DFB-Pokal: Bayer Leverkusen:Zweifel an den Schöngeistern

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Nur zwei Siege in neun Spielen: Vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Bayern München steigt in Leverkusen die Nervosität und steht Trainer Bruno Labbadia erstmals unter Druck.

Philipp Selldorf

Beim Pokalspiel gegen Bayern München am Mittwochabend muss Bruno Labbadia etwas tun, was er selten und offensichtlich ungern macht. Er muss seine Stammelf verändern. Durch die Meniskusverletzung von Manuel Friedrich fällt aber nicht nur ein eingeübter Innenverteidiger aus, es fehlt auch der mit Abstand älteste Spieler in Bayer Leverkusens ständiger Vorzeigeformation. "Und Manuel ist 29 Jahre alt", hebt Bruno Labbadia in einem Tonfall hervor, der vorübergehend in Moll wechselt, "ich glaube, das sagt viel aus."

"Wir haben hier Spieler mit sehr gutem Potential, aber keine fertigen Spieler." Als Klage sollte diese Aussage von Leverkusen-Trainer Bruno Labbadia aber nicht verstanden werden. (Foto: Foto: dpa)

Öfter wird in diesen Tagen die Frage gestellt, ob es Bayer Leverkusen nicht übertrieben hat mit der Jugendverehrung und seinem optimistischen Konzept. Lauter Spieler mit hell scheinender Zukunftserwartung hat der Verein in seiner ersten Elf zusammengeführt, und nun glauben nicht wenige Kritiker, dass diese progressive Linie einige elementare Anforderungen des Profisports vernachlässigt hat. Eine unproduktive Mehrheit von "Schöngeistern" sieht beispielsweise die Rheinische Post am Werk, und der Boulevard vermisst, nicht unerwartet, die rauen Typen mit der Aufrüttler- und Anführermentalität, die "dazwischenhauen".

Labbadia gehört jedoch, der Aussage über den fehlenden Routinier Friedrich zum Trotz, nicht zu den Zweiflern, jedenfalls spricht er es nicht aus. "Wir haben hier Spieler mit sehr gutem Potential, aber keine fertigen Spieler. Der Probleme, die dieses Team beinhaltet, sind wir uns immer bewusst gewesen, auch im Erfolgsfall", sagt er. Man sei "trotzdem froh, dass wir diese Mannschaft haben".

Zwei Siege in neun Spielen

Vom Erfolgsfall kann derzeit keine Rede sein, eine über die Jahreswende konservierte miese Serie im Punktspielbetrieb hat binnen neun Partien nur zwei Siege eingebracht. Anzeichen zunehmender Nervosität wurden offenbar, als Sportchef Rudi Völler am Wochenende überraschend polemisch den Torwart René Adler maßregelte, weil der dem Team und dem Klub ein unauslöschliches "Phlegma" bescheinigt hatte.

Davon will man bei Bayer nichts hören, "das bedient doch nur das Klischee", findet Völler. Dieses Klischee wird in Leverkusen gefürchtet und gehasst, umso mehr, wenn man ihm nicht mit Erfolgen entgegentreten kann. Am 15.August, dem zweiten Spieltag der nächsten Saison, muss Bayer sein neues, 30.000 Zuschauer fassendes Stadion wenigstens als Uefa-Cup-Teilnehmer beziehen.

Weil die Mannschaft dieses Ziel im Vorjahr verfehlt hatte, musste Trainer Michael Skibbe seinen Platz räumen, und bei der Grundsatzentscheidung über den Nachfolger wählten die Verantwortlichen den temperamentvollen Labbadia anstelle des sachlichen Mirko Slomka. Das hatte durchaus auch mit dem Klischee des Phlegmas zu tun.

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Wegen seines Temperaments und seiner Gefühlslastigkeit ist der Mittelstürmer Labbadia zu Fußballerzeiten sogar schon der eigenen Frau auf die Nerven gegangen. "Ich wünsche mir manchmal, Du wärest Verteidiger", hat sie ihm gesagt, und er hat ihr dann mit dem Argument widersprochen, "dass die Erfolgsmomente als Stürmer viel zu großartig sind".

Nicht variantenreich genug

Als Trainer hat er seine Schwankungen abgestellt, er weiß sich anzupassen und pflegt bei seinen Auftritten die abwägende und gelassene Attitüde des Vordenkers, auch in diesen unruhigeren Tagen, da er nicht mehr nur Lob und Bewunderung erfährt. Dabei hatte er sich in Leverkusen zunächst heftig umstellen müssen.

Zuvor beim Zweitligisten Fürth und erst recht bei seinem Debüt in Darmstadt war er als Trainer auch eine Art Generalmanager. Bei Bayer gestalten jedoch aus Prinzip andere die Klub- und Personalpolitik. Darüber, dass ihm nur der Sport bleiben sollte, gab es anfangs einige Auseinandersetzungen, und auch Labbadias superehrgeiziger Arbeitsstil auf dem Trainingsplatz blieb nicht unumstritten.

Besessenheit hat man ihm nachgesagt, und das wurde ihm einerseits als charakteristische Tugend ausgelegt, andererseits als enervierende Tendenz. Die Mannschaft hat er nach Ansicht von Beobachtern mit seinen anspruchsvollen Übungsprogrammen gelegentlich überstrapaziert.

Bis in den frühen Herbst hinein ließ er intensiv Kondition trainieren, im Winterlager in Belek gab es selbst nach starken Testspielen kein Pardon. Im abschließenden Saisondrittel, so wird befürchtet, könnte dem Team deswegen die Kraft ausgehen, doch bisher zeigt die Elf vor allem den Mangel, dass sie ihren Spielstil und ihren Rhythmus nicht variieren kann.

Labbadia gibt keine Unruhe zu erkennen. "Das sind Dinge, die normal sind und die man mitmachen muss", sagt er, "eine Mannschaft zu entwickeln, die so jung ist, das dauert." Demzufolge hat die Begegnung mit den Bayern für ihn auch keine höhere Bedeutung. "Für mich hat das Spiel nichts mit Weichenstellung zu tun. Es ist ein Finale."

© SZ vom 04.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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