DFB-Pokal:Der Lehrling mit der Nummer eins

Ein junger Torwart und die Erwartungen: Michael Rensing soll dem FCB schon jetzt Spiele gewinnen wie einst Kahn - daran kann er nur scheitern.

Andreas Burkert

Michael Rensing hatte schon geahnt, dass er wieder nur die Nummer zwei sein würde. Sein junges Torwartleben bestand ja nur aus Warten, Trainieren und wieder Warten, und jetzt verkündete der Trainer des FC Bayern ohne Sentimentalitäten, Rensing sei "weiterhin die Torwart der Zukunft". Und diese Zukunft müsse jetzt leider warten. Rensing hat das mit der Zukunft kurz geschmeichelt, dann gab er zu: "Auf Deutsch gesagt ist das eine Scheiß-Situation."

DFB-Pokal: Bayern-Keeper Michael Rensing muss sich unfairerweise mit dem großen Oliver Kahn vergleichen lassen.

Bayern-Keeper Michael Rensing muss sich unfairerweise mit dem großen Oliver Kahn vergleichen lassen.

(Foto: Foto: Reuters)

Im April 2007 ist das gewesen, die Bayern hatten gerade mit dem Reservetorwart Rensing und dem Trainer Hitzfeld ein 2:2 in Mailand geholt. Der damals 22-jährige Torwart zeigte zwei fantastische Reflexe, und spät abends scharte sich eine Reporterschar im Souterrain des Teamhotels um Rensing, der auf einer antiken Bank einen erdverbundenen Eindruck machte. Knapp anderthalb Jahre später wirkt er noch immer so, wenn man mit ihm spricht, ist man jedenfalls ganz froh darüber, dass er sich nicht alles abgeschaut hat von einem, der später sein Vorbild gewesen ist: Der junge Oliver Kahn, der einstige Weltkeeper.

Kahns großer Schatten

Vor ein paar Wochen ist Kahn in Fußballrente gegangen. Aber jetzt ist er plötzlich wieder allgegenwärtig. Nach dem desaströsen Münchner 2:5 gegen Bremen sind alle Gurus der deutschen Torwächterzunft angerufen worden, Stein und Schumacher und Maier sollten sagen, ob und wie lange das gut gehe mit Rensing als Kahns Erbe. Der 24-Jährige hatte zur epochalen Pleite einen Fangfehler und wenig Souveränität beigetragen. Sepp Maier, der mit Kahn in Pension gegangen, ist natürlich befangen gewesen, er hat auch Rensing viele Jahre trainiert. Und doch klang das ganz vernünftig, als er sagte, man solle "dem Michael mal Zeit geben, der Olli hat in seiner ersten Saison auch nicht gerade geglänzt".

Rensing, das werde der neue Kahn, er müsse eben nur warten, das haben die Münchner stets erzählt. Vor allem Rensing. Sie haben letztlich Wort gehalten, und Rensing hat vorige Woche in Bukarest erzählt, wie gut es ihm gehe. "Das ist ein geiles Gefühl, Nummer eins zu sein, für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen", sagte er in einem zugigen Interviewzelt. "Jetzt geht es erst richtig los."

Mit seiner jugendlichen Euphorie hatte Rensing bereits in Bukarest ein paar Unsicherheiten übergangen; er lieferte für jede Szene eine Erklärung und ergänzte, es gebe "eher keinen Gesprächsbedarf". Und natürlich ist das nun sehr unfair, Rensing ins Zentrum der Debatten um den sehr wechselhaft in die Saison gestarteten Meister zu rücken. Denn er kann es ja gar nicht richtig machen - es sei denn, er hielte wie der beste Kahn.

Zu hohe Ansprüche der Öffentlichkeit

Doch Rensing soll den Bayern schon jetzt Spiele retten. Doch wer die Unsicherheiten beobachtete, die das veränderte Spielsystem von Trainer Jürgen Klinsmann selbst beim 1:0 in Bukarest auslösten, erkennt die gewaltige Aufgabe, die er zu bewältigen hat: Er, der Neuling, der sich gerade ans Rampenlicht gewöhnt und der seit Sommer 2002 allenfalls bei der Regionalliga-Reserve konstant Spielpraxis erhielt - er soll sofort in sich ruhend einer neu formierten Deckung vorstehen? Nein, das geht wohl nicht.

Rensing braucht Zeit, wie auch die neuen Bayern Zeit brauchen. Zeit, die für beide begrenzt ist. Niemand weiß ja wirklich, was dieser Michael Rensing kann. Mit 16 Jahren verließ er seinen niedersächsischen Heimatverein TuS Lingen und rückte ins Bayern-Internat ein. Vor allem das direkte Duell mit dem Stürmer gilt seitdem als seine Stärke, das Herauslaufen trotz 188 Zentimetern Länge weniger. Maier und Kahn, mit denen er stets trainierte, haben trotzdem ständig nach oben in die Vorstandsetage übermittelt: Der Rensing, der könne das schaffen.

Doch inzwischen hat sich etwas verändert im Land der Torhüter, der Mann im Kasten ist als elfter Feldspieler eingeplant. Etwas weniger Kahnsche Kraft liegt im Trend, Rensing könne deshalb in punkto Geschmeidigkeit zulegen, heißt es in München. Auch deshalb hatte sich ja Klubcoach Klinsmann als Bundestrainer vor der WM 2006 für Jens Lehmann und gegen Kahn entschieden: Er erschien ihm als der modernere 38-Jährige.

Noch nicht die Ausstrahlung

Die Lehrjahre unter Kahn hat Rensing nun hinter sich. Und vor sich stets Kahns Schatten. Rensing schreit im Spiel viel, wie einst Kahn, "deshalb bin ich danach immer heiser". Samstag gegen Bremen haben aber Mitspieler ihn angeschrieen. Das hätte es bei Kahn nie gegeben, haben sie im Fernsehen angemerkt und genüsslich die Zeitlupe gezeigt. Im Training wollen die Kollegen das vielleicht wieder gut machen, sie reden viel mit ihm. Und Kapitän Mark van Bommel ruft ihm nach einem profanen Querpass zu: "Gut gespielt, überragender Torwart!"

Vermutlich sollte Rensing versuchen, weniger Kahn zu sein. Sondern etwas mehr Rensing. Bayerns Torwarttrainer ist jetzt Walter Junghans, 49, wegen dessen Arbeitsstil hat Rensing vor Monaten mal in der Vorstandsetage Rücksprache hielt. Es ist da eben zurzeit recht viel zu verarbeiten für einen jungen, ehrgeizigen Torwart, der auf der Münchner Bank mitansehen musste, wie in Leverkusen der Jüngling René Adler den gestandenen Jörg Butt verdrängte und in Schalke Manuel Neuer Vorgänger Frank Rost.

Butt, 34, ist neuerdings zweiter Mann bei Bayern. Er hält sich keineswegs für die Zukunft. Aber er ist da.

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