DFB-Pokal:Die falschen Siege

Carl Zeiss Jena trifft heute im Pokal-Halbfinale auf Dortmund. Lieber hätte der Klub häufiger in der zweiten Liga gewonnen. Der Abstand zum rettenden Ufer ist groß.

Ronny Blaschke

Da hat jemand im Lotto gewonnen, und trotzdem klingt er so, als würde ihm gleich der Gerichtsvollzieher in den Nacken springen. Rainer Zipfel, seit sieben Jahren Präsident des FC Carl Zeiss Jena, schafft es einfach nicht, glücklich zu wirken, dabei müht er sich darum, wenige Stunden vor dem größten Vereinsauftritt seit gut zwei Jahrzehnten. "Der DFB-Pokal ist für uns die schönste Nebensache der Welt", sagt Zipfel - mit der Betonung auf Nebensache.

DFB-Pokal: Jenaer Juwel: Jan Simak steht bei Bundesliga-Clubs auf dem Wunschzettel.

Jenaer Juwel: Jan Simak steht bei Bundesliga-Clubs auf dem Wunschzettel.

(Foto: Foto: dpa)

Wenn das Halbfinale des Fußball-Zweitligisten bei Borussia Dortmund an diesem Dienstag vor 80000 Zuschauern wie erwartet genossen und doch verloren sein sollte, dürfte die Enttäuschung besonders groß sein. Den Thüringern steht anschließend nämlich ein Kulturschock bevor. Der Abstieg aus der zweiten in die dritte Liga ist kaum mehr zu vermeiden, schon jetzt beträgt der Abstand zur sicheren Zone elf Punkte. Erst am Freitag unterlag die Mannschaft in Offenbach 1:2, es war die 14.Niederlage im 24. Ligaspiel.

Und so will Rainer Zipfel nicht schwärmen, weil es wenig zu schwärmen gibt: "Für Fans, Sponsoren und Mannschaft ist der Pokal ein Trost", sagt er. "Für den Verein ist es die beste Werbung der Welt. Leider nicht von Dauer." Er würde die vier Siege im Wettbewerb, unter anderem gegen Titelverteidiger 1. FCNürnberg, gegen Arminia Bielefeld und im Viertelfinale nach Elfmeterschießen sogar gegen den deutschen Meister, den VfB Stuttgart, nur all zu gerne gegen Siege in der zweiten Liga tauschen. Zumindest werden die Pokaleinnahmen in Höhe von zweieinhalb Millionen Euro Jena nun beim Neuaufbau in der dritten Liga helfen.

Traurig macht Zipfel, 47, dass die Imagepolitur in Dortmund bald wieder vergessen sein könnte. Der FC Carl Zeiss war eine große Nummer in der DDR: Platz eins in der ewigen Oberliga-Tabelle, drei Meisterschaften, vier Pokalsiege, 34 Nationalspieler. Der Weg führte 1981 sogar ins Europacup-Finale der Pokalsieger. Jena scheiterte an Dynamo Tiflis, der Trainer hieß damals Hans Meyer - der im Herbst mit Nürnberg zurückkehrte und verlor. Mit ein Grund, weshalb Meyer nun nicht mehr beim Club tätig ist.

Auf der nächsten Seite: Jenaer Idole, eine überflüssige Debatte und ein russischer Investor.

Die falschen Siege

Das Drama vollzog sich im Ernst-Abbe-Sportfeld, im Schatten der Kernberge. Einem Ort, an dem Erinnerungen gepflegt werden, besonders beliebt ist dort ein Fußabdruck des dribbelnden DDR-Idols Peter Ducke. Auch später noch brachte Jena Talente hervor, welche die Bundesliga bereicherten: Bernd Schneider, Robert Enke, Jörg Böhme oder Ronald Maul.

Fast 20 Jahre nach dem Mauerfall ist der Glanz jedoch verblasst. In den alten Ländern interessiert sich kaum jemand für den FC Carl Zeiss und dessen Geschichte. Es ist das alte Leid der einst gestrandeten Traditionsklubs, sie strampeln und strampeln, doch die Wahrnehmung bleibt begrenzt. "Uns geht es nicht schlecht in Jena", sagt jedoch Rainer Zipfel: "Hier gibt es viele schlaue Menschen mit guten Ideen." Die Stadt gilt als Wissenschaftsstandort und profitiert von der Universität. Die Arbeitslosenquote liegt unter dem ostdeutschen Schnitt.

Der Durchmarsch als größter Erfolg

In Wahrheit bietet der FC Carl Zeiss, gegründet 1903, ein Beispiel dafür, wie überflüssig die Debatte um den ostdeutschen Fußball geworden ist. Jena hat, wie Hansa Rostock oder Energie Cottbus, aus den Fehlern der Nachwendezeit gelernt. Als Zipfel den Klub Anfang des Jahrtausends übernahm, stand dieser vor der Pleite. Der Unternehmer, in Jena geboren, führte ein solides Management ein. Nicht mehr der sportliche Erfolg sollte erzwungen werden, sondern eine dauerhafte Zahlungsfähigkeit. Jena erholte sich, 2005/2006 glückte der Durchmarsch aus der Oberliga in die zweite Liga. Zipfel: "Das war der größte Erfolg für mich. Nicht jetzt das Pokalhalbfinale."

Dass Jena womöglich absteigt, ist keine Katastrophe für Zipfel, der Wiederaufstieg wird angestrebt. In der vergangenen Saison sicherte das Team den Klassenerhalt am letzten Spieltag, in dieser sind die Fehler nicht mehr zu korrigieren. Drei Trainer hatten seit Sommer die Verantwortung: Frank Neubarth, Valdas Ivanauskas, nun Henning Bürger. Auch der im Herbst lange diskutierte Einstieg eines russischen Investors, der 20 Millionen Euro in Aussicht stellte, trübte die Harmonie.

Wenigstens der tschechische Zugang Jan Šimák sorgte für Spielfreude. Viereinhalb Jahre nach seiner Flucht aus Deutschland, ausgelöst durch Depression und Alkoholprobleme, scheint Šimák bereit zu sein für eine Rückkehr in die Bundesliga. Interessenten haben sich längst gemeldet. Dortmund soll auch seine Bühne sein.

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