Beispiel der erste Eindruck und im Fußball zählt der letzte. Das liegt an dem profanen Grund, dass echte Liebe kein Ende hat und es daher nur den Anfang als markanten Punkt gibt - ein Fußballspiel aber nunmal nach ungefähr 90 Minuten aufhört. Und da bleibt das hängen, was zum Schluss passiert ist.

Den letzten Eindruck des DFB-Pokal Achtelfinales zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund prägte ein sehr junger Schwede, der mit seinen 18 Jahren fast noch den Ausgleich für den BVB geschossen hätte. In der Nachspielzeit - es stand 2:1 für den FC Bayern - kam Alexander Isak an den Ball, er schlug noch einen Haken, und nur, weil Jérôme Boateng in den Schuss lief, war es nicht das 2:2. Dortmund wirkte zu diesem Zeitpunkt frischer, aggressiver, besser. Eine Verlängerung hätte der BVB vielleicht gewonnen.

Die Führung durch Boateng war überfällig

Der letzte Eindruck ist in manchen Dingen aber auch wie der erste Eindruck - er kann zum Beispiel täuschen. Trotz der großen Dortmunder Möglichkeit waren sich die beiden Trainer Jupp Heynckes und Peter Stöger einig, dass das Ergebnis so in Ordnung geht. "Wenn man die 94 Minuten sieht, sind wir der hochverdiente Sieger", sagte Heynckes. "Am Ende des Tages war das zu wenig", meinte Stöger.

Der Grund für diese Einschätzung: Die erste Halbzeit, die - isoliert betrachtet - rechtfertigen würde, dieses Duell nur noch als ein ehemaliges Spitzenspiel zu bezeichnen. Bayern spielte eine von Peter Stöger mit einer sehr defensiven Fünferkette aufs Feld geschickte Dortmunder Mannschaft an die Wand. Der neue BVB-Trainer wollte eine Mauer bauen, heraus kam ein Sieb. Das Stenogramm der ersten Minuten hätte so auch in der ersten Pokalrunde gegen einen Amateurverein stattfinden können: Latte Vidal (3. Minute), Schuss James (6.), Chance Lewandowski (8.), Gewaltschuss Ribéry (11.). Die Führung von Boateng per Kopf (13.) war überfällig, das zweite Tor durch Müller kurz vor der Pause hochverdient. BVB-Torwart Roman Bürki beschrieb die Phase später mit den zwei Worten "ohne Gegenwehr".

So könnte man nun schon die Geschichte des Klassensystems im deutschen Fußballs erzählen - aber dann ließ der FC Bayern nach. Bürki hielt den BVB mit einer Wahnsinns-Parade gegen Thomas Müller im Spiel und Borussia Dortmund kam auf, erzielte den Anschlusstreffer durch Andrej Jarmolenko (77.) und hatte schon vor der Chance von Isak zwei gute Schuss-Möglichkeiten durch Marcel Schmelzer und André Schürrle. Am Ende hatte Dortmund sogar mehr Ballbesitz als die Münchner - das kommt in der Arena eigentlich nie vor.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Boateng fungiert als Schlossgespenst

Der Verteidiger rettet den Sieg gegen Dortmund, Thomas Müller macht auch im Pokal seine eigenen Gesetze und Franck Ribéry wird von einer gelben Karte überrascht. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

"Wir waren zu passiv. Wenn du Zweinull führst und merkst, es ist das letzte Spiel vor der Pause, dann macht man eher den Schritt zurück, statt den Gegner unter Druck zu setzen", sagte Müller. Jérôme Boateng meinte, dass am Ende der Hinrunde "die Kräfte nicht mehr so da sind".

So erklärten sich viele Bayern-Spieler, dass sie ein sicheres Spiel fast noch verschenkt hätten. Auf den ersten Blick ist das mit der fehlenden Fitness am Ende einer langen Saison kurz vor Weihnachten auch eine naheliegende Schlussfolgerung. Auf den zweiten Blick zieht sie nicht so richtig, weil Dortmund exakt gleich viele Spiele in diesem Halbjahr gespielt hatte und aktuell mehr Verletzte hat - Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang fiel mit Hüftproblemen in München aus. Die Fitness-Debatte führte dann zu einer kuriosen Szene im Fernsehstudio der ARD. Michael Ballack, der einst unter Heynckes in Leverkusen trainierte, hakte nach, ob der Zustand unter Carlo Ancelotti wirklich so eklatant war. Heynckes meinte: "Ich kann nicht sagen, dass sie unter dem vorherigen Trainer nicht fit waren. Aber jeder Trainer hat seine Methoden. Wir haben nur die Intensität erhöht."

Heynckes will nichts Negatives über seinen Vorgänger sagen, aber dass er mit dem Fitness-Level der Mannschaft nicht zufrieden war, das hört man seit seinem Amtsantritt bei fast jeder Pressekonferenz heraus. Und geht man davon aus, dass er nun eine - wenn auch kurze - Winterpause hat, um weiter mit seiner Mannschaft zu arbeiten, dann muss man vielleicht doch wieder die Klassenfrage in Deutschland stellen.

Denn - auch wenn der FC Bayern die letzten Minuten schnaufte und beim Schuss von Isak auch ein bisschen duselte - er gewinnt ja immer weiter. Nach drei Einsnull-Siegen in der Liga ist nun der BVB im DFB-Pokal geschlagen, wie auch RB Leipzig in diesem Wettbewerb schon geschlagen ist. Die Auslosung gab den Bayern die zwei nominell besten deutschen Mannschaften in den Runden zwei und drei. Leipzig und Dortmund waren auch in drei von vier Halbzeiten (plus eine Verlängerung) würdige Gegner - aber am Ende nicht mehr. In der Liga haben die Münchner elf Punkte Vorsprung, im DFB-Pokal ist das schlimmste, was ab jetzt passieren kann, ein Auswärtsspiel in Frankfurt oder auf Schalke oder in Leverkusen. Das sorgt in München nicht für erhöhten Puls. 2011 hat der FC Bayern im Pokal das letzte Mal gegen eine Mannschaft verloren, die nicht Dortmund war.

Die Lehre dieses Abends ist: Ein von Jupp Heynckes wieder in den Normal-Modus gebrachter FC Bayern reicht aus, um durch die beiden deutschen Fußball-Wettbewerbe zu marschieren. Wenn das Team Schwächen zeigt, wie am Anfang der Saison unter Ancelotti oder nun in den letzten 30 Minuten gegen Dortmund, dann ist die nationale Konkurrenz nicht stark genug, um sie in aller Konsequenz auszunutzen. Exemplarisch das Bundesliga-Spiel in Stuttgart. Da bekommt der VfB in der 94. Minute noch einen Elfmeter, Sven Ulreich hält und am Ende stehen drei Punkte.

Unter Pep Guardiola machten die Bayern kaum Fehler und dominierten den deutschen Fußball. Jetzt machen sie Fehler - und dominieren trotzdem fröhlich weiter. So ist zumindest der letzte Eindruck.

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